Soviele Schilder und Transparente wie auf der Demo des Aktionsbündnisses dürfte es bei einem Berliner CSD seit langem nicht mehr gegeben haben (Bild: Dominik Dierich)
Gleich drei CSD-Demos zogen am Samstag durch die Hauptstadt. Die Massen blieben dem Ur-CSD treu, der Marsch des Aktionsbündnisses war eher traurig. Überraschungsteilnehmer beim Kreuzberger CSD war Thomas Hitzlsperger.
Von Micha Schulze
Die übergroße Mehrheit der Lesben und Schwulen marschiert zum Berliner CSD lieber zu hämmernden Beats mit der Deutschen Bank und Daimler als mit Transparenten, dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit und Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Allein die Menschenmenge, die am Nollendorfplatz auf den Marsch der Berliner CSD e.V. wartete, war größer als die Gesamtteilnehmerzahl bei der Demo des neugegründeten Aktionsbündnisses.
Offensichtlich war der Streit unter den Berufs-LGBTs, der zur Abspaltung führte, trotz nachvollziehbarer Gründe dem gemeinen Homo schwer zu vermitteln: Nur 2.000 bis 3.000 Menschen versammelten sich um 12 Uhr mittags vor der Ugandischen Botschaft zum Start des Aktionsbündnis-CSDs – mit dabei neben Wowereit und Schwesig alle großen Parteien außer den Piraten, der Deutsche Gewerkschaftsbund, der LSVD und die Berliner Aids-Hilfe. Die S/M-Gruppe Quälgeist fiel da schon deutlich aus dem Rahmen.
Punktsieg bei politischen Schildern und Transparenten
Die schönsten Outfits gab es wie eh und je auf der Parade der Berliner CSD e.V. (Bild: Dominik Dierich)
Das Flair erinnerte etwas an einen CSD in Düsseldorf oder Dresden. Alles ging etwas kleiner und gesitteter zu – und man zeigte Mut zu Inhalten. Einen Punktsieg bei politischen Schildern und Transparenten konnte das Aktionsbündnis auf jeden Fall für sich verbuchen.
Auch einen Mini-Eklat gab es: "Die SPD auf dem CSD: Pure Heuchelei" hieß es auf einem Transparent neben dem Riesen-Truck der Sozialdemokraten. Die CDU durfte dagegen protestfrei mitrollen.
Dank CSD-Pendlern wuchs der Marsch auf dem Weg in Richtung Nollendorfplatz noch etwas an (die Veranstalter selbst glaubten 10.000 Menschen gesehen zu haben), doch die Abschlusskundgebung in der Motzstraße fiel wegen des einsetzenden Regens buchstäblich ins Wasser. Nicht einmal hundert Menschen lauschten am Ende der alkoholisierten Moderation von Jurassica Parka und Gloria Viagra, die es auf der Bühne nicht lassen konnten, gegen den Berliner CSD e.V. zu ätzen.
Nackedeis und Zugedröhnte beim Ur-CSD
Das schlechte Wetter versaute zwar auch den krönenden Abschluss der Parade des Berliner CSD e.V. an der Siegessäule, doch allein auf dem Kurfürstendamm marschierten deutlich über 100.000 Menschen. Die Demo mit 30 Trucks war laut und bunt wie eh und je, wenn auch etwas kleiner als in den Vorjahren. Die großen Partyveranstalter GMF und Propaganda hielten dabei dem Ur-CSD die Treue.
Die Teilnehmer waren im Durchschnitt jünger als beim Aktionsbündnis, deutlich mehr aufgefummelt, einige wenige komplett nackt und manche auch ordentlich zugedröhnt. Ironie der Geschichte: Das Stonewall-Konzept, dass den CSD politischer machen sollte, führte nun ausgerechnet dazu, dass politische Botschaften – mit Ausnahme an den offiziellen Veranstalterwagen – zur Mangelware wurden.
"Analverkehr statt Kapitalverkehr" in Kreuzberg
Suchte sich für sein CSD-Debüt den links-alternativen Kreuzberger CSD aus: Ex-Fußballprofi Thomas Hitzlsperger (li.) mit Begleitung (Bild: Dominik Dierich)
Als wahre Alternative zum "kommerziellen CSD" entpuppte sich da der Kreuzberger CSD, der sich erst um 16 Uhr am Oranienplatz in Bewegung setzte und in Trippelschritten die kurze Strecke zum Heinrichplatz zurücklegte – mit deutlich mehr Teilnehmern als beim Aktionsbündnis. "Analverkehr statt Kapitalverkehr", stand etwa auf den wenigen Schildern – in der Oranienstraße hielt man lieber die Bierflasche oder den Joint in der Hand. Drei notdürftig dekorierte Laster spielten Punk und Songs aus der Rocky Horror Picture Show und hielten die Teilnehmer bei Laune.
Passend zum Motto "Die Oranienstraße ist keine Einbahnstraße – und Solidarität auch nicht" wurde die Abschlusskundgebung auf Deutsch und Türkisch moderiert. Doch auch in Kreuzberg setzte der Regen ein – und so war auch der prominenteste Teilnehmer der alternativen Demo schnell wieder verschwunden. Mittenmang zwischen die schwarzen Kapuzenpullis, Lederjacken und bunten Haare hatte sich ausgerechnet Thomas Hitzlsperger gemischt, mit netter Begleitung. Das Witzige dabei: Nur wenige haben den Ex-Fußballprofi hier überhaupt erkannt.
twitter.com/ThomasHitz
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