
Am Dienstag talkt Sandra Maischberger u.a. mit Hartmut Steeb von der Deutschen Evangelischen Allianz und der homophoben Journalistin Birgit Kelle über "Homosexualität auf dem Lehrplan".
Der Waldschlösschen-Appell gegen unwidersprochene Homophobie in den Medien ist beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen offensichtlich noch immer nicht angekommen. Ausgehend vom einem Treffen von Journalistinnen und Journalisten im queeren Tagungshaus bei Göttingen waren Deutschlands Redaktionen im vergangenen Juni aufgefordert worden, ebenso wie bei Rassismus endlich auch bei Homophobie eine rote Linie zu ziehen: Diskriminierende Äußerungen sollen klar benannt und den Personen dahinter keine Plattform geboten werden. Gerade in Talkshows sollen sich Schwule und Lesben nicht mehr für ihre sexuelle Orientierung rechtfertigen müssen.
In der Redaktion von "Menschen bei Maischberger" scheint der Appell leider das genaue Gegenteil bewirkt zu haben. Wenn man die Ankündigung für die Sendung am kommenden Dienstag, den 11. Februar um 23:10 Uhr liest, kann man den Eindruck bekommen, dass die legendäre wie unsägliche "Hart aber fair"-Sendung vom 3. Dezember 2012 zum Thema "Papa, Papa, Kind: Homo-Ehe ohne Grenzen?" sogar noch untertroffen werden soll.
"Homosexualität auf dem Lehrplan – droht die moralische Umerziehung?" fragt Sandra Maischberger am Dienstag ihre Gäste. Allein der Titel ist eine doppelte Unverschämtheit. Zum einen soll nach dem baden-württembergischen Bildungsplan an keiner einzigen Schule Lesbisch-, Schwul- oder Heterosexuellsein "gelehrt", sondern lediglich über die Vielfalt der Lebensweisen aufgeklärt werden. Dies als "moralische Umerziehung" zu diffamieren, ist – auch mit Fragezeichen – ein deutlicher Schritt über die rote Linie.
Auch die Gästeliste lässt einem die Haare zu Berge stehen. Gleich zwei notorische Homo-Hasser hat Sandra Maischberger ins ARD-Studio geladen: Da wäre zum einen Hartmut Steeb, der Generalsekretär der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz, der erst Ende Januar im SWR davon sprach, "glücklicherweise" kein homosexuelles unter seinen zehn Kindern zu haben, und offen für Umpolungs-Therapien wirbt (queer.de berichtete). Ihm zur Seite steht die erzkatholische Journalistin Birgit Kelle, die seit vielen Jahren gegen die "Zulassung" von Homosexualität anschreibt.
Die Pro-Bildungsplan-Seite ist dagegen nicht gerade mit rhetorischen Schwergewichten besetzt: Neben dem schwulen CDU-Bundestagsabgeordneten Jens Spahn und Drag-Queen Olivia Jones steht die Schriftstellerin und Mutter Hera Lind auf der Gästeliste. Wir drücken den drei am Dienstag natürlich die Daumen, in Maischbergers Horrorrunde die richtigen Worte und Reaktionen zu finden.
Wie die Diskussion ablaufen wird, kann man sich – leider – schon jetzt lebhaft vorstellen: Künstliche Empörung, reißerische Zuspitzung und homophobe Provokation statt einer sachlichen Debatte über Homophobie und die Erziehung zu Toleranz, gewürzt mit ständigen Angriffen einer schrillen religiösen Minderheit auf die Würde von Lesben und Schwulen.
Wie lassen sich solche Sendungen eigentlich mit dem Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Fernsehens vereinbaren? Warum sitzen die Kirchen in den deutschen Rundfunkräten, die doch einen Querschnitt der Bevölkerung abbilden sollen, nicht aber Vertreter von LGBT-Organisationen?
Trotz der schlimmsten Erwartungen an die Sendung am Dienstag: Vielleicht schafft es "Menschen bei Maischberger" ja immerhin, auch diese überfällige Debatte auf die Tagesordnung zu setzen! (mize)
Update, 10.2.2014: Maischberger antwortet auf Kritik