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Gedenkveranstaltung zum Theaterskandal

"Die Erinnerungen sind nahezu vollkommen getilgt"

  • 10. Mai 2014 16 3 Min.

Zwei Stolpersteine vor dem Grillo-Theater erinnern jetzt an eine Verhaftungswelle gegen schwule Mitarbeiter der Essener Bühnen, die im Frühjahr 1936 begann (Bild: Dietrich Dettmann)

1936 gerieten schwule Mitglieder der Essener Bühnen durch Denunziation in die Schusslinie von Kriminalpolizei und Gestapo. Ein Aktionstag erinnerte an ihr Schicksal.

Von Dietrich Dettmann

"Eine Clique der homosexuell veranlagten Angestellten der Städt. Bühnen in Schutzhaft genommen", titelte im Frühjahr 1936 die damalige "Nationalzeitung". An den so genannten Essen Theaterskandal erinnerten am 8. Mai das Schauspiel Essen und das Forum Essener Lesben und Schwule (F.E.L.S.) mit einem Aktionstag – inklusive Lesung, Stolpersteinverlegung, einem historischen Stadtrundgang und einer Theateraufführung.

Bei dem Veranstaltungs-Marathon im Rahmen der Hirschfeld-Tage 2014 wurde speziell Otto Zedlers gedacht, der damals als Schauspieler, Sänger und Regisseur am Grillo-Theater engagiert war und aufgrund seiner sexuellen Orientierung denunziert, verhaftet und verurteilt wurde.

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"Erinnern statt vergessen, aktiv handeln statt wegschauen"


Die aktuellen Ensemblemitglieder Jens Ochlast und Tobias Roth zitierten aus Gestapo-Vernehmungsprotokollen damals betroffener Schauspielkollegen (Bild: Dietrich Dettmann)

Etwa 80 Besucher kamen zunächst zur Lesung unter dem Titel "Das sind Volks-und Staatsfeinde!", bei der Intendant Christian Tombeil in seiner Begrüßung betonte: "Erinnern statt vergessen, aktiv handeln statt wegschauen – das sind für mich ganz persönlich die Beweggründe gewesen, heute die Stolpersteine für denunzierte homo­sexuelle Theatermitglieder verlegen zu lassen, vor allem weil es dem NS-Regime damals fast gelungen wäre, die Ereignisse unter den Teppich zu kehren."

Die Erinnerung an homo­sexuelle Ensemblemitglieder seien "nahezu vollkommen getilgt, weil so wenig Material aus der damaligen Zeit vorhanden ist und die Namen aus den Archiven gelöscht wurden", so der Theaterleiter. Dies sei besonders bedauerlich, weil Otto Zedler über drei Jahre Schauspieler und Regisseur am Grillo-Theater war und viele Produktionen inszeniert hätte.

Nach einem geschichtlichem Abriss der Verfolgungsaktionen in Essen und des Theaterskandals von 1936 durch den Historiker und F.E.L.S.-Aktivisten zitierten die aktuellen Ensemblemitglieder Jens Ochlast und Tobias Roth aus Gestapo-Vernehmungsprotokollen damals betroffener Schauspielkollegen. Auf Basis des von den Nationalsozialisten 1935 verschärften Paragrafen 175, der sexuelle Handlungen zwischen Männern unter Strafe stellte, wurden 1936 schließlich über 50 Verhaftungen und Verurteilungen in die Wege geleitet, die unter anderem auch mit Einlieferungen in Konzentrationslager wie Sachsenhausen, Flossenbürg und Dachau endeten.

Betroffen war ein erheblicher Teil des damaligen Theaterensembles. Ein Skandal rollte los, der deutschlandweit bekannt wurde. Für homo­sexuelle Theatermitglieder eine furchtbare Situation: Es drohten "Schutzhaft" und willkürliche Verhaftungen nur nach einfachen Behauptungen Dritter. Neben der gesellschaftlichen Ausgrenzung mussten sie den Verlust der Arbeit und den Ausschluss aus der Reichstheaterkammer befürchten. Der Willkür der Gerichte blieb es später anheim, ob eine mehrjährige Haftstrafe, die Einweisung in ein KZ oder die Zwangskastration verhängt wurde.

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Das Unrecht für künftige Generationen sichtbar machen


Die Initiatoren der Gedenkveranstaltung: Intendant Christian Tombeil (li.) und Wolfgang Berude vom Forum Essener Lesben und Schwule (Bild: Dietrich Dettmann)

Dies betraf auch Peter Roleff, Choreograf und Balletttänzer, sowie Paul Sträter, Bühnenbildner in Essen bis 1936, die sich in einem aufsehenerregenden Prozess gegenseitig mit Aussagen denunzierten, die unter Folter entstanden waren. Das tragische Schicksal dieser und weiterer Theatermitglieder soll in den nächsten Jahren noch genauer aufgearbeitet werden.

F.E.L.S.-Sprecher Thomas Stempel betonte in seiner Ansprache: "Uns ist dieses Thema ein besonderes Anliegen, und wir finden, dass es die Aufgabe dieser, unserer Generation ist, das damalige Unrecht aufzudecken. Mehr noch, es gilt das Unrecht auch anzuprangern und aufzuarbeiten und für zukünftige Generationen sichtbar zu machen."

Im Anschluss verlegte der Bildhauer Gunter Demnig in Anwesenheit von Vertretern der Stadt Essen und der Community vor dem Grillo-Theater einen Stolperstein für Otto Zedler. Hinzu kam ein weiterer Stolperstein mit der Erklärung: "Wir erinnern an die Gestapo-Aktionen 1936-1938 gegen homo­sexuelle Ensemble-Mitglieder – denunziert, verhaftet, verurteilt, Schutzhaft, Zuchthaus, KZ-Einweisung, ermordet."

Zum Thema Verfolgung und Geschichte der Essener Homo­sexuellen lud F.E.L.S. anschließend zu einen historischen Rundgang durch die Innenstadt mit Wolfgang Berude ein. Zum Abschluss des Veranstaltungsreigens zog es die Gäste des Essener Aktionstages ins Kleine Theater. Dort begann im Anschluss die Vorstellung "Der Schlachter-Tango". Das Doku-Drama erzählt die Geschichte des Ludwig Meyer, der ebenfalls 1936 wegen Homosexualität von der Gestapo verhaftet wurde.

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#1 FoXXXynessEhemaliges Profil
  • 10.05.2014, 09:15h
  • Mal sehen, welche Gewalttaten an Schwulen und Lesben in der Nazizeit noch in nächster Zeit ans Tageslicht kommen werden!
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#2 SebiAnonym
  • 10.05.2014, 12:22h
  • Schön, dass auch diese Opfer jetzt solche Stolpersteine bekommen, damit das nicht ganz vergessen wird...
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#3 RalfAnonym
  • 10.05.2014, 12:41h
  • In Kaiserslautern sollte voriges Jahr auch ein im KZ zu Tode gekommener Schwuler durch einen Stolperstein geehrt werden. Im letzten Moment entschied die dortige Stolperstein-Initiative jedoch, den Mann vom Gedenken auszuschließen, und verbot die Setzung des bereits angefertigten Stolpersteins. Schließlich war er rechtmäßig nach § 175 StGB verurteilt worden und gilt seiner Familie noch heute als Verbrecher. Geehrt wurden schließlich nur mehrere jüdische NS-Opfer und ein politisch Verfolgter. Schwule sind weiterhin NS-Opfer 3.Klasse.
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