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  • 05. April 2014 11 9 Min.

Auch der Toronto Pride wird traditionell von Dykes on Bikes angeführt, die die beliebte kanadische Variante der Regenbogen­fahne mitführen (Bild: camatlarge / flickr / by 2.0)

Ende Juni lädt die kanadische Metropole zum Welt-CSD. Wer die Flugreise über den Atlantik auf sich nimmt, sollte auch das Umland besuchen.

Von Robert Niedermeier

Hong Seok Chun fühlt sich wohl im angesagten Künstler-Viertel Queen Street West. Der Kiez in Toronto mit seinen Coffeeshops, Galerien und Tinnef-Lädchen in hübsch restaurierten Häusern im britisch-viktorianischen Stil ist eine rasant gentrifizierte Gegend.

Zwar fallen einige Regentropfen, doch der Südkoreaner findet zusammen mit anderen Schwulen Schutz unter dem Dachvorsprung des hippen Gladstone Hotels. Die Stimmung ist heiter. Man plaudert, lacht, flirtet und Hong, der Schauspieler, Politiker und Restaurantbesitzer, erzählt von seinem Coming-out im fernen Südostasien: "Ich wollte ein Vorbild für andere junge Homosexuelle sein, dachte, mein Prominenten-Bonus könnte helfen, für mehr Akzeptanz zu sorgen." Ein Trugschluss. Dass der heute 43-Jährige sich zu seinem Schwulsein öffentlich bekennt, besiegelte im Jahre 2000 das Ende seiner erfolgreichen Karriere als gefeierter Soap-Star. Christliche und buddhistische Gruppen liefen Sturm. Sein Sender ließ ihn fallen. "Das war ein Schock", sagt Hong. Betretenes Schweigen.

In kanadischen Bundesstaat Ontario sieht die Situation anders aus. "We march for those who can't", ist der Leitspruch des offiziellen Mottos 2014 "Our Pride is everywhere". Francisco Alvarez erklärt, was damit gemeint ist: "Wir möchten Menschen aus aller Welt zusammenbringen, das Erreichte, im Sinne einer besseren Zukunft für alle zu feiern", sagt der Mitorganisator des Pride Torontos.

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Von Toronto zu Kanadas erster Hauptstadt Kingston


Ethik-Professor Udo Schuklenk vor einer Regenbogenfahne in Kingston: "Toronto selbst ist liberal, aber das Einzugsgebiet eher konservativ." (Bild: Robert Niedermeier)

Derweil ist im Juni 2013 das Pride-Straßenfest in den Hauptstraßen und Gassen von Torontos Gay-Village im vollen Gange. LGBT und Freunde aus ganz Ontario, Kanada, den USA und der ganzen Welt sind angereist, um mitzufeiern.

Sponsoren präsentieren mit muskelbepackten Models ihre Marken, Pärchen ihre Zuneigung und einige Punks weisen auf die Schwachpunkte Torontos hin: "Crack is whack", hat einer auf seinem entblößten Schmerbauch mit Lippenstift geschmiert. Angelehnt an einen Ausspruch der verstorbenen Pop-Diva Whitney Houston, die damit ihre Drogensucht zu verneinen versuchte, aber gemünzt auf den rechtsreaktionären Bürgermeister Rob Ford.

In Kanadas erster Hauptstadt, dem malerisch am Ontario-See gelegenen Städtchen Kingston, erzählt der in Kanada arbeitende deutsch-australische Ethik-Professor Udo Schuklenk, was es damit auf sich hat: "Toronto selbst ist liberal, aber das Einzugsgebiet eher konservativ." So sei es möglich, dass ein Rob Ford Bürgermeister werden konnte. Und Drogen? "Man sagt seiner ganzen Familie nach, in Drogengeschäften verwickelt zu sein", weiß der mit einem Jamaikaner verheiratete Udo zu berichten. Das sind Gerüchte, doch im November 2013 musste Torontos Bürgermeister tatsächlich eingestehen, selbst schon einmal Crack konsumiert zu haben.

Udo zieht für Ausflüge ins Nachtleben das frankophile Montreal dem wirtschaftlich stärkeren Toronto vor: "Die Atmosphäre ist entspannter, ich mag das lässige französische Lebensgefühl." Dennoch hält der schlanke Endvierziger das pulsierende Toronto für eine gute Wahl für den World Pride 2014: "Die Szene ist bestens organisiert." Die mit den queeren Gruppen gut vernetzte Studierendenschaft verfügt dank Einnahmen aus dem einträchtigen Catering- und Mensa-Geschäft über dicke finanzielle Polster. "Auf Almosen seitens der Stadtverwaltung können die Organisatoren der Pride-Feierlichkeiten also gut verzichten", sagt Udo, blickt hinüber zum Ufer, wo Ausflügler gerade eines der vielen Unterhaltungsboote verlassen.

Kingston ist eine Stadt mit einem hohen Bildungsgrad. Das liegt auch am kanadischen Militär, das in der historischen Hauptstadt Universitäten und Akademien betreibt. Die Lesben und Schwulen sind im Stadtleben integriert.



Dazu gehört auch der Gastronom Paul Frotier, der am Militärmuseum der mächtigen Fort-Henry-Festung Touristen, Tagesausflügler und Militär-Angehörigen beköstigten lässt. Im Stadtkern führt er den bei Männern beliebten Pub "Sir Johns's Public House", der sich an einem historischen Ort befindet. Es ist das ehemalige Büro von Sir John Alexander Macdonald. Der erste Premierminister ziert immerhin die kanadische 10-Dollar-Note, war für seinen sporadischen Alkoholismus und Witz bekannt.

"Ich fühle mich seelisch verwandt", lacht Wirt Paul und Barkeeper Andrew zapft ein helles "Magner's"-Bier nach. Zu Gast sind auch Akademie-Studenten und Touristen-Guides, die tagsüber wie Ewan den Querflöten-Wachmann am Fort mimen, oder wie der Musikstudent Nick in sexy Uniform Touristen die Geschichte Kingstons in blumiger Sprache erläutert.

Mit dem Zug durch Ontario und nach Ottawa

World-Pride-Besucher sollten sowieso Zeit mitbringen, neben der 2,6-Millionen-Metropole Toronto auch die Provinz im Südwesten Kanadas kennen zu lernen.

Innerhalb Ontarios empfiehlt sich das Zugfahren mit VIA Rail. In Ottawa, Kanadas moderner Hauptstadt, wirkt das prachtvolle, im neogotischen Baustil protzende Parlament als Publikumsmagnet. Wer sich für die Bürgerrechtsgeschichte interessiert, schaut ehrfurchtsvoll über die Bronzestatue am Parliament Hill, die dem Erfolg der "Famous Five" ein Denkmal gesetzt haben.



Fünf Frauen haben 1929 durchgesetzt, dass Frauen endlich das Personenstandsrecht zugestanden worden ist. Ein Meilenstein der kanadischen Menschenrechtsbewegung, der schlussendlich auch Lesben, Schwulen und später auch Transgendern ein freies Leben ermöglichte.

Über die Geschichte von Lesben und Schwulen in Ottawa weiß Daniel Drolet auf seinen Gruppenspaziergängen zu erzählen, der auch Ausgehtipps im kleinen Gay Village "Rue Bank" parat hält.

Die Bärenkneipe Centretown Pub und das gayfriendly Restaurant Union 613 auf der backsteingeprägten Somerset Street sind ebenfalls einen Besuch wert.

Rafting auf dem Ottawa-Fluss und Niagara-Fälle



Keinesfalls verpassen sollten Ontario-Urlauber eine Wildwasser-Rafting-Tour auf dem Ottawa-Fluss nördlich der gleichnamigen Hauptstadt Kanadas. Mut gehört dazu, sich den tosenden Stromschnellen zu stellen.

Ein weiteres Muss sind natürlich die Niagara-Wasserfälle: Von Toronto aus fährt man zirka zwei Stunden zu dem weltberühmten Naturschauspiel an der Grenze zu den USA Eine Bootsfahrt mit der Maid of the Mist ist dabei ein spritzig-nasses Vergnügen, da das Boot nah an den in die Tiefe stürzenden Wassermassen heranfährt. Auch von oben sind die Niagara-Fälle ein Blickfang, den man sich mit einen zehnminütigen Helikopter-Flug ergattern kann.



Ebenfalls in der schmucken, wohlhabenden Gemeinde Niagara-on-the-Lake finden Touristen die nördlichst gelegene Weinanbauregion der Welt. Auf dem "Great Estates Niagara"-Weingut dürfen Touristen hervorragenden Eiswein, guten Riesling und sogar Rotwein aus eigener Herstellung kosten.

Mit ein wenig Glück höchstpersönlich von einer echten ehemaligen Schönheitskönigin kredenzt. Deborah Pratt, eine charmante Mitarbeiterin des Weingutes, kann auch erklären, wieso der Wein gut gedeiht: "Der See ist so tief, dass er im Sommer kühlt und im Winter die ganze Region wärmt." Eisige Kälte von unter acht Grad Minus sei von daher eher selten und im Sommer überstiegen die Temperaturen kaum die 28-Grad-Marke.

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Die Pluspunkte Torontos


Unser Autor Robert Niedermeier mit Hong Seok Chun, der sich in Toronto pudelwohl fühlt

"Ein ideales T-Shirt-Wetter ohne hässliche Schweißränder befürchten zu müssen", meint Hong, der an einem lauen Juni-Abend im italienischen Restaurant "Nota Bene" über seine neue Lieblingsmetropole schwärmt. Im Edel-Lokal auf der Queen West Street, oberhalb des mit Theatern und Kinos reichlich bestückten Entertainment Districts, laben sich auch seine Begleiter am Hechtfilet aus dem tiefen See und Wild aus den weiten Wäldern, serviert mit perfekt zubereitetem Risotto und fantastisch mundenden Pasta.

Ein weiterer Pluspunkt Torontos offenbart sich: Die kulinarische Vielfalt ist Dank des multikultureller Einflüsse top. Vom Hamburger im "Five Guys" bis zum Hummer-Genuss im "Red Lobster", selbst das Fast Food-Angebot ist eine Wucht.

Vom zentralen Dundas Platz fußläufig zu erreichen, ist das östlich des Uni-Viertels gelegene Church Wellesley Village zwischen der Yonge und Jarvis Street: Das traditionelle und nach wie vor angesagte Gay-Quartier der Stadt. Nicht nur zur alljährlichen Pride Week, zu dessen finalem Paraden-Tag Ende Juni über eine Million Menschen die Straßen säumen, ist dort ordentlich was los.



Earl, ein vor 14 Jahren aus Alberta zugewanderter Kanadier, hat jedoch allerhand zu nörgeln: "Weißt Du, ich dürfte meinen Freund in der Kirche heiraten, aber das Ficken im Club ist schon lange verboten", klagt er bitter. In der Tat: Im Black Eagle, dem wohl ältesten Cruising-Lokal im Gay-Village, achten die Gläsereinsammler und Ordner penibel darauf, dass kein Penis offen zum Vorschein kommt. "Bumskabinen mussten abgebaut werden", schimpft der kernige Farmersohn über die prüden Verordnungen der Stadtoberen, die allerdings nicht allein schwule Ausschweifungen behindern. Gleichwohl erschweren die vom Drogenkonsumenten und Bürgermeister Ford unterstützten Regulierungen auch heterosexuelle Stripper-Schuppen das Überleben.

Zigaretten und Bumskabinen den Kampf angesagt

Schwule Solidarität ermöglicht am Vorabend der Pride-Parade 2013, dass Earls orale Wünsche dennoch in Erfüllung gehen. Eine Wand aus netten Gästen bildet sich schnell als Sichtschutz, worauf die anschließende Zigarette im Patio, eine halboffene Terrasse, im zweiten Stockwerk umso besser schmeckt. Ansonsten: In Toronto herscht striktes Rauchverbot, selbst vor den Bar-Eingängen, und auch der Genuss von Alkohol ist auf offener Straße untersagt.

Schräg gegenüber in der Schwulensauna ist Nacktheit kein Problem. Allerdings muss Mann für die intimen Kabinen extra blechen. Offen zugängliche Matratzen-Kabuffs gibt es nicht. Dafür ist die als Privatclub geführte Männertreffpunkt Steamworks gut ausgestattet: Pool, Whirlpools, Fitnessraum, prima Sanitäranlagen, aber keine Dampfe, wo es im schummrigen Licht zur Sache gehen könnte.



"Ich habe trotzdem Spaß", meint Hong trotz Rauchverbot und Reglementierung. Gründe gibt zu genüge: Immerhin erstreckt sich Torontos lesbisch-schwules Viertel über neun Straßenkreuzungen und bietet Zerstreuung satt. Cocktail-Bars, Coffee Shops, Restaurants wie das trendy Smith im Vintage-Look oder das sozial engagierte Fabarnak. Fetisch- und Fashion-Stores, Blumenläden, Friseur-Salons – selbst für Hunde – und Disco-Clubs reihen sich aneinander.

Bevölkert ist das Viertel von Bären, Twinks, Muskeltypen, Rockern, Anzugträgern, typischen Studenten oder Arbeitertypen, die hier noch in den mit Backsteinhäusern bebauten Seitenstraßen wohnen. "Das macht den besonderen Reiz der Gegend aus", findet auch Anwohner Earl, dem besonders der Kontrast zur nahen Downtown mit seinen glasstählernen Hochhäusern gefällt.

Das politische und kulturelle Herz der LGBT-Szene Torontos

Stolz ist auch Earl über das The 519 Church Street Community Centre. Im großen Gebäude, inklusive musealen Archiv, Veranstaltungs- und Tagungsräumlichkeiten, pocht das politische und kulturelle Herz der LGBT-Szene Torontos. Zum Pride bietet das Zentrum mit der Party im dazugehörigen Cawthra Square Park den unübertroffenen Freiluft-Tanz-Höhepunkt.

Aufgrund des gut ausgebauten U-Bahn-Systems kommen Besucher auch außerhalb des Villages gut zurecht. Schwule Männer begegnen Toronto-Gästen natürlich auch beim Shopping auf der Bloor und Yonge Street, in Chinatown, im Künstler- und Kulinarik-Hot-Spot Distillery District, am Ufer des Ontario-Sees beim Joggen und Bestaunen der architektonisch reizvollen Harbourfront mit ihren grünen Oasen oder während des Ausflugs zu den vorgelagerten Toronto Islands. Geht's mit der Fähre zurück Richtung Festland, erblicken die Touristen die atemberauebne Skyline aus neuer Perspektive.

Hong aus Südkorea ist von allem restlos begeistert. Er fährt am liebsten mit dem Taxi durch die Wolkenkratzerschluchten der blitzsauberen Booming-Town. Über allem thront das höchste Bauwerk des amerikanischen Doppelkontinents – der 553 Meter hohe Fernsehturm. "Natürlich hat der CN Tower auch ein Drehrestaurant", jubelt der schwule Südkoreaner und sagt: "Niemand guckt doof, wenn man sich als Mann wie eine Sissy über das Panorama freut." Hong fühlt sich wohl in Toronto.

World Pride 2014

Das große Straßenfest läuft zuvor vom 20. bis 29. Juni 2014 im Wesseley-Chruch-Village mit vielen Bühnen und Outdoor-Partys. Im Vorfeld der Parade findet auch ein Trans*-March und der Dyke-Pride statt, Party-Event wie "Prism" oder "Matinée" in diversen Off-Locations runden den großen Spaß ab.
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#1 Marie-JosephAnonym
  • 05.04.2014, 18:13h
  • Toronto ist nur eine weitere nordamerikanische Stadt, in der Englisch gesprochen wird.
    Die Leute dort sind zwar an der Oberfläche amerikanisch-freundlich, aber ein tiefer gehendes Gespräch wie in Europa ist dort mit Einheimischen kaum möglich.
    Als schwuler Mann sollte man den französischen Teil Kanadas besuchen, also Montréal, aber besser noch Québec.
    Diese Städte haben den Charme des Alten Europas, während Toronto eine technisierte, kalte Stadt ist, in der nur das Geld zählt. Aber klüger ist man ja bekanntlich erst nach der Reise....
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#2 RobbyEhemaliges Profil
  • 05.04.2014, 19:30h
  • Toronto ist eine tolle Stadt! - Wer die Möglichkeit hat, sollte auf jeden Fall mal hinfahren! Es lohnt sich!
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#3 lucdf
  • 05.04.2014, 21:15hköln
  • Am Besten sollte man beides machen: Toronto und Montréal. Québec ville soll auch ganz nett sein. Schade aber Vancouver ist zu weit.
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