Duldet Homophobie nicht als Meinungsäußerung: Die SPD-Politikerin Sylvia Bretschneider ist seit 2002 Präsidentin des Landtages Mecklenburg-Vorpommern (Bild: SPD Mecklenburg-Vorpommern)
Die Landtagspräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern duldete keine homophoben Äußerungen, entzog einem NPD-Abgeordneten das Wort und schmiss einen anderen aus dem Saal.
Von Micha Schulze
Die Landtagsdebatte am letzten Donnerstag im Schweriner Schloss war eigentlich ein Trauerspiel, eine unglaubliche Provinzposse. Die SPD stellte sich am Ende hinter CDU-Innenminister Lorenz Caffier und sein Verbot von Regenbogenflaggen an öffentlichen Gebäuden (queer.de berichtete). Der gemeinsame Antrag von Linken und Grünen hat Rot-Schwarz entlarvt: Der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern geht es eben doch um das Verhindern schwul-lesbischer Sichtbarkeit und nicht bloß um das rechtsstaatliche Befolgen einer Verordnung, denn genau diese wollte der Oppositionsantrag ja ändern.
Und doch war diese Landtagsdebatte historisch: Zum ersten Mal in einem deutschen Parlament hat eine resolute Parlamentspräsidentin schwulen- und lesbenfeindliche Redner in ihre Schranken gewiesen und deutlich gemacht, dass Homophobie keine Meinungsäußerung ist.
Dem NPD-Abgeordneten Michael Andrejewski entzog Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider (SPD) das Wort, seinen Fraktionskollegen David Petereit schloss sie von der Sitzung aus, NPD-Mann Stefan Köster stand nach drei Ordnungsrufen kurz davor.
NPD-Abgeordneter: "Die können sonstwo ihre Fahne hissen"
"Jetzt entziehe ich Ihnen erstmal das Wort, weil ich es nicht ertragen kann […], dass sie hier in einer Art und Weise menschenverachtend eine große Gruppe von Menschen diskreditieren durch die Art und Weise, wie sie hier vortragen", unterbrach Bretschneider den NPD-Politiker Michael Andrejewski inmitten seiner Rede und stellte ihm das Mikro ab. Der rechtsextreme Abgeordnete hatte zuvor über Lesben und Schwule gesagt: "Die können sonstwo ihre Fahne hissen, in ihrem Schrebergarten oder wo auch immer, aber eben nicht hoheitlich an öffentlichen Gebäuden. Und warum nur sie? Sind sie irgendwas Besonderes?"
Bretschneider wurde noch deutlicher: "Wenn Sie es wagen, im Landtag Mecklenburg-Vorpommern Menschen verächtlich zu machen, Menschen zu diskriminieren, nur weil sie eine bestimmte sexuelle Orientierung haben, dann werden wir das hier nicht hinnehmen", schrieb die Landtagspräsidentin dem NPD-Politiker Andrejewski ins Stammbuch und schickte ihn zurück auf seinen Platz. Zuvor forderte sie seinen unentwegt im Saal pöbelnden Fraktionskollegen David Petereit auf, seine "sieben Sachen zu packen".
Dem nachfolgenden NPD-Redner Stefan Köster blieb wegen der Kürze seiner Rede wohl dasselbe Schicksal erspart – er bekam von Bretschneider "nur" drei Ordnungsrufe. Dabei war er noch deutlich ausfallender als sein Vorredner: "Diese zum Glück verschwindend kleine Minderheit wird als Gegenstand dafür genommen, Rechtsbruch in Deutschland zu begehen", blökte Köster und fügte hinzu: "Realität ist aber, dass diese kleine Minderheit mittlerweile das Leben hier in der Bundesrepublik zu bestimmen versucht. […] Wir werden es nicht zulassen, dass eine Minderheit über das Wohl des Ganzen gestellt wird."
Auch hier intervenierte die resolute Landtagspräsidentin: "Ich verweise noch einmal darauf, dass nicht Sie darüber zu befinden haben, welchen Wert ein menschliches Leben besitzt."
Solche klaren Worte einer Parlamentspräsidentin sollten eigentlich selbstverständlich sein – sie sind es aber leider (noch) nicht. Sylvia Bretschneider hat deshalb unseren Homo-Orden mehr als verdient!
Youtube | Video von der Debatte: Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider lässt den homophoben NPD-Abgeordneten nichts durchgehen