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Debatte im Bundestag
Sukzessivadoption: Regierung gewährt ein bisschen mehr Rechte
- 22. Mai 2014 5 Min.

Harald Petzold hatte sich zu seiner Rede extra passend angezogen - und sorgte für hohen Blutdruck in den Reihen von CDU/CSU (Bild: Parlamentsfernsehen)
Die Union argumentiert weiter, dass Homosexuelle gefährlich für Kinder sein können und empört sich darüber, dass ein Oppositionsabgeordneter die homofeindliche Haltung mit der Politik Putins vergleicht.
Von Dennis Klein
"Immer wieder geht es eigentlich nur um eine Frage: Diskriminiert man oder tut man es nicht?" – So argumentierte der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs in Richtung Union. Für die fortgesetzte Ablehnung der völligen Gleichstellung "sollten Sie sich was schämen". Starke Worte für die Gleichstellung – allerdings fielen diese Äußerungen nicht bei der heutigen Bundestagsdebatte über die Sukzessivadoption, sondern schon vor neun Monaten bei der letzten großen Debatte um Homo-Rechte im Bundestag (queer.de berichtete). Damals hatte die Union noch mit der FDP regiert und die Sozialdemokraten wurden immer fuchsteufelswild, weil die Regierung einfach nicht die Gleichstellung voranbringen wollte.
Inzwischen hat es sich die SPD auf den Regierungsbänken bequem gemacht -und ist in der Frage der Gleichstellung ein wenig relaxter geworden. Zumindest gibt es keinen Appell mehr an die Union, sich für Diskriminierungspolitik zu schämen. Auch nicht bei der Debatte am frühen Freitagabend, in der der Bundestag wieder einmal das Thema Adoptionsrecht beriet, während vor dem Kanzleramt der LSVD für gleiche Rechte demonstrierte.
Die Bundesregierung beantragte lediglich, die Minimalforderung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2013 umzusetzen (PDF des Gesetzentwurfs). Und das auf den letzten Drücker: Karlsruhe hatte Berlin bereits Anfang 2013 verpflichtet, bis Ende Juni dieses Jahres eine verfassungskonforme Neuregelung zu verabschieden und eingetragenen Lebenspartnern das Recht auf Sukzessivadoption zu verschaffen.
Sukzessivadoption bedeutet, dass ein eingetragener Lebenspartner das bereits adoptierte Kind seines Partners mitadoptieren kann. Faktisch können damit Homo-Paare gemeinsam Kinder adoptieren, müssen aber mehr bürokratische Hürden überwinden als Heterosexuelle, was zu einer zeitweisen Rechtsunsicherheit führt.
Aus diesem Grund brachten die Grünen eine Gesetzesvorlage (PDF) ein, die eingetragene Lebenspartnerschaften in dem Bereich komplett mit heterosexuellen Ehen gleichstellen sollte. Zudem verlangte die Fraktion in einem weiteren Gesetzentwurf (PDF) die Ratifizierung des Europaratsvertrags über die Adoption von Kindern in der neuesten Fassung von 2008. Derzeit hat Deutschland nur die Fassung von 1967 ratifiziert, der gemeinsame Adoptionen nur Eheleuten erlaubt. Zu guter Letzt brachten die Grünen auch einen Änderungsantrag (PDF) ein, mit dem der Regierungsentwurf so umgeschrieben werden soll, dass die Gleichstellung erreicht wird. Über diesen wurde namentlich abgestimmt.
111 für Gleichbehandlung, 432 dagegen

Vor dem Kanzleramt demonstrierten LGBT-Aktivisten nach einem Aufruf des LSVD für die Gleichstellung – sie fanden kein Gehör (Bild: LSVD)
Um es vorweg zu nehmen: Die Bundesregierung lehnte sämtliche Oppositionsvorschläge ab. Bei der namentlichen Abstimmung votierten 111 Abgeordnete dafür, Homosexuelle im Adoptionsrecht gleichzustellen, 432 Parlamentarier waren aber dagegen. Es gab 20 Enthaltungen. Damit gab es nur wenige Abweichler in den Reihen der Großen Koalition.
Bei der Debatte hatte vor allem der erste Redner auf Konfrontation gesetzt: Harald Petzold von der Linksfraktion erschien in Regenbogenkrawatte und mit roter Schleife am Revers und wollte es den Granden von Union und FDP richtig zeigen: Ihre Politik sei "eine einzige Enttäuschung, vor allem für die Betroffenen", so sein Urteil. Bei der "kruden Argumentation" der Union sei es "nur ein ganz kleiner Schritt" zu Wladimir Putin, der vor wenigen Monaten ein Adoptionsverbot gegen ausländische Schwule und Lesben verhängt hatte (queer.de berichtete).
Das führte zu ungewohnter Aufregung in den Reihen der Konservativen. Von seinem Platz brüllte Unionsfraktionschef Volker Kauder mit seinem typisch süddeutschen Zungenschlag: "Was bilden Sie sich eigentlich ein?", woraufhin Petzold den Ratschlag gab: "Vergessen Sie das Atmen nicht, Herr Kauder". Den Homo-Gegnern empfahl er den Film "The Kids Are Alright", der gerade in 3-Sat gezeigt worden war. Ohnehin sei die Zeit von Kauder und Co. bald abgelaufen: "Sie halten uns nicht auf. We are unstoppable". Damit zitierte Petzold die Siegesrede von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest.
CDU: Debatte "nicht missbrauchen"

Sabine Sütterlin-Waack (CDU) setzt die Tradition fort, vor Homosexuellen als Gefahr für Kinder zu warnen (Bild: Parlamentsfernsehen)
Die Union tat in ihrem beiden Reden aber weiterhin so, als ob Homosexuelle generell eine Gefahr für Kinder seien. So belehrte die schleswig-holsteinische Abgeordnete Sabine Sütterlin-Waack das Parlament, dass es hier "um die schwächsten der Gesellschaft" gehe und man die Debatte "nicht als Vehikel für die Gleichstellung homosexueller Paare missbrauchen" dürfe. Homosexuelle hätten kein Recht auf ein Kind, so die Rechtsanwältin. Es sei auch nicht ungefährlich, "Kinder in eine für sie unbekannte homosexuelle Partnerschaft zu geben", weil Homosexuelle immer noch diskriminiert werden würden – und das könne man Kindern nicht zumuten. Die Kleinsten müssten "durch Ausschluss aller denkbaren Risikofaktoren" – wie offenbar Homosexualität – geschützt werden. In die selbe Kerbe schlug später auch der CSU-Politiker Volker Ullrich, als er allen Ernstes anmerkte: "Wir haben keinen Diskriminierungswillen. Wir haben den Willen, die Rechte von Kindern zu verbessern".
Ulle Schauws von den Grünen erwiderte dagegen, dass natürlich das Kindeswohl "Maßstab" für alle Entscheidungen sei. "Wie groß ist die Abneigung bei ihnen gegenüber Lesben und Schwulen?" fragte sie in Richtung Union. "Es geht hier um Ihre Angst, dass Menschen die ganz normal lesbisch und schwul leben, […] mit der traditionellen Ehe auf die gleiche Augenhöhe kommen. Es geht hier schlicht um Homophobie".
Der SPD blieb nur übrig, an die Union und die Opposition zu appellieren. "Wir werden die bestehenden Diskriminierungen von gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften – auch wenn Sie das nicht glauben – beenden", so der SPD-Politiker Karl-Heinz Brunner in Richtung Grüne und Linke. In Richtung Koalitionspartner kündigte er an: "Wir wollen die Gleichstellung ohne Wenn und Aber und wir werden nicht locker lassen".
Und dann hielt Johannes Kahrs noch eine kämpferische Rede, in der er aber vor persönlichen Angriffen auf die Union zurückschreckte. "Entweder man ist gleich oder man ist es nicht", erklärte der Hamburger. Und weiter: "Es gibt kein Recht auf ein Kind: Es geht uns nur darum, dass man gleich behandelt wurde, dass man sich auch bewerben kann wie jeder andere, fachlich entscheidet das sowieso das Jugendamt. […] Es geht in dieser Frage um Gleichstellung." Darum werde er auch dem grünen Änderungsantrag zustimmen.
Weiter appellierte der SPD-Fraktionssprecher für Schwulen- und Lesbenpolitik an Unions-Fraktionschef Kauder, das Thema einfach "abzuräumen": "Die Gesellschaft hat sie überholt". Am Ende seiner Rede brachte er noch einen persönlichen Appell ein: "Ich hab mich nie entschieden, homosexuell zu sein. Aber ich bin es und möchte gleichberechtigt sein". Die Union lehnt das aber weiterhin ab – und das, ohne sich zu schämen.















die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften schlechter stellen, werden wir
beseitigen." Der SPD ist der Diskriminierungswunsch der Union wichtiger als der Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz. Um den Koalitionspartner Union zufrieden zu stellen stimmte die SPD heute im Bundestag für die Aufrechterhaltung eines verfassungswidrigen Zustandes.