"Fetter Widerstand gegen Patriarchat und Körpernormen": Fat Up (Bild: Fat Up Feminists)
In Berlin hat sich Deuschlands erstes "queerfeministisches fettpositives Krawallkollektiv" formiert. Neben kreativen Aktionen ist ein fettes Magazin geplant.
Von Elke Koepping
"Ich bin dick, und deswegen heißt es, dass ich faul bin und ungesund lebe. Ich werde als minderwertig verstanden, weil ich nicht den gesellschaftlich normierten, idealen Körper besitze." Magda hat keinen Bock mehr auf abschätzige Blicke. Sie gehört zum Gründungsteam von Fat Up, einem qua Selbstdefinition "queerfeministischen fettpositiven Krawallkollektiv", das sich im vergangenen Jahr in Berlin formiert hat.
Die Gruppe wendet sich mit Vorträgen und politischen Aktionen gegen Dicken- oder Fettendiskriminierung, Sexismus, Homo- und Transphobie, das heißt, "Fat Up" denkt Herrschaftskritik und Diskriminierung auf verschiedenen Ebenen zusammen. Das betrifft zum einen die in unseer Gesellschaft geltenden Schönheitsnormen, die den schlanken Körper als gesund und schön begreifen.
Fettendiskriminierung jedoch allein auf Lookism zu reduzieren, hieße, die Problematik zu oberflächlich anzugehen, findet Magda. "Fettenfeindliche Strukturen gibt es z. B. auch in der Medizin. Wenn ein dicker Mensch zum Arzt geht, werden die Beschwerden oft pauschal erst einmal auf das Gewicht zurückgeführt, noch ehe eine Untersuchung stattgefunden hat oder eine Diagnose gestellt wurde."
"Dein Körper ist nicht mitgedacht"
Kristina, die sich ebenfalls bei Fat Up engagiert, fügt hinzu: "Die Dimensionierung von Kleidung oder Möbelstücken ist ein weiteres Thema. Oder der barrierefreie Zugang für Fette zu öffentlichen Einrichtungen. Neulich war ich in einem bekannten Berliner Queerclub und hab mir in der Toilette an der Heizung den Hintern verbrannt, weil die Kabine so eng dimensioniert ist." Die Empörung merkt man ihr deutlich an. Denn all diese Beispiele schreien ihr täglich neu ins Gesicht: "Du bist anders, du passt nicht rein in unsere Gesellschaft, Dein Körper ist nicht mitgedacht."
Darin drückt sich für Fat Up strukturelle Gewalt aus, die sich aber auch in weiteren Lebensbereichen zeigt, vom S-Bahn- bis zum Flugzeugsitz oder der immanenten Aufforderung durch die Pharmaindustrie, als Dicke(r) gesundheitsschädliche Diätpillen oder -shakes zu konsumieren, um sich der herrschenden Körpernorm anzupassen.
"Klar sind die Leute in der Queer Community sensibler, was das Thema Diskriminierung angeht", sagt Magda. "Aber auch dort findet eine implizite Ausschließung statt, etwa darin, welche Körper oder Körperbilder immer wieder auf Fotos, Plakaten und Flyern für Veranstaltungen zu sehen sind. Oder welche Körper als begehrenswert angesehen werden." Auf solche Aspekte will Fat Up hinweisen. Und zwar nicht mit dem erhobenen moralischen Zeigefinger, sondern mit witzigen Aktionen und fettpositiven sinnlichen Events. Noch sind die Aktivistinnen und Aktivisten damit beschäftigt, ihr Selbstverständnis auszuarbeiten und ihr Profil zu schärfen. "Wir wollen erst mal ankommen. Stark werden", sagt Kristina.
Ein neues Konzept für Deutschland
Derzeit hat die siebenköpfige Gruppe zahlreiche Vortragsanfragen – das öffentliche Interesse ist groß. Auch wenn die Fat-Empowerment-Bewegung in den USA bis in die 1960er Jahre zurückgeht und dort schon zahlreiche Gruppen bestehen, ist dies für Deutschland noch ein recht neues Konzept, insbesondere was die Verbindung mit queeren Ansätzen angeht. Die seit 2009 bestehende Gruppe "ARGE dicke Weiber" in Wien etwa richtet sich nur an Frauen und Mädchen. Erste Ideen für Aktionen sind Workshops für Betroffene, "da arbeiten wir dann alle aus der selben Perspektive, das hat für uns was mit Selbstermächtigung zu tun", erklärt Kristina ihren Ansatz. Angedacht sind auch Filmabende, Picknicks, Parties und Festivals in Verbindung mit lustvollem Schlemmen, die nach und nach realisiert werden sollen.
Erst mal steht konkret jedoch ein fettes Magazin an: Noch bis 31. März können Themen oder fertige Beiträge eingereicht werden. Gesucht wird alles von Gedichten, Texten, Erzählungen bis hin zu Überlebens-Guides für fette Feiertage, Rezensionen, Tipps oder Bildern, Gemälden, Collagen und Comics (mehr Infos hier).
Uff, diese Weibchen wollen also auch eine Scheibe jenes Partikular-Opferkults ergattern, mittels dessen der Blick aufs verkorkste Ganze seit Jahrzehnten so zuverlässig verschleiert wird. Auf der Toilette im Schwulenclub stecken zu bleiben, mag eine peinliche Angelegenheit sein; anstatt sich zum "ARGEN dicken Weib" zu erklären und neologismenschmeißend gegen das Patriarchat anzuhäkeln, sollte man aber vielleicht besser seinen Adorno zur Hand nehmen und Unterdrückung und Diskriminierung sehr viel umfassender begreifen, als die eigene unansehnliche Aufgeschwemmtheit zum Konstrukt der "straight white cis-males" zu erklären.