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Reaktion auf Urteil aus Karlsruhe
Bundestag will Lebenspartner ein bisschen mehr gleichstellen
- 09. Mai 2014 3 Min.

Im Bundestag hat man noch so seine Probleme, bestimmte Teile des deutschen Volkes gleichzustellen. (Bild: Herman / flickr / by-sa 2.0)
Ohne Debatte bringt Schwarz-Rot die von Karlsruhe angeordnete steuerliche Gleichstellung von Lebenspartnern auf den Weg. Die CSU schimpft über minderwertige Homo-Paare, die SPD schweigt.
Von Dennis Klein
Am späten Donnerstag sollte der Bundestag eigentlich über eine weitere Gleichstellung von eingetragenen Lebenspartnern mit heterosexuellen Eheleuten diskutieren. Viel Interesse an der ersten Beratung über den "Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung steuerlicher Regelungen an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts" (PDF) bestand aber nicht: Vier Abgeordnete von CDU, CSU, Linkspartei und Grünen gaben ihre Reden lediglich zu Protokoll, die SPD (Wahlkampfslogan: "100 Prozent Gleichstellung nur mit uns") bereitete erst einmal gar keine Rede vor.
Der vorgelegte Gesetzentwurf ist eine Folge eines Karlsruher Urteils vom Juni 2013. Damals ordnete Karlsruhe an, dass die Bundesregierung Lebenspartner beim Ehegattensplitting gleichbehandeln muss (queer.de berichtete). Diese Gleichstellung wurde bereits von der alten schwarz-gelben Regierung durchgewinkt (queer.de berichtete).
Das neue Gesetz soll nun offenbar verhindern, dass Karlsruhe noch einmal über die steuerrechtliche Diskriminierung von Lebenspartnern entscheiden muss. Der Entwurf sieht vor, offensichtlich verfassungswidrige Benachteiligungen im Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz, im Bundeskindergeldgesetz, im Eigenheimzulagengesetz oder im Wohnungsbau-Prämiengesetz abzuschaffen. Die schwarz-rote Regierung habe "besonnen weitere steuerrechtliche Vorschriften auf einen Gleichstellungsbedarf analysiert", sagte etwa der CDU-Abgeordnete Markus Koob aus dem Hochtaunus in seiner protokollierten Rede. Im Gesetz befinden sich daher auch sehr obskure Bereiche wie die Kaffeesteuerverordnung. So dürfen nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung künftig nicht mehr nur die Ehepartner von Diplomaten steuerfrei Kaffee schlürfen, sondern auch die eingetragenen Lebenspartner.
Bereits im März hatten die Grünen diesen "stümperhaften und unvollständigen" Gesetzentwurf kritisiert, weil er Homo-Paare nur in einem Bruchteil der Bereiche gleichstelle (queer.de berichtete). Am einfachsten sei es ohnehin, die Ehe für Schwule und Lesben zu öffnen, anstatt dauernd im deutschen Gesetzesdschungel nach dem Wort "Ehepartner" das Wort "Lebenspartner" hinzuzufügen.
CSU verteidigt "Ungleichbehandlung" von Schwulen und Lesben

Philipp Graf Lerchenfeld hält die Diskriminierung von Homosexuelle für gerechtfertigt (Bild: Wiki Commons / Leonie Rabea Große / CC-BY-SA-3.0-DE)
Die Union wäre natürlich nicht die Union, wenn sie in der protokollierten Debatte nicht betonen würde, dass gleichgeschlechtliche Lebenspartner weiterhin weniger wert sind als heterosexuelle Eheleute. Dazu erklärte der CSU-Abgeordnete Philipp Graf Lerchenfeld: "Wenn Ehe und Familie […] unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung gestellt sind, dann ergibt sich zwangsläufig, dass daraus eine Ungleichbehandlung anderer Formen des Zusammenlebens abgeleitet werden muss". Der Graf ist sauer, dass das Bundesverfassungsgericht Artikel 3 des Grundgesetzes – den Gleichbehandlungsartikel – als wichtiger ansehe als die "Schutzfunktion des Artikels 6 GG", also den "besonderen Schutz" von "Ehe und Familie". Für den CSU-Abgeordneten sind Heterosexuelle also nur geschützt, solange Homosexuelle diskriminiert werden.
Die oppositionellen Linken und Grünen kritisieren das jahrelange Hickhack um die Gleichstellung: "Das alles hätten wir sehr viel einfacher und vor allem früher haben können, wenn die konservative Seite dieses Hauses sich nur mal rechtzeitig der Realität gestellt hätte", erklärte etwa der Abgeordnete Richard Pitterle von der Linksfraktion. Den jetzt zusammengeschusterten Gesetzentwurf habe Schwarz-Rot ohnehin nur "aus einem einzigen Grunde" zustande gebracht: "Weil Ihnen das Bundesverfassungsgericht im Mai letzten Jahres nämlich mal wieder die Leviten gelesen hat". Der Bundesregierung warf der Abgeordnete aus dem schwäbischen Sindelfingen eine "oberflächliche Kenntnis der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland" vor.
In die selbe Kerbe schlug Lisa Paus von den Bündnisgrünen. Die 45-Jährige warf der Regierung vor, mit albernen Argumenten der "Lebenswirklichkeit" hinterherzuhinken: "Sie enthalten Menschen in diesem Land grundlegende Rechte vor, meine Damen und Herren von der CDU, CSU und auch von der SPD – und zwar weil die Bundeskanzlerin höchstselbst sich bei dem Gedanken an die Gleichstellung 'unwohl' fühlt". Sie bezog sich dabei auf Aussagen Angela Merkels während des Bundestagswahlkampfs 2013 (queer.de berichtete). Die Kanzlerin schweigt übrigens seit der Wahl wieder zum Thema Homo-Rechte.
Links zum Thema:
» Zu Protokoll gegebene Reden (PDF, Seite 2863-2866)














