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- 11. Mai 2014 4 Min.

Kolorierte Großansicht des Hepatitis-C-Virus: Bis 2030 könnte die Krankheit in Deutschland erledigt sein
In den letzten Jahren häuften sich die Erkrankungszahlen insbesondere bei HIV-positiven Schwulen in Großstädten. Jetzt haben Betroffene sehr gute Aussichten auf Heilung.
Von Dr. Marcus Mau
Schätzungsweise rund eine halbe Million Menschen sind in Deutschland mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert. Da das Virus ausschließlich über Blut übertragen wird, infizieren sich heutzutage vorwiegend Drogenabhängige sowie homo- und bisexuelle Männer. Unbehandelt erkranken die Infizierten früher oder später an einer Leberzirrhose. Das Lebergewebe vernarbt und nicht selten entwickelt sich die Erkrankung weiter bis zum Leberkrebs. Hepatitis ist deshalb hierzulande die häufigste Ursache für eine Lebertransplantation. Dank neuer Wirkstoffe haben Betroffene jetzt jedoch sehr gute Aussichten auf Heilung.
Die modernen Medikamente hindern das Virus daran, sich zu vermehren, und verhindern damit, dass sich die Leber dauerhaft entzündet. "Das ist eine Revolution in der Medizin und hat Modellcharakter. Die chronische Virushepatitis wird behandelbar", so Dr. Markus Cornberg, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM).
Die Ausgangsituation: Zwischen Unwissenheit und Unvermögen

Die Behandlung von Hepatitis C erforderte bisher viel Geduld: Die Patienten mussten über eineinhalb Jahre lang zweimal täglich Tabletten mit dem Wirkstoff Ribavirin einnehmen und wöchentlich das Hormon Interferon spritzen. Interferon stärkt die körpereigene Virusabwehr. "Doch vor allem seine Nebenwirkungen machen die Behandlung für die Patienten beschwerlich, und eine echte Erfolgsgarantie gab es dabei nicht", beschreibt der DGIM-Vorsitzende Professor Dr. med. Michael P. Manns aus Hannover. Nur etwa die Hälfte der Patienten wurde mit dieser Behandlung geheilt.
Noch immer kritisch ist die Situation vieler HIV-Infizierter. Ein Drittel von Ihnen hat gleichzeitig eine Infektion mit Hepatitis-C-Viren. Der Therapieerfolg wird durch die HIV-Infektion deutlich herabgesetzt, weshalb diese Patienten so früh wie möglich behandelt werden sollten. Problem: Ebenso wie viele der HIV-Neuinfektionen in Deutschland unerkannt bleiben, wissen Betroffene meist nicht, dass sie Träger einer Hepatitis C sind. Aus diesem Grund treten mehr und mehr Ärzte dafür ein, Risikogruppen (Drogenabhängigen, Prostituierten sowie homo- und bisexuellen Männern) nicht nur den HIV-Test, sondern auch einen Test auf Hepatitis C anzubieten.
Zwei neue Wirkstoffe haben die Heilungschancen bei Hepatitis C nun deutlich verbessert. Neu an den beiden Substanzen ist, dass sie direkt gegen das Hepatitis-C-Virus wirken, indem sie ein bestimmtes Enzym des Virus, die HCV-Protease, blockieren und damit seine Vermehrung stoppen. Semiprevir und Sofosbuvir (Sovaldi®) wurden gerade in den USA zugelassen, und auch in Europa stehen die neuen Medikamente bereits 2014 zur Verfügung.
Die Behandlung erfolgt in Kombination mit Ribavirin sowie mit oder ohne das nebenwirkungsreiche Interferon. Die Behandlungsdauer verkürzt sich dank der neuen Wirkstoffe auf zwölf Wochen und die Erfolgsraten liegen zwischen 60 Prozent (bei schweren Vorschäden der Leber, z.B. Zirrhose, oder bei weiteren Virusinfektionen) und 95 Prozent (ohne zusätzliche Erkrankungen vor Therapiebeginn).
Ein vorsichtiger Blick in die Zukunft

Eventuell überholtes Aufklärungsposter aus den USA: Mehr als 95 Prozent Heilung möglich dank neuer Medikamente
"Es ist vorstellbar, dass es in fünf Jahren wie bei der HIV-Therapie Kombinationspräparate gibt, die einmal täglich als Tablette eingenommen werden und die aber im Gegensatz zur HIV-Therapie zur Heilung führen können", meint der DGIM-Vorsitzende. Ein Problem sieht der Experte jedoch zukünftig darin, alle Menschen zu finden, die mit dem Virus infiziert sind und von einer Therapie profitieren würden: "Denn eine Hepatitis C kann Jahrzehnte lang beschwerdefrei und unbemerkt verlaufen."
"Hepatitis C ist in Deutschland die häufigste Ursache für eine Lebertransplantation, und die frühzeitige Behandlung könnte die Warteliste deutlich entlasten", sagt Prof. Manns. Im Prinzip könnte das Hepatitis C-Virus durch die Behandlung aller Infizierten weltweit ausgerottet werden, wie etwa das Pockenvirus. Damit ist allerdings nicht zu rechnen. Die Behandlung sei kostspielig und für viele Länder, insbesondere der Dritten Welt, derzeit nicht finanzierbar. Andererseits ist die Hepatitis C aber gerade in diesen Ländern sehr häufig.
Zumindest für Deutschland sehr viel euphorischer blickt Dr. Cornberg abschließend in die Zukunft: "Bis 2030 könnte die Hepatitis C bei uns erledigt sein. Vorausgesetzt, wir finden alle Patienten mithilfe neuer Diagnoseverfahren."
Die Risikogruppen zu informieren und über mögliche Ansteckungsrisiken aufzuklären, ist sicher der richtige Anfang, um im zweiten Schritt auf Hepatitis C untersuchen zu können. Die Erkrankung ist dank der neuen Medikamente kein Schicksal mehr, sondern kann wohl zukünftig in vielen Fällen tatsächlich geheilt werden.
Mehr zum Thema:
» Hepatitis C: Rotes Blut und weißer Staub (11.08.2008)















Jeder dieser gewaltigen medizinischen Fortschritte erfreut mich sehr und das Tolle daran ist, dass sich jeder Durchbruch potenzieren kann, weil er die Grundlage für weitere Erfolge bietet. Das Blockieren vom Enzymen in Viren kann theoretisch so ziemlich alles Bekämpfen.
Das wird das Leben von Tausenden retten.
Hoffe wirklich, dass wir damit Hepatitis wenigstens in Europa auslöschen können.
Ich bin sehr optimistisch, dass viele der schlimmen Krankheiten recht bald heilbar sein werden. Nur eine gewisse Befürchtung habe ich schon länger: sobald HIV heilbar ist oder es eine Impfung gibt, werden sich die "kleinen" Geschlechtskrankheiten gewaltig ausbreiten!
Seien wir doch mal ehrlich: die meisten schützen sich zum größten Teil wegen den großen bösen drei Buchstaben. Wenn das keine Bedrohung mehr ist, werden das viele bleiben lassen.
Auf einen Schlag würde Syphilis, Tripper (der ja mittlerweile in manchen Formen nur noch extrem schwer zu behandeln ist, da die Stämme resistent sind), Herpes und diverse Warzen und Pilze (würg) eine große Ausbreitungswelle erfahren :(
Und generell möchte ich diese Stelle noch für eine Frage an die Runde richten:
Wie denkt ihr zu großangelegten Screening Aktionen und Pflichtimpfungen auf Staatsebene? Es gibt diverse Krankheiten, die problemlos ausgelöscht werden könnten, wie etwa die Pocken (eine der größten Leistungen des 20. Jh.).
Seit Jahrzehnten brechen ständig in immer wieder den selben Gegenden in Deutschland (ganz besonders in Westbayern) die Masern aus. Immer mal wieder flammt es auf, weil die Leute dort keine Impfungen durchführen. Wieso? Es gibt viele Länder, in denen gewisse Kinderimpfungen in der Schule als Pflicht oder per Opt-OUT Verfahren durchgeführt werden. In diesen Ländern sind entsprechende Krankheiten ausgestorben.
Ich kenne die rechtlichen Hintergründe extrem genau. Eingriff in die Körperliche Unversehrtheit, Freie Entfaltung etc. aber es gibt doch auch Grundrechtsschranken, wenn es einem höheren Gemeinwohl dient. Und die Ausrottung von Krankheiten ist schon ein hohes Ziel. Bei den Pocken ging es doch auch! Warum jetzt nicht mehr?
Was sagt ihr dazu? Individualrechte oder der lächerlich kleine Eingriff einer winzigen Nadel im Oberarm, zur Auslöschung ganzer Krankheiten und zum Gemeinwohl?