Gegner einer vernünftigen Schulaufklärung über Homosexualität rufen zur Schlacht. Vor Desinformation und Vorurteil schrecken sie nicht zurück.
Aufklärungsgegner Stängle produziert ein Youtube-Filmchen, die "Initiative Familienschutz" bietet vorformulierte eMails an Landtagsabgeordnete. Ministerpräsident Kretschmann kündigt Änderungen an.
Von Norbert Blech
Der Streit um eine LGBT umfassende Schulaufklärung in Baden-Württemberg kommt nicht zur Ruhe. Vor wenigen Tagen hat die "Initiative Familienschutz" von Hedwig von Beverfoerde in Zusammenarbeit mit dem Portal abgeordneten-check.de eine neue Initiative gestartet: Bürger können per Formular vorformulierte Schreiben an die Landtagsabgeordneten von Baden-Württemberg schreiben. So erhielt ein CDU-Abgeordneter schon 481 eMails, insgesamt sollen bereits über 17.000 Mails verschickt worden sein.
Das Portal ist wie die Webseite Freie Welt Teil der Aktivitäten des Ehepaares von Storch, Beatrix von Storch ist Europakandidatin der "Alternative für Deutschland" und Gegnerin von Homo-Rechten. Im vorformulierten Schreiben wird kritisiert, Kinder sollten "LSBTTI-Menschen (…) nicht nur tolerieren, sondern ausdrücklich akzeptieren lernen" und würden "persönlichkeitsverletzend sexualisiert(…), ohne dass die Eltern das Recht haben, dies zu verhindern".
"Das umstrittene Arbeitspapier (…) ist (…) immer noch nicht vom Tisch", kritisiert die Initiative Familienschutz. Eltern hätten "keinerlei Möglichkeit, ihre Kinder vor dieser staatlichen Sexualisierung und Indoktrination zu bewahren". Auch Bürger außerhalb Baden-Württembergs sollten sich beteiligen: "Dieser Kampf zum Schutz unserer Kinder geht uns alle an und ist unerlässlich. Was hier geschieht, wirkt sich auf alle Bundesländer aus."
Emails der Initiative erzielen durchaus ihre Wirkung: Nach Protesten änderten etwa zwei Europaparlamentarier der CDU in den letzten Tagen nachträglich ihre Zustimung zum Lunacek-Bericht in eine Ablehnung.
Kretschmann kündigt Überarbeitung an
Wird Winfried Kretschmann die Kritiker ohne größere Änderungen beruhigen können? (Bild: Gruene Baden-Wuerttemberg / flickr / by-sa 2.0)
Derweil hat der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann angekündigt, zusammen mit Finanzstaatssekretär Ingo Rust (SPD), der einer pietistischen Gemeinde angehört, das Gespräch mit evangelikalen Gruppen zu suchen. "Wir müssen alles tun, um zu verhindern, dass da Kulturkämpfe entstehen", sagte er in der letzten Woche.
Kretschmann kündigte Presseberichten zufolge eine Überarbeitung des Bildungsplans an: Formulierungen sollten geändert werden, um "missverständliche Interpretationen" zu verhindern und Ängsten entgegenzutreten. Er wies die Kritik über eine angebliche "Indoktrinierung" zurück und betonte, die Ziele des Planes nicht infrage stellen zu wollen.
Neues Video von der Stängle-Initiative
Gabriel Stängle, der mit seiner Petition gegen den Bildungsplan auf openpetion.de den Streit losgetreten hatte, begrüßte diese Aussagen in einer Pressemitteilung; noch vor Wochen habe Kretschmann Änderungen abgelehnt. Man sei zu Gesprächen bereit, eine Neuformulierung des Begriffes "sexuelle Vielfalt" stehe dabei an wichtigster Stelle.
Auf Youtube veröffentlichte die Anti-Bildungsplan-Initiative von Stängle am Wochenende ein Video, das den Bildungsplan aus ihrer Sicht erklärt und dabei einiges verklärt. Kindern werde ein "Menschenbild verordnet, das wissenschaftlich umstritten ist und keineswegs von allen Menschen geteilt wird", heißt es darin. Das Video spielt im Bild mit dem Gedanken, Kinder könnten zur Homosexualität erzogen werden.
Youtube | Gabriel Stängle legt mit einem Video nach. Wer hat den professionellen Film eigentlich finanziert?
Hauk und Rülke kritisieren GEW-Broschüre
Die Publizistin Birgit Kelle (u.a. "Junge Freiheit") sorgte durch die Erwähnung einer GEW-Broschüre bei "Maischberger" für eine weitere Ausweitung der Debatte
Derweil greift der Streit um den Bildungsplan auf immer weitere Bereiche über, so empören sich derzeit viele Konservative über eine von Birgit Kelle in der Sendung "Maischberger" vorgestellte Unterrichtshilfe der Bildungsgewerkschaft GEW. Durch einen ironischen Fragebogen ("Wann und warum hast Du dich entschlossen, heterosexuell zu sein?") sollen Kinder lernen, sich in die Lage von Schwulen und Lesben zu versetzen.
Ihn nutzte nun auch die Opposition in Baden-Württemberg zu einer weiteren homophoben Positionierung. Die GEW sollte den "in jeder Hinsicht unterirdischen" Fragebogen "schnellstens zurückziehen", sagte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke den "Stuttgarter Nachrichten", der SPD-Bildungsminister solle sich von ihm distanzieren. CDU-Fraktionschef Peter Hauk nannte den Fragebogen "unmöglich". Es gehe gar nicht, dass ein solcher Text den Lehrern ohne weitere Erläuterungen an die Hand gegeben werde, so Hauk laut der Zeitung. Die GEW schaffe mit diesen Fragen keine Normalität, "sondern spaltet weiter".
Allerdings bietet die GEW den Fragebogen schon seit 1997 an, mit ausführlichen Informationen. Die Gewerkschaft verteidigte den Fragebogen aus einer Broschüre für Lehrer, sie ist allerdings inzwischen, anders als eine andere aktuelle Broschüre, von ihrer Homepage verschwunden, der GEW-Landesverband distanzierte sich laut "Stuttgarter Zeitung" von ihr. Vor allem der Publizist Matthias Matussek hatte den Fragebogen kritisiert, was zu einer deutlichen Replik von Stefan Niggemeier führte.
"Verfolgte Unschuld" Birgit Kelle
Allerdings fühlen sich Homo-Hasser wie Matussek derzeit, als hätten sie Oberwasser. Auch Birgit Kelle nutzte die "Maischberger"-Sendung in vielen Interviews und Gastbeiträgen zur weiteren Profilierung. "Ich habe in meinem ganzen Leben noch niemals abwertend oder abfällig über Homosexuelle gesprochen", sagte Kelle der "Freien Welt", um dann von den "Schreihälsen der Homo-Lobby" zu sprechen. Den "Volks-Umerziehern" reiche es nicht, "dass Homo, Bi, Trans in der Gesellschaft toleriert wird. Sie wollen, dass wir es alle ganz toll finden müssen. Und da gehe ich nicht mit."
Kelle kritisierte mehrfach, von einer "Lobbygruppierung rund um die Homepage queer.de" als "Homo-Hasserin" bezeichnet worden zu sein. Ihr Rechtsanwalt habe gesagt, dass sie gegen diese "zulässige Wertung" nicht vorgehen könne. Zugleich beklagte Kelle, die 2006 erstmals deutschlandweit in Erscheinung trat mit einer Aufforderung an MTV, die Serie "Popetown" nicht auszustrahlen, auf allen möglichen Kanälen, dass man ihre Meinungsfreiheit einschränken wolle.
Im "Bayernkurier" mündete das in der Aussage: "Nicht jeder, der laut 'Diskriminierung' schreit, wird auch tatsächlich diskriminiert. Wer allerdings Meinungen zensieren und Menschen Redeverbote erteilen will, der diskriminiert – in diesem Fall die längst schweigende Mehrheit."
Mit dumm-dreisten Äußerungen wie diesen, über eine angeblich diskriminierte Mehrheit, hatten auch in Frankreich die Massenproteste gegen die Homo-Ehe begonnen. Vordenker wie Beatrice Bourges, die in der Ehe-Öffnung gar "strukturelle Gewalt durch die Regierung" sah, nutzten geschickt Vorurteile, Unwissen und fehlende Empathie zu ihren Zwecken.
Die Frage, wieviel Schaden Stängle, Kelle & Co. in Deutschland noch anrichten werden, bleibt also spannend wie erschreckend. Derweil wird es am nächsten Samstag die nächste Demo der Initiative "Besorgte Eltern Baden Württemberg" geben, erneut sind Gegenproteste (1, 2) geplant.
Einspruch, Euer Ehren. Der Kulturkampf muss endlich mal geführt werden, und zwar mit aller Härte. Den klerikalen und evangelikalen Falschmünzern muss endlich das Handwerk gelegt werden. Wenn jemand vorsätzlich falsch Zeugnis redet, dann ist er ein notorischer Lügner. Und wenn er dabei Menschen schadet und ihre Würde verletzt, muss auch dass geahndet werden. Er handelt unmoralisch, und diese abgrundtiefe Unmoral und niedere Gesinnung gehört öffentlich vorgeführt. Basta!