Der schwule Schauspieler Klaus Nierhoff ist neben Bettina Böttinger einer der beiden Botschafter der Magnus-Hirschfeld-Tage NRW vom 4. April bis 18. Mai 2014. Er engagiert sich darüber hinaus für die Arcus-Stiftung und die Initiative "Schule ohne Homophobie"
Wir dokumentieren die Wut-Rede von Schauspieler Klaus Nierhoff, Botschafter der Magnus-Hirschfeld-Tage NRW, beim queerpolitischen Empfang am vergangenen Freitag im Düsseldorfer Landtag.
Von Klaus Nierhoff
In den letzten Wochen bin ich beim Lesen einiger Ergüsse von deutschen Meinungsführern, die sich auf unserem Rücken profilieren wollen, doch in die eine oder andere virtuelle Ohnmacht gefallen. Die müssen sich dermaßen verunsichert fühlen, dass sie noch nicht 'mal davor zurückschrecken, nazi-kontaminierte Begriffe in die Debatte zu schleudern.
Ich fasse es nicht! Da werden ungeniert Begriffe wie "minderwertig", "widerwärtig", "abscheulich", "abartig" in die Debatten-Arena geworfen, und diese Menschen reden von mir! Von meinem Mann Thomas, von meinen Freundinnen Conny und Hella und Verena und Meike! Die verletzen unsere Menschenwürde! Diese Äußerungen werden von heranwachsenden Mädchen und Jungen gelesen, die um ihre Identität ringen!
Was kommt als nächstes an der vorrückenden Sarrazin-Front?
Klaus Nierhoff bei seiner Rede am vergangenen Freitag im Düsseldorfer Landtag. Der grüne Landtagsvizepräsident Oliver Keymis hatte LGBT-Gruppen und -Vereine aus dem gesamten Bundesland zu einem Empfang eingeladen (Bild: Arndt Klocke)
Und jetzt – weil es noch so frisch in meinem Gedächtnis arbeitet – muss ich noch von Sibylle Lewitscharoff sprechen, einer Büchner-Preisträgerin, die an anderer Stelle für ihr Sprachvermögen, ihren "Sound" gelobt wird, bei der aber "ab und zu 'mal ein schräger Satz um die Ecke kommt". In ihrer Dresdner Rede hatte sie über die großen Themen "Geburt und Tod" gesprochen. Ich beschreibe nur einen Aspekt:
Sie kommt auf die Reproduktionsmedizin zu sprechen, die sie kritisch sieht. "Wie verstörend muss es für ein Kind sein, wenn es herausbekommt, welchen Machinationen es seine Existenz verdankt." Ich glaube, das geht den meisten von uns so. Lewitscharoff: "Grotesk wird es … in …inzwischen durchaus zahlreichen Fällen, … in denen sich lesbische Paare ein Kind besorgen, indem … ein anonymer Spender oder ein naher Verwandter der Freundin der künftigen Mutter herangezogen wird, um sein Sperma abzuliefern." Das findet sie so "ekelhaft", dass sie ein Onanieverbot für "weise" erachtet. Dann vergleicht sie das "gegenwärtige Fortpflanzungsgemurkse" mit den "Kopulationsheime(n), welche die Nationalsozialisten einst eingerichtet haben, um blonde Frauen mit dem Samen von blonden, blauäugigen SS-Männern zu versorgen" und tut ihre "Abscheu" vor den "Halbwesen" kund, die aus künstlicher Befruchtung entstehen.
Georg Diez hat das im Spiegel treffend beantwortet: "Was die Büchner-Preisträgerin an diesem Tag sagte, war … menschenverachtend, herrisch, gefühlskalt, reaktionär und ressentimentgeladen."
Ich frage mich: Was kommt als nächstes an der vorrückenden Sarrazin-Front des "Man-wirddoch-wohl-mal-sagen-Dürfens?" Was maßen sich diese älteren, gut situierten, weißen, heterosexuellen, christlichen Menschen eigentlich an? Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fresse halten!!!
Private Obsessionen sollen als Erkenntnisse untergejubelt werden
Was mich so stört, ist, dass diese Intellektuellen, die ja für ihr Reflektionsvermögen bezahlt werden, ihre privaten Obsessionen als Erkenntnisse einem Massenpublikum unterjubeln wollen, dass sich bitteschön daran zu orientieren hätte. Also im Grunde das, was sie uns vorwerfen.
Dabei geht es doch bei unserem Kampf gar nicht darum, dass alle so sein sollen wie wir. Bei uns geht es doch um gelebte Vielfalt, darum, dass wir so selbstverständlich vorkommen, wie die heterosexuelle Familie, die ja als Mehrheitskonstrukt anerkannt ist.
Zum Glück gibt es auch noch heterosexuelle Frauen mit Verstand: Claudia Roth sagte dazu: "Über Homosexualität darf man nicht streiten. Wer die sexuelle Orientierung eines Menschen abwertet, wertet den ganzen Menschen ab." Und wenn Claudia das sagt, dann ist das auch so! Basta! Aber: "Der Konsens gegen die Ausgrenzung von Homosexuellen scheint inzwischen brüchig zu werden."
Nicht nur sie dachte lange Zeit, unsere Gesellschaft hätte dieses Stadium längst überwunden. Als Botschafter der Magnus-Hirschfeld-Tage 2014 fordere ich Respekt, auch gegenüber den familiären Leistungen von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Regenbogenfamilien.
Wir brauchen nicht nur Duldung, sondern Akzeptanz der Sichtbarkeit unserer Lebensformen, diese Sichtbarkeit ist kein Mittel zum Zweck der Emanzipation, sondern ihr Ziel!!!
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isten-und-rechtsextreme-in-europa-a-932226.html