V.l.n.r.: Pawel Lebedew mit rotem Schild, der jetzt Asyl beantragte, Iwan Jarzjew und Dimitri Chunosow sowie Christina Vantaa und ein Freund und Dolmetscher am Sonntag beim Kölner CSD (Bild: nb)
Pawel Lebedew war zum CSD nach Köln gereist – mit einem Regenbogenflaggenprotest machte er kurz vor Sotschi weltweit Schlagzeilen.
Von Norbert Blech
Ein russischer LGBT-Aktivist hat die Einladung zum Kölner CSD am letzten Wochenende dazu genutzt, um aus seiner Heimat zu flüchten. Der 24-jährige Pawel Lebedew stellte am Montag einen Asylantrag.
Lebedew hatte im Januar international für Schlagzeilen gesorgt, als er in seiner Heimatstadt Woronesch beim Vorbeilauf der Olympischen Flamme eine Regenbogenflagge ausbreitete und innerhalb von Sekunden durch Sicherheitspersonal von dem Protest abgehalten wurde (queer.de berichtete). Er wurde der Polizei übergeben und vorübergehend festgenommen.
Er war bereits zuvor mehrfach festgenommen worden, etwa bei einem wie üblich vorab nicht genehmigten CSD in Moskau 2012. Anfang 2013 war der junge Aktivist leicht verletzt worden, als bis zu 500 Gegendemonstranten auf einen kleinen LGBT-Protest in seiner Heimatstadt einprügelten (queer.de berichtete).
Youtube | Pawels Protest beim Olympischen Fackellauf in Woronesch
Gewalt und Verfolgung befürchtet
Pawel mit Polizisten am Sonntag am Rande der CSD-Parade in Köln (Bild: privat)
Lebedew war aufgrund seiner Aktionen mehrfach bedroht und verprügelt worden. Zuletzt hatte eine Gruppe Anfang Juni dem Aktivisten vor seiner eigenen Haustür aufgelauert und ihn und seinen Freund homophob beschimpft, geschlagen und getreten. Die beiden konnten letztlich in das Haus flüchten, seitdem hatte Lebedew aber aus Angst nicht mehr seine Wohnung betreten und bei Freunden übernachtet.
"Seit ich in Deutschland bin, fühle ich mich das erste Mal seit langer Zeit frei", sagte Pawel, der neben der Gewalt auch eine Verurteilung wegen seiner politischen Aktivitäten fürchtet, am Sonntag. Auf Facebook verbreitete er ein Bild von sich auf der CSD-Parade, zusammen mit zwei freundlichen Beamten der Kölner Polizei. Dass Polizisten einen Pride begleiten und schützen, ist in Ländern wie Russland keine Selbstverständlichkeit, sondern ein seltener Glücksfall.
Auf dem Foto und auf der Kölner CSD-Parade trug Lebedew ein Schild auf Englisch: "Mein erster Gay Pride ohne Angst". Bei der Demo wurde er unter anderem begleitet von der russischen Transgender-Aktivistin Christina Vantaa, die sich um Flüchtlinge kümmert und als solche bereits vor einigen Jahren anerkannt wurde, und von dem russischen Aktivisten-Paar Dimitri Chunosow und Iwan Jarzjew, das im Januar nach ihrer Hochzeit in Kopenhagen Asyl in Deutschland beantragt hatte (queer.de berichtete). Die Gruppe trug Schilder, auf denen ein Asylrecht für LGBT-Flüchtlinge gefordert wurde.
Komplizierte Verfahren ohne Asylgarantie
Pawel bei einer seiner Festnahmen in Woronesch im Januar
Nach Angaben von Wanja Kilber von Quarteera, der Organisation russischsprachiger LGBT in Deutschland, laufen derzeit rund 20 Asylverfahren homo- und transsexueller Russen in Deutschland. Bei einigen wenigen führte das Verfahren bislang zum Erfolg, in anderen wird auf die Einzelfallentscheidungen nach langem Verfahren mit offenem Ausgang gewartet (ein ausführliches Interview dazu). Zuletzt hatte Quarteera deutliche Kritik an dem deutschen Asylverfahren geübt (queer.de berichtete).
Lebedew landet nun zunächst im Aufnahmelager Friedland, wo es die ersten Gespräche mit den Behörden und Integrationskurse geben wird. Der Demoleiter des ColognePride, Jörg Kalitowitsch, hatte Lebedew nach Köln eingeladen und zusammen mit Freunden dafür Spenden gesammelt. Der Grünenpolitiker Volker Beck hatte sich zudem dafür eingesetzt, dass der junge Aktivist ein Visum erhält – die deutsche Botschaft hatte dies zunächst aus allen erdenklichen Gründen formal verweigert.
Der Austausch mit Freunden und Aktivisten am Wochenende hatte in Lebedew den kurzfristigen Entschluss reifen lassen, den Antrag zu stellen, so Kalitowitsch. Man werde ihn dabei nicht alleine lassen. Wer Pawel unterstützen möchte, kann sich per eMail an den ColognePride wenden.
Über das Outreach-Programm des Kölner CSDs konnten zudem weitere Aktivisten aus China und Russland an dem Pride teilnehmen. Auf beiden Bühnen des Straßenfests konnten sie am Wochenende von ihren Erfahrungen berichten – und können nun neue Erfahrungen mit in die Heimat nehmen.
Update 8.7., 16.10h:
Für Interessierte, die Pawel helfen möchten, gibt es nun die Facebook-Gruppe Wir helfen Pawel und ein Spendenkonto. Die Gruppe "Enough is Enough" hat zudem eine Spendenmöglichkeit per SMS eingerichtet, die allerdings nicht absetzbar ist. Wer allgemein LGBT-Flüchtlingen aus Russland helfen möchte, u.a. zur Finanzierung der benötigten Rechtsanwälte, kann auch – gegen eine Spendenbescheinigung – an Quarteera spenden.
Peinlich, peinlich für die deutsche Botschaft. Dem jungen, mutigen Aktivisten wünsche ich viel Erfolg bei seiner Integration in Deutschland.