Der katholische Priester Adam (Andrzej Chyra) bekämpft seine eigene Homosexualität mit kalten Duschen in der Nacht und stundenlangem Laufen durch den Wald (Bild: Edition Salzgeber)
Ab Donnerstag im Kino: Neben einem erfreulich lebensnahen Beitrag zum Dauerbrenner Homosexualität und Kirche bietet der diesjährige Teddy-Gewinner "Im Namen des…" unfassbar poetische Bilder.
Von Michael Thiele
Nach dem Drogentod eines Jungen in seiner Warschauer Gemeinde, der womöglich nie ganz aufgeklärt werden wird, wird Priester Adam in die polnische Provinz versetzt. Dabei soll er nicht nur für die Gläubigen vor Ort da sein, sondern auch ein Gemeindezentrum für schwer erziehbare Jungs aufbauen. Dass das wirklich Not tut, beweist der erschreckend derbe, grobe Umgang der Jugendlichen untereinander. Doch für Adam scheint es gut zu laufen. Zusammen mit dem Lehrer Michał bringt er die Gruppe voran, jeden Sonntag strömt die Gemeinde in den Gottesdienst des charismatischen Kirchenmannes.
Aber dann kippt die Stimmung. Der seltsam verschlossene Łukasz sucht abseits der Gruppe die Nähe zu Adam, Neuzugang Adrian provoziert ihn, ein anderer Junge erhängt sich, nachdem er Adam gebeichtet hat, dass er auf einer Party einem Typen einen geblasen hat. Michał, der nichts Gutes ahnt, sucht schließlich Adams Vorgesetzten auf.
Ein großartiges, aufwühlendes Drama
Priester Adam wird von seinen unterdrückten Sehnsüchten übermannt (Bild: Edition Salzgeber)
Mit "Im Namen des…" kommt ein großartiges, aufwühlendes Drama in die Kinos, das einen klugen, emotionalen und lebensnahen Beitrag zum Thema (katholische) Kirche und Homosexualität leistet. Denn während sich die Debatte in den letzten Jahren in Schlagworten wie Täter und Opfer, Missbrauch und Kirchenaustritt sowie den roten Lackschühchen von Papst Benedikt erschöpfte, setzt "Im Namen des…" ganz basal an: beim alltäglichen Leben, Arbeiten und Empfinden eines homosexuellen Priesters.
Dieser ist mit Andrzej Chyra, einem der populärsten Schauspieler Polens, bestens besetzt. Die Rolle des leidenden Priesters passt ihm wie eine zweite Haut. Auch die Figur seines Freundes Łukasz, gespielt von Mateusz Kościukiewicz, der übrigens mit Regisseurin Małgorzata Szumowska verheiratet ist, überzeugt, und ist darüber hinaus auch etwas fürs Auge: Mit seinem langen, strähnigen Haar und seinen abgefuckten Hipster-Klamotten könnte er durchaus an einem Ashton-Kutcher-Lookalike-Contest teilnehmen.
Ausgezeichnete Story und poetische Aufnahmen
Bundesweiter Kinostart ist am 15. Mai 2014
"Im Namen des…" lief bereits erfolgreich auf der Berlinale 2013, wo er sowohl den Teddy-Award als bester Spielfilm als auch die Else, den LeserInnenpreis der "Siegessäule", erhielt. Auch auf anderen Filmfestivals wurde er prämiert, etwa mit dem Jurypreis der Lesbisch-Schwulen Filmtage Hamburg. Grund dafür sind aber nicht nur die ausgezeichnete Story und die starken Darsteller, sondern vor allem die poetischen Aufnahmen von Kameramann Michał Englert, die "Im Namen des…" zu einem 96-minütigen Bilderrausch machen.
Da ist das gelbe Flimmern der Sonnenstrahlen zwischen schwer behangenen Wäscheleinen. Da ist die Trostlosigkeit der Provinz mit ihren halb verfallenen Häusern und den dichten Staubwolken in den Straßen. Da sind neblig blaue Wälder mit langen, dürren Baumstämmen – wohlgemerkt nur Stämme, die Kronen und damit einen Ausweg aus Adams Dickicht sieht man nicht. Das trübe Wasser eines Waldsees, in dem die Kamera halb unter der Wasseroberfläche schwimmt. Meterhohe Maisfelder in der Abenddämmerung.
Das Erschreckende: Trotz dieser sommerlich flirrenden Bilder verströmt Szumowskas Film eine ungeheure Kälte. Nach getaner Arbeit ist Adam so entsetzlich allein mit seinen Gefühlen. Seine Lust versucht er sich auszutreiben mit kalten Duschen in der Nacht, mit stundenlangem Laufen durch die Wälder, angetrieben von der Musik, eisige Geigen, die an Klaus Nomis "Cold Song" erinnern.
Youtube | Offizieller deutscher Trailer zum Film
Infos zum Film
Im Namen des… (Originaltitel: W imię). Drama. Polen 2012. Regie: Malgorzata Szumowska. Darsteller: Andrzej Chyra, Mateusz Kosciukiewicz, Lukasz Simlat, Maja Ostaszewska, Maria Maj, Tomasz Schuchardt, Kamil Adamowicz, Mateusz Gajko. Laufzeit: 96 Minuten. Sprache: deutsche Synchronfassung. Bundesweiter Kinostart: 15. Mai 2014. Verleih: Edition Salzgeber
Das Drama kann mensch sich sparen - im doppeltem Sinne.