
Die Moderatorin verteidigt ihren TV-Talk mit Homo-Hassern, man müsse beide Seiten berücksichtigen. Die Redaktion gibt dem Sendungstitel zwei zusätzliche Anführungszeichen.
Ende letzter Woche wurde bekannt, dass die Talkshow "Menschen bei Maischberger" am morgigen Dienstag fragt:
Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die moralische Umerziehung?
Dazu werden der Evangelikalenboss Hartmut Steeb und die christliche Feminismus- und Homorechte-Bekämpferin Birgit Kelle eingeladen.
Queer.de-Redakteur Micha Schulze kritisierte daraufhin an dieser Stelle:
Wie die Diskussion ablaufen wird, kann man sich – leider – schon jetzt lebhaft vorstellen: Künstliche Empörung, reißerische Zuspitzung und homophobe Provokation statt einer sachlichen Debatte über Homophobie und die Erziehung zu Toleranz, gewürzt mit ständigen Angriffen einer schrillen religiösen Minderheit auf die Würde von Lesben und Schwulen.
Man könne die Debatte nicht unter lauter Gleichgesinnten führen, sagte dazu Maischberger am Montag der Nachrichtenagentur dpa. Sonst gäbe es sofort den Vorwurf der Einseitigkeit. In Anspielung auf den von Schulze erwähnten Waldschlösschen-Appell von schwulen und lesbischen Journalisten mit der Forderung, unter bestimmten Voraussetzungen Homo-Hassern kein Forum zu bieten, sagte sie:
Wir bieten bei "Menschen bei Maischberger" niemandem ein Podium oder Forum, sondern bitten Menschen mit ganz unterschiedlichen Meinungen in unsere Runde, damit sie ihre Argumente miteinander austauschen. (…) Die gesellschaftliche Debatte muss offensichtlich geführt werden. Das zeigen nicht nur die vielfältigen und verständlicherweise auch emotionalen Reaktionen beider Seiten."
Nun hat der Appell eine oft übersehene Wenn-Bestimmung: Medien werden aufgefordert, Homo-Hassern, die bestimmte Forderungen vertreten, "keine Plattformen zu bieten, so lange sie sich nicht klar von ihnen distanzieren". Diese Aussagen, darunter Homosexualität sei "widernatürlich" oder "heilbar", müssten als diskriminierende Anfeindungen gekennzeichnet oder verurteilt werden.
Es geht also darum, dass bestimmte Äußerungen nicht mehr Teil eines Pro & Contra bei Enthaltung von Moderation und Redaktion sein können. So wie es bei fremdenfeindlichen oder antisemitischen Äußerungen durchaus üblich ist.
Wenn Maischberger von "Reaktionen beider Seiten", "unterschiedlichen Meinungen" und dem Austausch von Argumenten spricht, scheint sie das noch nicht verstanden zu haben. Zu manchen Fragen kann und darf es keine zwei Seiten geben.
Auf Facebook schrieb die Moderatorin weiter:
Weil das offenbar vielen hier aufstößt: "Moralische Umerziehung" ist ein Originalzitat aus der Petition gegen die Bildungspläne zur sexuellen Aufklärung in Baden-Württemberg [Link dahin], die in allen großen deutschen Medien ausführlich behandelt wurde. Wir wollen uns natürlich die Position der rund 190.000 Unterzeichner nicht zu eigen machen, sondern kritisch hinterfragen. Unsere Bitte: schaut euch die Sendung an und urteilt dann.
Der Titel der Sendung wurde zugleich geändert. Er heißt nun:
Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die "moralische Umerziehung"?
Nun ist die Frage, ob die Anführungszeichen ihn wirklich besser machen. Die Kennzeichnung geht wohl auch zurück auf eine Anfrage des Medienjournalisten Stefan Niggemeier per Twitter: "Sind die Anführungszeichen in der Redaktion ausgegangen? Oder nur der Verstand?"
In einem Blogbeitrag kritisiert er, dass die Redaktion an anderer Stelle der Sendungsankündigung durchaus Anführungszeichen nutzt, nämlich dann, wenn es um "sexuelle Vielfalt" geht.
Sexuelle Vielfalt, das ist für die Maischberger-Leute also ein Begriff, den sie nur in Anführungszeichen verwenden, als sei das ein Kampfbegriff irgendeiner Homo-Lobby oder der "Ideologie des Regenbogens", die die rechte Petition in Baden-Württemberg herbeiparanoisiert. Nein, mit dem Gedanken, dass es sexuelle Vielfalt gibt und dass diese Vielfalt etwas ganz normales ist, damit macht sich die "Maischberger"-Redaktion lieber nicht gemein. Aber die vage, perfide, radikale Unterstellung einer "moralischen Umerziehung" von Kindern, die man in Verbindung mit der Formulierung von "Homosexualität auf dem Lehrplan" sogar als Pflicht zum Schwulwerden lesen kann, die übernehmen die Maischbergers ganz ohne die Distanz auch nur eines Anführungszeichens.
Natürlich könne man auch Personen wie Steeb einladen, so der Medienjournalist weiter. Voraussetzung wäre aber, sich "die ideologischen Begriffe und Narrative der Gegner von Aufklärung und Gleichberechtigung nicht im Vorfeld schon zu eigen zu machen". Und eine öffentlich-rechtliche Talkshow "nicht nur als billige Boxbude zu betrachten". (nb)
Update 11.2., 19h: Reaktionen
Die Initiative Enough is Enough hat zu einem spontanen Protest zwischen 21 und 22 Uhr am Dienstagabend am ARD-Hauptstadtstudio in Berlin (Wilhelmstraße 67) aufgerufen. Mehr Infos.
Würde Frau Maischberger denn auch Nazis einladen, um mit ihnen über Migranten zu diskutieren?
Ich bin sehr dafür auch gegensätzliche Meinungen zu hören; aber nicht, wenn eine der Seiten extremistisch und fundamentalistisch ist.
Dass bei homophober Hetze immer noch andere Regeln gelten als bei Hetze gegen Migranten o.ä. ist ein Armutszeugnis.