Fraktionschef Volker Kauder ist sauer auf Karlsruhe, u.a. weil das Gericht die Diskriminierung von Homosexuellen als verfassungswidrig ansieht
Ein ums andere Mal wurde die Union von Karlsruhe in der Frage der Gleichstellung von Schwulen und Lesben gerüffelt. Als Reaktion wollen konservative Koalitionsabgeordnete offenbar die Höchstrichter an die Leine nehmen – die Opposition ist empört.
Nach "Spiegel"-Informationen plant die Fraktionsführung der Union, die Rechte der Richter des Bundesverfassungsgerichts zu beschneiden. Wie das Nachrichtenmagazin in seiner neuesten Ausgabe meldet, haben Unionsabgeordnete um Fraktionschef Volker Kauder (CDU) am Donnerstag bei einem Treffen des "Xantener Kreises" dafür geworben, die Zuständigkeiten der Richter einzuschränken. In der Runde stimmen sich konservative Unionspolitiker wie Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU) und Innenpolitiker Wolfgang Bosbach (CDU) ab.
Die Abgeordneten beklagen dem Bericht zufolge, die Karlsruhe Richter trieben mit ihren Entscheidungen die Liberalisierung der Gesellschaft voran und überschritten damit ihre Kompetenzen. Als Beispiele werden insbesondere die Entscheidungen zur Homo-Politik genannt. Allein im vergangenen hatte das Bundesverfassungsgericht Lebenspartnerschaften beim Ehegattensplitting und bei der Sukzessiv-Adoption gleichgestellt, weil die grundlose Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung verfassungswidrig sei. Bei beiden Themen hatten sich insbesondere konservative Unionsabgeordnete leidenschaftlich gegen eine Gleichbehandlung von Homosexuellen ausgesprochen.
Die Politiker rügten auch andere Entscheidungen des Gerichts und beklagten, dass von der Union eingesetzte Richter häufig ihre parteipolitischen Überzeugungen über den Haufen werden würden. So empörten sie sich über Richter Peter Huber, den früheren CDU-Innenminister in Thüringen. Er hatte die Dreiprozenthürde bei der Europawahl für verfassungswidrig erklärt, was bei CDU und CSU Unverständnis auslöste.
Innenminister prüft Entmachtung
Bereits vor dem Xantener Treffen hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizère prüfen lassen, ob eine Einschränkung der Rechte der Richter möglich sei. Auch die Verkürzung der zwölfjährigen Amtszeit wurde angedacht.
Die anderen großen Parteien, inklusive des Koalitionspartners SPD, zeigten Unverständnis und sogar Empörung über das Ansinnen der Unionsabgeordneten. "Die Kritik ist überzogen und unangemessen", sagte etwa Justizminister Heiko Maas (SPD) im "Spiegel". "Mit mir wird es keine Änderung der Struktur und Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts geben". Vielmehr müsse sich die Politik selbst fragen, warum "so viele grundsätzliche politische Fragen in Karlsruhe geklärt werden müssen".
Die Grünen forderten, dass das "Mobbing gegen Karlsruhe aus Berlin und Xanten" ein Ende haben müsse, wie Volker Beck, der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, am Sonntag erklärte: "Wer die Anwendung des zentralen verfassungs- und menschenrechtlichen Gebots der 'Gleichheit vor dem Gesetz' durch das Bundesverfassungsgericht denunziert und glaubt, dies sei 'Liberalisierung' und illegitime 'Gesellschaftspolitik', hat unser Grundgesetz nicht verstanden und verhält sich antiaufklärerisch". Das grenze "schon an politischer Nötigung eines Verfassungsorgans" und zeige, dass "Teile der Union weder im 21. Jahrhundert noch im Verfassungsstaat Bundesrepublik Deutschland wirklich angekommen" seien.
Auch die FDP zeigte sich entsetzt: "Wer als Politiker ernsthaft solche Gedanken hegt, ist auf einem gefährlichen Weg, sich von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu verabschieden", erklärte der Thüringer Rechtspolitiker Dirk Bergner. Auch die Piratenpartei sorgte sich um die Unabhängigkeit der Justiz: "Es offenbart sich die Geisteshaltung einer Politikerkaste, die in Allmachtsphantasien schwelgen, die nicht akzeptieren können, dass auch sie sich an Gesetze zu halten haben", sagte Parteichef Thomas Wirth. Regelungen wie das Verbot der Sukzessiv-Adoption homosexueller Paare "waren nicht mit unserem Grundgesetz vereinbar und wurden vom Bundesverfassungsgericht gekippt und dafür gibt es dieses Gericht".
In den letzten Jahren haben Unionspolitiker die Karlsruher Richter immer wieder für ihre Urteile kritisiert, insbesondere bei der Frage der Homo-Rechte. So beklagte der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm (CDU) Anfang des Jahres, die Richter hätten sich mit ihrer Entscheidung für die Gleichstellung von verpartnerten Homosexuellen im Steuerrecht "kurzerhand über eine gefestigte, langjährige Rechtsprechung hinweggesetzt" (queer.de berichtete). Im vergangenen Jahr empörte sich auch der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer darüber, dass sich Karlsruhe in der Frage der Homo-Rechte gegen die Bundesregierung stelle (queer.de berichtete). (dk)
Es wird Zeit auszuwandern. Wie mich dieser Staat ankotzt.