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- 04. März 2014 4 Min.

In einer Sporthalle am Stadtrand von Moskau attackierten Unbekannte ein Frauen-Basketball-Turnier mit Rauchbomben - die Polizei nahm daraufhin die Personalien der Teilnehmerinnen auf (Bild: Discover Football)
Trotz internationaler Unterstützung wurden die LGBT-Sportspiele in Moskau massiv von der russischen Regierung gestört. Die Berliner Fußballfrauschaft Discover Football war vor Ort
Von Meike Büttner
Schon im Vorfeld hatten die Veranstalter Repressalien befürchtet und alle Sportstätten und Hotels geheim gehalten. Mit gemischten Gefühlen fuhren die Frauen von Discover Football in Berlin ab.
2009 hatten sie ihre Fußballfrauschaft gegründet und sich zum Ziel gemacht, Emanzipation und Gleichberechtigung praktisch auf dem Feld zu erspielen. Der Fußball ist für sie eine Empowermentstrategie, weil sie vielfach die Erfahrung gemacht haben, dass Frauen und Homo- oder Transsexuelle auf dem Platz weltweit noch nicht sehr gern gesehen sind.
Nun freuten sie sich auf die Spiele in Moskau und waren entschlossen, die Veranstaltung durch ihre Teilnahme zu unterstützen. Dennoch fürchteten sich auch einige unter ihnen. Sie wussten von den jüngsten Festnahmen einen Tag nach Olympia und waren zum Teil auch um ihre Sicherheit besorgt. Die Geheimniskrämereien konnten ihnen nur Recht sein, doch offenbar gab es Leaks. Schon bei ihrer Ankunft erlebten sie die erste Schikane.
Die Veranstaltungsorte durfte man nicht mal am Telefon nennen

Zu den internationalen Unterstützern gehörte die schwule Wasserspringerlegende Greg Louganis (2.v.l.)
Die Veranstalter holten sie am vergangenen Dienstag, einen Tag vor Beginn der Spiele, am Bahnhof ab und teilten ihnen mit, dass das Hotel soeben den Vertrag gekündigt habe. Die Teilnehmenden können nicht dort nächtigen. Offizielle Begründung: wie aus dem Nichts sei eine Gruppe von 30 Kindern aufgetaucht, denen man die Unterkunft nicht verweigern könne. Die angekommenen Sportlerinnen wurden spontan auf verschiedenste Gasthöfe verteilt.
Dort erhielten sie die Anweisungen, Sportstätten und Termine niemals per SMS oder Telefon weiterzugeben. Wer als Zuschauer zu den geheimen Spielen wollte, musste zu einem verabredeten Treffpunkt kommen, wo sie eingesammelt und zu den jeweiligen Turnieren gefahren wurden. Keinesfalls sollten sie einem Taxifahrer oder anderen sagen, wo genau sie hinwollten. Das alles sei zu riskant.
Am Mittwoch sollte ein Schwimmturnier stattfinden. Die Polizei untersagte jedoch die Veranstaltung im Vorhinein, da es eine anonyme Bombendrohung gegeben haben. Bomben wurden nicht gefunden, eine neue Schwimmhalle leider auch nicht. Den Veranstaltern wurde von Sportstättenbetreibern gesagt, die Verwaltung hätte von der Veranstaltung abgeraten.
Ebenfalls am Mittwoch sollte eine Konferenz stattfinden zum Thema LGBT-Rechte und Sport. Sie hatte noch nicht begonnen, als die Lichter in der Halle ausgingen und die Betreiber der Stätte erklärten, die Konferenz aufgrund einer technischen Störung absagen zu müssen.
Am Donnerstag fand ein Basketballturnier statt, für das die Veranstalter spontan eine neue Halle auftreiben konnten. Das Spiel konnte allerdings nicht beendet werden: Eine Rauchbombe, die aus dem Publikum auf den Platz geworfen wurde, sorgte für ein abruptes Ende. Die Polizei nutzte diese Gelegenheit, um die Personalien aller Anwesenden aufzunehmen.
Immer wieder Bombendrohungen und Polizeieinsätze

Ein kleines Zeichen zum Ende der Open Games: Frauen von "Discover Football" zeigen auf dem Roten Platz die Regenbogenfahne (Bild: Discover Football)
Am Freitag gab es erneut Bombendrohungen, so dass erneut viele Wettkämpfe ausfielen. Sonja Klümper von Discover Football wollte an diesem Tag an einem Workshop im Eiskunstlaufen teilnehmen. Sie hatte gerade das Eis betreten, als es hieß, aufgrund eines technischen Problems müsse man die Veranstaltung abbrechen. Als die Teilnehmenden nicht sofort das Eis verließen, betraten Polizisten die Eisfläche, um der Forderung Druck zu verleihen. "Gewalt fand keine Anwendung", sagt Sonja Klümper. "Es hat allerdings auch niemand Widerstand geleistet."
Für Samstag war das Fußballturnier angesetzt, an dem auch Discover Football teilnehmen wollte. Ebenfalls anwesend war die niederländische Sportministerin Edith Schippers, die die Spiele finanziell und ideell unterstützte. Doch als sie nach zwei Stunden Anwesenheit den Saal verließ und die Kameras ihr folgten, wurde erneut behauptet, dass es eine anonyme Bombendrohung gegeben habe. Erneut wurden die Spiele abgebrochen.
Trotz internationaler Unterstützung von Organisationen, Spitzensportlen und Regierungen wurden die Open Games während ihrer gesamten Laufzeit massiv von den russischen Behörden gestört. "Deutschland hat die Spiele übrigens leider nicht unterstützt", beklagt Sonja Klümper, die gedacht hatte, dass es im aktuellen Diskurs auch für die deutsche Regierung genügend Anlass gäbe, Flagge zu zeigen. "Mit ihrer zurückhaltenden Politik verhindert unsere Regierung Solidarität", kritisiert Klümper.
Nach langer Diskussion entschloss sich das Team von Discover Football am letzten Tag, wenigstens ein kleines Zeichen zu setzen: Sie packten eine Regenbogenfahne ein, um damit zum Roten Platz zu fahren. Dort angekommen, zogen sie blitzschnell die Fahne aus dem Rucksack, schossen ein Foto damit und steckten die Fahne wieder ein. Offenbar ungesehen verließen sie wieder den Platz.
Auch wenn es nur ein kurzer Augenblick war, sind sie überzeugt, dass es ein wichtiges Zeichen war. Denn eins, so sagt Sonja Klümper, hat sie aus ihren Erfahrungen in Russland gelernt: "Die Regenbogenfahne ist mehr als nur eine Fahne. Sie ist ein wichtiges Symbol, um Solidarität zu zeigen. Sie setzt ein Signal für Zivilcourage."
Am Mittwoch, den 5. März 2014 veranstaltet Discover Football in Berlin die Diskussionsveranstaltung "Nach Sotschi ist vor Rio – Große Sportereignisse und ihr politisches Potential", Am konkreten Beispiel der Rechte homo- bi- und transsexueller Menschen in Russland soll diskutiert werden, welchen Einfluss sportliche Großereignisse für die Situation von Menschenrechten haben können. Auf zwei Podien sitzen u.a. der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele, "Siegessäule"-Verlegerin Gudrun Fertig sowie Vertreterinnnen von Discover Football und Quarteera. Mehr Infos hier.
Links zum Thema:
» Homepage von "Discover Football"















Frau Klümper muss wahrscheinlich so vorsichtig formulieren.
Ich muss es nicht:
"Mit ihrer Politik des Schweigens und der Untätigkeit unterstützt und befördert die deutsche CDSU/SPD-Regierung die homophoben menschenrechtswidrigen Taten Putins und Russlands."