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Gerichtsentscheidung
Indien erkennt drittes Geschlecht an
- 15. April 2014 2 Min.

Laxmi Narayan Tripathi ist eine der Klägerinnen, die das Urteil erzwungen hat
Eine bahnbrechende Entscheidung in einem konservativen Land: Transgender in Indien müssen sich nicht länger entscheiden, ob sie in offiziellen Dokumenten als Mann oder eine Frau definiert werden.
Der Oberste Gerichtshof Indiens hat am Dienstag angeordnet, dass in Reisepässen und Führerscheinen künftig ein drittes Geschlecht eingetragen werden darf. "Es ist das Recht eines jeden Menschen, sein Geschlecht zu bestimmen", erklärten die Richter in ihrer Entscheidung. Auch Transgender, die im Land meist als Hijras bezeichnet werden, seien Bürger Indiens und verdienten "gleiche Chancen". Das Gericht ordnete an, dass die Regierung Quoten für die Arbeitswelt und an Universitäten für Mitglieder des dritten Geschlechts einführen muss, wie sie bereits für andere Minderheiten gelten. Außerdem müssen Transgendere leichter staatliche Unterstützung erhalten.
LGBT-Aktivisten begrüßten das Urteil: "Heute bin ich zum ersten Mal stolz, Inderin zu sein", erklärte die Aktivistin Laxmi Narayan Tripathi nach der Urteilsverkündung gegenüber Journalisten. Indien könne nur ein fortschrittliches Land sein, wenn es die Menschenrechte von Minderheiten endlich beachte. Tripathi hatte wie mehrere andere Hijras gegen Diskriminierung geklagt.
Das "dritte Geschlecht" wird nur in wenigen Ländern anerkannt, etwa seit 2008 in Nepal und seit 2011 in Australien. In Deutschland wurde vergangenes Jahr das Personenstandsgesetz für Intersexuelle angepasst, so dass bei Kindern die Eintragung des Geschlechts freigelassen werden kann (queer.de berichtete).
Der Oberste Gerichtshof Indiens hatte zuletzt im Dezember für Entsetzen unter LGBT-Aktivisten gesorgt, als er das Verbot von Homosexualität wieder einführte (queer.de berichtete). Damit drohen Schwulen und Lesben nach einem alten britischen Kolonialgesetz wieder bis zu zehn Jahre Haft. Mehrere Regierungsmitglieder haben allerdings angekündigt, das Gesetz abschaffen zu wollen (queer.de berichtete).
In Indien hat das Leben zwischen den Geschlechtern eine lange Tradition. Es soll dort schätzungsweise zwei Millionen Hijras geben. Sie tragen traditionelle Saris, geben sich feminin, nehmen Frauennamen an und bilden praktisch eine eigene Kaste in der komplizierten Hierarchie der indischen Gesellschaft. Diese geht ambivalent mit der Minderheit um: Häufig werden Hijras aufgrund ihrer Andersartigkeit verachtet, doch viele Menschen glauben an deren besondere Kraft, die es ihnen ermöglicht, Neugeborene, Ehen oder auch Häuser zu segnen.
Oft werden Hijras in die illegale Prostitution gedrängt. Die Zahl der HIV-Infektionen ist unter ihnen besonders hoch. Ehen zwischen Hijras und Männern werden in der Regel akzeptiert. Um zu einer vollwertigen Hijra zu werden, unterziehen sich viele einer Kastration, die oft unter katastrophalen hygienischen Bedingungen durchgeführt wird. (dk)














