Rosa Opossum kämpft gegen Homophobie und will "zumindest mit Worten draufhauen": Beim CSD Darmstadt 2013 zeigte sie, was sie darunter versteht (Bild: Andreas Kelm)
Es spricht nichts dagegen, sich zum CSD aufzufummeln. Drag Queens sollten jedoch ihre Macht nutzen, um politisch Flagge zu zeigen. Ein Kommentar.
Von Rosa Opossum
Ich freue mich jedes Jahr auf die CSD-Saison wie ein kleines Mädchen auf Weihnachten. Ohne lange herumzureden: Ich feiere wirklich richtig krass gerne. Ich mag es, draußen bei Live-Musik Sekt und Bier zu trinken, ich werde gerne fotografiert und guck mir mit Leidenschaft halbnackte Leute in verrückten Outfits an. Aber der CSD ist für mich auch ein Tag, an dem ich auf dem Demozug etwas sagen will.
In den letzten Jahren habe ich mir mit Freunden große Teile der homosexuell veranlagten Demo-Paraden angesehen, bevor wir uns selbst mit unseren Schildern eingereiht haben. Natürlich liegt das Hauptaugenmerk einer Tunte auf den Schwestern, die ebenfalls im Fummel mitlaufen. Es sind immer wieder ganz wunderbare Outfits dabei, tolle Kostüme und Frisuren aus extraordinären Materialien, im letzten Sommer vielleicht ein bisschen inflationär viele Feen- und Engelsflügel, aber was soll man machen. Man sieht, wieviel Liebe zwischen Taft und Paillette steckt, und wie intensiv sich die Mädels darauf vorbereiten, sich über mehrere Kilometer zu Fuß oder gemütlich im Cabrio sitzend der Masse zu präsentieren.
Ich frage mich aber auch: Warum macht ihr das?
Es ist politisch, als Mann in Frauenkleidern zum CSD zu kommen
Rosa Opossum ohne Transparent: Die Drag Queen und Travestiekünstlerin kommt aus Darmstadt
Um es vorweg ganz klar zu sagen: Ich habe den allergrößten Respekt vor jedem, der bei einem CSD mitläuft. Gerade dann, wenn er sich auffummelt oder sich zumindest gendermäßig ein bisschen uneindeutiger zeigt, als uns von der Gesellschaft diktiert wird. Es steckt schon viel Politik darin, wenn ein Mann in Frauenkleidern die Straße runter läuft.
Aber das kann nicht der einzige Antrieb sein, oder? Ich quäle mich doch nicht morgens um halb sieben vor den Spiegel und pappe mir diese verdammt widerspenstigen Plastikwimpern auf die Lider, lasse mich von drei Leuten in ein verdammt aufwendig gestaltetes Kleid zwängen und renne dann nassgeschwitzt und viel zu spät zum Aufstellungsort, nur um angesehen und von dutzenden Handykameras aufgenommen zu werden?
Ist das die Mühe wert, als Beispielbild für eine "kunterbunte Schrill-Parade" im Online-Fotoalbum von Regionalzeitungen aufzutauchen? Warum nutzen wir unser Potenzial und die Macht, die wir haben, nicht aus?
Drag Queens und Fummeltrinen zwischen München und Hamburg machen Jahr für Jahr viel dafür, möglichst oft fotografiert zu werden. Dementsprechend werden wir auch mehr gesehen, geknipst und veröffentlicht als die meisten anderen CSD-Teilnehmer, die vielleicht wirklich zum Demonstrieren gekommen sind.
Wenn jede von uns ein Schild in der Hand hielte, ein Banner oder eine richtig toll zum Outfit passende Schärpe tragen und sagen würde, was sich in dieser Gesellschaft verändern soll, würden wir aus einer Parade ein Stück mehr Demonstration machen. Dies würde unserem Auftritt mehr Bedeutung verliehen als allein diese schmerzhafte, verschwitzte und unheimlich kurzlebige Illusion von Glamour, nur weil für zwei Stunden jeder unserer Schritte von allen Seiten mit einer Kamera festgehalten wird.
Wir wissen alle, dass abseits der Paradestrecke das Leben als Tunte ganz anders aussieht. Oder ist noch keine von uns trotz geilem Lidschatten schon saublöd angemacht oder bedroht worden? Hatte noch keine von uns ein komisches Gefühl, frühmorgens allein auf dem Bahnsteig zu stehen? Warum das nicht einfach mal sagen? Warum nicht mal aussprechen, wie viel Protest in dem steckt, was wir verkörpern?
Drag Queens, nackte Haut und schrille Vögel machen den CSD bunt
Das passende Schild zum Outfit: giftgrüne Polittunte beim Berliner CSD 2013 (Bild: Norbert Blech)
Ich liebe die CSDs, weil sie so kontrastreich sind. Drag Queens, nackte Haut und schrille Vögel machen Demo-Paraden ein Stück weit bunter und liefern dem Publikum natürlich auch genau das, was es von uns erwartet: Gemäß der Tradition machen wir das, wofür man uns für pervers hält, am allerliebsten und liefern den Betonköpfen mit Stock im Arsch einen weiteren Grund, sich über uns zu ärgern. Gleichzeitig bedienen wir die Voyeuristen mit einer sexuell aufgeladenen Freakshow.
Dennoch: Die CSD-Paraden gehören uns! Und wir sollten entscheiden, was hier passiert und was aus ihnen gemacht wird. Nicht nur wenn man die Überschriften in den Zeitungen liest und die Klickstrecken im Internet ansieht, sondern auch wenn man sich Teilnehmende auf der Parade anguckt, scheint es nur noch darum zu gehen, einer breiten Masse zu gefallen und sich so aufzufummeln, dass man Bewunderung und den Triggerfinger der Fotografen auslöst.
Wieviel hat das, was jeder einzelne von uns beim CSD präsentiert, eigentlich noch mit ihm zu tun? Was wir wirklich mit Gay Prides und vor allem unseren Paraden erreichen wollen, scheint in den Hintergrund zu rücken. Wir müssen uns bewusst machen, wer unsere Gegner sind, und uns denen deutlich entgegen stellen. Wenn moralinsaure Spießer glauben, dass wir den Verfall irgendwelcher Werte darstellen, dann soll die CSD-Parade auch genau das sein!
Immerhin waren es auch und vor allem die Drag Queens in der Christopher Street, die sich an vorderster Front gegen die Bullenschikane gewehrt haben. Was heute bei den Gay Prides gefeiert wird, wurde durch jene erreicht, die eben nicht mit Schlips und Krawatte um ein bisschen mehr Rechte gebettelt haben, sondern laut und schlagkräftig waren.
Lasst uns als Erben nicht vergessen, wo wir herkommen und zumindest mit Worten draufhauen! Es geht um mehr als das bisschen Glamour!
Unsere Autorin
Rosa Opossum ist Drag Queen und Travestiekünstlerin aus Darmstadt. "Die Kunst, nicht allein das 'dazwischen' von Männlichkeit und Weiblichkeit zu zeigen, sondern etwas darüber hinaus zu verkörpern, war der Anreiz, mich auch in den erlesenen Kreis der Transen einzureihen", sagt sie über sich selbst.
Nein, es ist albern und peinlich. Vielleicht in den 70er Jahren, aber heute nicht mehr. So wird man nicht ernst genommen sondern spielt allenfalls den Clown für das hetero-publikum.