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  • 22. März 2014 12 6 Min.

Christos Tsiolkas gehört zu den populärsten Autoren in Australien

Der schwule australische Schriftsteller Christos Tsiolkas spricht im queer.de-Interview über seinen neuen Roman "Barrakuda" und über homosexuelle Identität.

In seinen Romanen wie "Über Strom" und "The Slap" behandelt der 49-jährige australische Schriftsteller Christos Tsiolkas insbesondere die Konflikte um das Spannungsfeld von Homosexualität und von Klassenzugehörigkeit. Seine Bücher sind längst aus der Nische der Szene-Autoren herausgekommen und wurden sogar verfilmt. Jetzt stellt er seinen neuen Roman "Barrakuda" vor, der vom ehrgeizigen Profi-Schwimmer Danny handelt, der ein Geheimnis hat. Tsiolkas stellt sich den Fragen von queer.de-Redakteur Dennis Klein.

Sie haben bislang sechs Romane verfasst, die sich oft um Homosexualität, Familie, Identität und Klassenzugehörigkeit drehen. Sind diese Bücher autobiografisch?

Wie in fast allen Romanen gibt es autobiografische Elemente. Diese Themenkomplexe spiegeln meine eigene Besessenheit und meine Sorgen wider. Gleichzeitig kann ich als Roman-Autor meiner Fantasie freien Lauf lassen und Figuren erschaffen, die hoffentlich für den Leser als lebendig und real erscheinen. Ich war zum Beispiel nie ein besonders guter Schwimmer und sehe mich definitiv nicht als Danny Kelly aus "Barrakuda". Wenn es eine Figur gibt, die meiner Person am nächsten kommt, ist das Dannys beste Freundin Demet. Sie ist wie ich ein Immigrantenkind und wie sie war ich der erste in der Familie, der eine Universität besucht hat.

Warum nimmt die wirtschaftliche Klasse, der ein Mensch angehört, bei Ihnen so großen Raum ein?

Einfach weil die Klassenzugehörigkeit noch immer einen großen Einfluss hat. Nur die Sprache, wie wir Klassenunterschiede beschreiben, hat sich geändert. In meinem Buch beschreibt Danny seine Klassenzugehörigkeit ganz anders als sein Vater. Ich selbst stamme aus einer Arbeiterfamilie, meine Eltern malochten in einer Fabrik. Die Uni hat mir dann eine neue Welt eröffnet, die noch Mitte des 20. Jahrhunderts Kindern wie mir nie offen gestanden hätte. Mein Lebenspartner kommt auch aus der Arbeiterklasse, allerdings von holländischen Immigranten und wir reden oft darüber.

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Tsiolkas jüngster Roman: Die deutsche Ausgabe von "Barrakuda" ist vor kurzem bei Klett-Cotta erschienen

Wie hat sich Ihr Erfolg auf Ihr Klassenempfinden ausgewirkt?

Der Erfolg des Buches "The Slap" hat mir dann zum ersten Mal in meinem Leben finanzielle Sicherheit gegeben. Das war für mich unglaublich, obwohl es für die meisten, die zu dieser Klasse gehören, ganz normal ist. Ich lebe gut vom Schreiben – das ist eine ganz andere Welt als die, in der meine Eltern gelebt haben.

Sie sind Sohn griechischer Immigranten. Wie sehr beeinflussen Sie persönlich die wirtschaftlichen Probleme in Griechenland?

Natürlich habe ich noch viele Verwandte in Griechenland und sie haben mir von dem Schmerz der letzten Jahre erzählt. Aber ich kann nicht vorgeben, Grieche zu sein. Ich bin Australier und musste nicht die wirtschaftliche und psychische Gewalt der Austeritätspolitik ertragen. Die Situation dort ist extrem und pervers – und stärkt ausländerfeindliche und reaktionäre Politik. Einer ganzen Generation wird ja dort praktisch gesagt, dass sie keine Zukunft hat. Diese Fragen treffen aber auch auf Deutschland oder Australien zu, wenn die nächste Rezession kommt.

Was beeinflusst einen Schwulen oder eine Lesbe eher – die Klassenzugehörigkeit oder die sexuelle Orientierung?

Ich weiß nicht, ob man das so einfach beantworten kann. Als ich 16 war, hatte ich Probleme mit dem Coming-out, weil ich völlig verwirrt war – damals hätte ich klar gesagt, dass die sexuelle Orientierung ein wichtigeres Merkmal ist. Aber ich habe meine Meinung geändert, nachdem ich zur Uni gegangen bin: Dort habe ich reiche Leute getroffen – auch reiche Schwule und Lesben – und mir wurde deutlich, dass die gleiche sexuelle Orientierung nicht bedeutet, dass man sich versteht.

Sexuelle Orientierung und Klassenzugehörigkeit haben als Gemeinsamkeit, dass sie durchlässiger sind als die Merkmale Rasse oder Geschlecht. Man kann als Schwuler auch den Heterosexuellen spielen oder als Mitglied der Arbeiterklasse als Kapitalist durchgehen, auch wenn letzteres schwieriger ist. Die Sprache, die Verhaltensweisen, die Einstellungen – die werden jemanden aus der Arbeiterklasse recht schnell entlarven. Das heißt wohl doch, dass Klasse am Ende mehr Einfluss hat als die sexuelle Orientierung.

Wie hat Ihre Staatsangehörigkeit als Australier Ihr Werk beeinflusst?

Das ist nicht leicht zu beantworten. Ich habe mich anfangs nicht als Australier gefühlt, sondern als Kind griechischer Einwanderer. Ich dachte als junger Mann, ich wäre eigentlich Grieche, aber als ich das erste Mal nach Griechenland gereist bin, habe ich gemerkt, dass die Leute dort ganz anders sind. Meine Sprache und meine Erfahrungen waren einfach völlig anders. Inzwischen fühle ich mich mehr und mehr als Australier.

In "Barrakuda" ist das Thema präsent über Fragen zur Zugehörigkeit, mit der immer noch viele Australier Probleme haben. Ich meine, eigentlich gehört uns Zugewanderten das Land nicht. Wir haben eine koloniale und imperiale Geschichte und wissen tief in uns, dass wir Australien von den Aborigines gestohlen haben. Diese Geschichte haben wir noch nicht aufgearbeitet. Die australische Identität formiert sich noch – und das ist auch in der Figur von Danny Kelly sichtbar.

Wie ist denn das schwul-lesbische Leben in Australien?

Die Veränderungen während meines Lebens sind atemberaubend. Als ich geboren wurde, war Homosexualität noch illegal und jetzt hat das queere Leben alle Winkel Australiens erreicht. Natürlich gibt es noch Homophobie, aber es wird weniger.

Es gibt aber immer noch gesellschaftliche Probleme mit Homosexualität. Wir haben etwa dieses Männlichkeitsideal, sich als "Bloke", also als "echter Typ" zu geben. Auch Schwule tun das. Ich glaube, dass auch deshalb insgesamt die Probleme mit Sexismus größer sind als die mit sexueller Orientierung.

Wie gut man als Schwuler in Australien lebt, hängt natürlich auch wieder von der Klassenzugehörigkeit ab. Wenn man gut ausgebildet und wohlhabend in den Metropolen zu Hause ist, lebt man wie in den meisten großen Städten in westlichen Ländern. Andere haben eine völlig andere Erfahrung – vielleicht nicht unbedingt schlechter, aber anders.


Der Lieblingsschauspieler des Autors: Alex Dimitriades hat sowohl in den Buchverfilmungen von "Head On" als auch"The Slap" mitgespielt

Es gibt derzeit immer wieder Debatten um Homosexualität im Sport. Wann ist Ihrer Meinung nach der richtige Coming-out-Zeitpunkt für lesbische oder schwule Athleten?

Als ich für "Barrakuda" recherchiert habe, wurde mir sehr bewusst, wie viel Hingabe, Disziplin und Engagement notwendig ist, um einer der weltbesten Athleten zu werden. In einer solch verengten Welt ist es schwierig, ihr normales Trainingsprogramm durchzuziehen und sich psychologisch und emotional auf ein Coming-out vorzubereiten. Ich denke, dass diejenigen, die das schaffen, einen starken familiären Rückhalt brauchen.

Natürlich ist es wichtig für die queere Sichtbarkeit, viele schwule und lesbische Vorbilder zu haben, aber ich respektiere und verstehe es auch, wenn sich Athleten das während ihrer aktiven Laufbahn nicht zutrauen.

Ihr erstes Buch "Über Strom" wurde verfilmt, außerdem wurde aus "The Slap" eine TV-Serie, die hierzulande auf Arte gezeigt wurde. Wer wäre denn Ihre Traumbesetzung für Danny, sollte "Barrakuda" verfilmt werden?

Ich bewundere den Schauspieler Alex Dimitriades sehr, der bei "Head On" (der Verfilmung von "Über Strom") und "The Slap" mitgespielt hat. Ich wünschte, ich könnte ihm die Rolle des Danny geben, aber er ist leider schon zu alt für diesen Part. Sollte "Barrakuda" tatsächlich verfilmt werden, bräuchten wir einen Schauspieler, der so gut ist wie Alex, es müsste aber wohl jemand Unbekanntes sein.

Eine Rezension des Romans "Barrakuda" folgt in der kommenden Woche.

Youtube | Trailer zum Roman "Barrakuda"
Infos zum Buch

Christos Tsiolkas: Barrakuda. Roman. Aus dem Englischen von Barbara Heller.
480 Seiten. Gebunden mit Schutzumschlag. Klett-Cotta. Stuttgart 2014. 22,95 €. ISBN 978-3-608-98013-4. Auch als E-Book erhältlich.

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#1 -hw-Anonym
#2 real lifeAnonym
  • 22.03.2014, 11:00h
  • Antwort auf #1 von -hw-
  • "race class gender"

    "Der Diskriminierungsgrund sexuelle Orientierung ist erst später hinzugekommen als die klassischen race, class, gender, weil sich die Lesben- und Schwulenbewegung historisch erst später entwickelte als der Kampf gegen Sklaverei und Rassismus, proletarische Mobilisierung oder die Frauenbewegung. Doch das Muster ist in allen Fällen emanzipatorischer Bewegungen dasselbe: Rechte werden verwehrt, Rechte werden gewährt, tatsächlich gleiche Rechte müssen schließlich noch durchgesetzt werden. Drei Phasen des Antidiskriminierungsrechts, und in jeder Phase gibt es Auseinandersetzungen. Inzwischen sind wir auch beim Merkmal der sexuellen Orientierung in der dritten Phase angelangt."

    www.verfassungsblog.de/de/die-verfolgte-unschuld-vom-lande-o
    der-warum-es-keines-grundrechts-auf-diskriminierung-bedarf/#
    .Uy1fpfl5Nu5
  • Direktlink »
#3 inzuchtAnonym
  • 22.03.2014, 11:46h
  • Antwort auf #2 von real life
  • Einst:

    "Einfach weil die Klassenzugehörigkeit noch immer einen großen Einfluss hat. Nur die Sprache, wie wir Klassenunterschiede beschreiben, hat sich geändert. In meinem Buch beschreibt Danny seine Klassenzugehörigkeit ganz anders als sein Vater. Ich selbst stamme aus einer Arbeiterfamilie, meine Eltern malochten in einer Fabrik. Die Uni hat mir dann eine neue Welt eröffnet, die noch Mitte des 20. Jahrhunderts Kindern wie mir nie offen gestanden hätte." (Christos Tsiolkas)

    Heute:

    "Diese Schicht [Mittelschicht] gibt ihren Einfluss nicht mehr her und lässt die attraktiven, aber schlechtbezahlten Jobs von ihren Kindern machen, was die Eindimensionalität der kreativen Klasse vertieft und zementiert. Hier kommt keiner mehr von außen ran, da kommt keiner mehr dazu, das ist eine gated community von Besitzenden.

    Diese Leute werden zwar seit Bestehen der Bundesrepublik die erste Generation sein, der es schlechter geht als ihren Eltern, aber die Kinder der Mittelschicht verfügen über einen Distinktionsvorteil, den sich Arbeiterkinder überhaupt nicht mehr leisten können. Das geschieht auf allen Ebenen: In den Kindergärten, Schulen etc., die Leute, die studieren, sind ja auch hauptsächlich Mittelschichtkinder. Fast ausnahmslos entstammen die Popkünstler und Pop-Kulturarbeiter der Mittel- und der Oberschicht, das sind Apotheker- oder Arztsöhne, Lehrer- oder Unternehmertöchter, die mit dem Erbe ihrer Eltern kulturell spannende Jobs machen.

    Mittlerweile ist die Popmusik Mittelschichtmusik geworden: Sechzig Prozent der Bands, die in den englischen Charts vertreten sind, haben Privatschulen absolviert, und Privatschulen dort sind noch um einiges kostenaufwendiger als in Deutschland, da gehörst du definitiv als Privatschüler zur Oberschicht. So hört sich die Musik dann leider auch an. Hier greift eines ins andere. Es ist schwer, das alles ganz auf den Begriff zu bringen, aber es ist klar, dass hier eine Entwicklung im Gang ist, die nichts Gutes erwarten lässt."

    www.heise.de/tp/artikel/41/41080/1.html

    "Warum nimmt die wirtschaftliche Klasse, der ein Mensch angehört, bei Ihnen so großen Raum ein?" (queer.de)
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