Bei Demonstrationen gegen den Bildungsplan in Stuttgart werden Homosexuelle immer wieder als Sünder oder Kinderschänder diffamiert (Bild: gk)
Eine Untersuchung des baden-württembergischen Sozialministeriums zeigt, dass nur eine Minderheit der LGBT-Community in den letzten Jahren von Diskriminierungen verschont geblieben ist.
Mehr als die Hälfte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern ist in Baden-Württemberg in den vergangenen fünf Jahren mindestens einmal Opfer von Diskriminierung geworden. Das ist das erste Ergebnis einer von Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) in Auftrag gegebenen anonymen Onlinebefragung zur Lebenssituation von LGBT im Ländle mit mehr als 2.000 Teilnehmern. Altpeter stellte die Ergebnisse am Dienstag auf dem Empfang der Landesregierung anlässlich des CSDs im Neuen Schloss in Stuttgart vor.
Die Ministerin sieht in den Ergebnissen eine klare Aufforderung, Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Identität konsequent abzubauen: "Viele Menschen haben den Eindruck, dass es bereits eine völlige Gleichstellung zwischen heterosexuellen und nicht-heterosexuellen Menschen in unserer Gesellschaft gibt – das ist jedoch nicht der Fall. Deshalb erarbeiten wir zurzeit unter der Federführung des Sozialministeriums einen Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte, mit dem wir Baden-Württemberg zu einem Vorreiter für Offenheit und Vielfalt machen werden", sagte Altpeter.
Mit den Ergebnissen der Onlinebefragung liegen erstmals Daten zur Lebenssituation von LGBT in Baden-Württemberg vor. Sie würden nach Angaben der Ministerin in die weitere Arbeit am Aktionsplan für Akzeptanz einfließen, der noch in diesem Jahr vom Kabinett beschlossen werden soll. Ähnliche Projekte sind bereits in Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein angelaufen. Zuletzt hatte Schwarz-Grün in Hessen einen Aktionsplan angekündigt (queer.de berichtete).
Diskriminierung besonders in Öffentlichkeit und Familie
Landessozialministerin Katrin Altpeter (SPD) warnt, dass die Gleichstellung noch lange nicht erreicht ist (Bild: Wiki Commons / Sven Teschke / CC-BY-SA-3.0)
Laut der Befragung haben 53 Prozent der lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen in den vergangenen fünf Jahren Diskriminierungen erfahren. Bei Trans- und Intersexuellen lag diese Rate mit 67 Prozent noch höher. Innerhalb beider Gruppen wurden Diskriminierungen am meisten in der Öffentlichkeit und in der Familie erlebt.
Transsexuelle berichteten zudem häufig über Herabwürdigungen im Freundeskreis (60 Prozent), im Gesundheits- und Pflegebereich (57 Prozent) sowie bei Behörden und Ämtern (52 Prozent). Unter "Diskriminierung" wurden in der Befragung verschiedene herabsetzende Handlungen zusammengefasst, wie beispielsweise Gaffen, Lächerlichmachen, verbale Angriffe, unfreiwilliges Outing, körperliche Gewalt oder Ausgrenzung und Kontaktabbruch.
Derzeit gibt es in Baden-Württemberg Widerstand gegen einen neuen Bildungsplan, weil dieser vorsieht, das Thema "sexuelle Vielfalt" fächerübergreifend im Unterricht zu behandeln. Für Samstag haben christliche Homo-Hasser bereits die vierte Demonstration angekündigt (queer.de berichtete). Auch die Oppositionsparteien CDU und FDP wollen verhindern, dass der Plan umgesetzt wird. Die Gegner der Gleichbehandlung feierten bereits einen ersten Erfolg, nachdem die Landesregierung im April angekündigt hatte, den Bildungsplan um ein Jahr auf die Zeit nach der Landtagswahl 2016 zu verschieben (queer.de berichtete). Kultusminister Andreas Stoch (SPD) erklärte damals jedoch, die Proteste hätten mit der Verschiebung nichts zu tun – es sei lediglich notwendig, weitere Praxistests durchzuführen. (dk)