Allein die Erwähnung von Homosexualität kann in Litauen bereits zum Verbot führen
Das baltische Land hat ein Märchenbuch als schädlich für Kinder eingestuft, weil darin "Propaganda für Homosexualität" vorkomme.
Eine litauische Ethikbehörde hat am Mittwoch das Märchen-Lesebuch "Gintarine sirdis" (Bernsteinherz) für Kinder unter 14 Jahren verboten, weil darin auch Geschichten über gleichgeschlechtliche Paare vorkommen. Das verstoße gegen ein 2010 in Kraft getretenes Gesetz, das "Propaganda" für homosexuelle Beziehungen durch Behörden und Medien verboten hatte (queer.de berichtete).
Das Buch enthalte "schädliche, primitive und zielgerichtete Propaganda für Homosexualität", erklärte die Behörde. In dem Buch kommen auch Geschichten über Liebesbeziehungen zwischen Schwarzen und Weißen oder über die Akzeptanz von anderen Minderheiten vor.
Nach der Entscheidung ist es schwieriger, das Buch zu erhalten: So musste es sogar aus der Bibliothek der Litauischen Universität für Bildungswissenschaften entfernt werden, die das Werk herausgebracht hatte.
"Eklatanter Verstoß gegen EU-Werte"
Die Europaabgeordnete Sophie in't Veld fordert die EU-Kommission auf, gegen das Verbot vorzugehen
Scharfe Kritik an dem Verbot erntete das EU-Land von der LGBT-Intergroup im Europäischen Parlament. "Das ist ein eklantanter Verstoß gegen EU-Werte", erklärte die liberale Europaabgeordnete Sophie in't Veld aus den Niederladen, die auch Vize-Chefin der LGBT-Intergroup ist. Die EU garantiere den freien Zugang zu Informationen und die Meinungsfreiheit. "Das schließt auch Märchen ein", so in't Veld. Sie forderte eine Reaktion der Europäischen Union: "Die Kommission kann nicht länger ein Auge zudrücken, sie muss jetzt handeln".
Die grüne Europaabgeordnete Ulrike Lunacek aus Österreich mutmaßte, dass Litauen jetzt auch "Schweewitchen" verbieten müsste, weil in dieser Geschichte sogar sieben Männer zusammenleben. "Wir werden uns dieser Sache annehmen, sobald die Europawahl vorüber ist", versprach Lunacek.
Das homophobe "Propaganda"-Gesetz war vor vier Jahren vom Parlament in Vilnius beschlossen worden, wenn auch nach internationalen Protesten in abgeschwächter Form. Es verbietet nun vor allem Schulen und Bibliotheken Materialien, die "sexuelle Beziehungen von Minderjährigen ermuntern, die Familienwerte verunglimpfen oder ein Konzept von Ehe und Familie fördern, das nicht in der Verfassung vorgesehen ist". Damit ist es dem britischen Gesetz "Section 28" und seiner abschreckenden Wirkung auf Lehrer und Bibliothekare ähnlich. In Großbritannien war die "Propaganda" für Homosexualität an Schulen zwischen 1988 und 2003 verboten.
Eine Antrag auf Verschärfung des Verbots der Homo-"Propaganda" wurde erst im März im litauischen Parlament verschoben (queer.de berichtete). Dem Entwurf nach sollten Formen der "Verachtung der Familie" mit Geldstrafen belegt werden. (dk)