Winfried Kretschmann versuchte offenbar vergeblich, die Kritiker des Bildungsplans zu überzeugen (Bild: Grüne NRW)
Nach dem Gespräch fordern Evangelikale erneut, "LSBTTI-Lobbygruppen" keine "Deutungshoheit" zu geben.
Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, hat sich am Donnerstag mit Vertretern von evangelikalen Gruppen und Freikirchen getroffen, um mit ihnen über die Schulaufklärung über Homosexualität zu diskutieren.
Die eingeladenen Gäste, darunter Hartmut Steeb, Generalsekretär der Evangelischen Allianz, und Steffen Kern von den Apis, die für eine Heilung der Homosexualität werben (queer.de berichtete), hatten wie viele andere Gruppen in den letzten Monaten den Arbeitsplan zu neuen Bildungsplänen in Baden-Württemberg kritisiert, weil er den Punkt "sexuelle Vielfalt" umfasst.
An diesem Punkt werde die Landesregierung festhalten, betonte Kretschmann laut einer Pressemitteilung. Zwar würden einige Formulierungen geändert, die zu Missverständnissen geführt hätten; dies ändere aber nichts an dem Anliegen, Menschen vor Intoleranz und Diskriminierung zu schützen. Die Akzeptanz sexueller Vielfalt sei für Kretschmann "Ausdruck einer liberalen Verfassungsordnung".
Bildungsplangegner beklagen Diskriminierung
Hartmut Steeb (l.) und seine Freunde kritisieren weiter eine angebliche "Ideologisierung"
Viel gebracht scheint das Gespräch aber nicht wirklich zu haben. In einem auf der Webseite der Evangelischen Allianz verbreiteten Forderungskatalog der Gesprächtsteilnehmer heißt es zwar, Beschimpfungen wie "schwule Sau" dürften auf Schulhöfen nicht vorkommen. Dann wird Homophobie aber klein geredet: "Es darf aber auch nicht sein, dass christliche Jugendliche, die das Lebensmodell Ehe und Familie als vorzüglich beschreiben, als 'Nazi-Schwein' beschimpft werden. Auch das geschieht an unseren Schulen. Wir haben darum auch eine Verantwortung, dem inflationären Homophobie-Vorwurf entgegenzutreten. Auch dieser ist in erheblichem Maße diskriminierend."
Der Bildungsplan müsse überarbeitet werden und aus dem Punkt "Akzeptanz sexueller Vielfalt" der Punkt "Akzeptanz und Wertschätzung aller Menschen" werden, heißt es weiter. Dabei müsse es auch um die "Ausgrenzung religiöser Minderheiten wie die Verfolgung von Christen weltweit" gehen. Auch dürfe es keine "Ideologisierung der Gesellschaft" geben und "LSBTTI-Lobbygruppen" dürften keine "Deutungshoheit über Geschlechterfragen" bekommen.
Zudem müsse die Politik "zu einer neuen politischen Wertschätzung der Ehe von Mann und Frau sowie der Familie als Keimzelle der Gesellschaft" finden. Die Politik müsste sie als Querschnittsaufgabe in den Bildungsplänen berücksichtigen, wei sie "für eine nachhaltige Gesellschaft zukunftsträchtig" sei.
Mit dem Bildungsplan werde das christliche Menschenbild verlassen, zitiert die Webseite zudem Aussagen von Steffen Kern aus dem Gespräch. "Der Bildungsplan jedoch fordert die Akzeptanz sexueller Vielfalt als gesellschaftliche Norm. Wir halten sexuelle Vielfalt jedoch keinesfalls in gleicher Weise normgebend wie die Ehe von Mann und Frau."
"Demos für alle" gehen weiter
Am nächsten Samstag folgt die nächste Demo gegen den Bildungsplan (Bild: Katja / Putinmyass)
Andere Kritiker des Bildungsplans waren zu dem Gespräch nicht eingeladen. Die "Initiative
Schützt unsere Kinder", die zusammen mit weiteren Partnern für den nächsten Samstag die bereits dritte Kundgebung gegen den Bildungsplan in Stuttgart plant (queer.de berichtete), ätzte, das Treffen sei nicht mehr als ein PR-Gag von Kretschmann und den Kirchen gewesen.
"Zwischen Landesregierung und Kirchen gibt es keine Differenz in der Zielsetzung, die Schulen zu einem Ort des gegenseitigen Respekts und der Toleranz zu machen", heißt es abschließend in der Pressemitteilung des Staatsministeriums, die die kleinsten Nenner als Gemeinsamkeiten betont. Kirchen dürften ihre Moralvorstellungen in die Debatte einbringen, der Staat habe aber diese nicht für die Kirchen durchzusetzen und müsse "weltanschaulich neutral" bleiben.
Das Ironie ist ja, dass Christen und Muslime sich in ihrem religiösen Wahn weltweit und andauernd gegenseitig "verfolgen", nur um dann dort, wo sie gerade zufällig die "Verfolgten" und nicht die "Verfolger" sind, rumzuheulen.