Keine Annäherung am Mittwochabend in der Congresshalle Saarbrücken: Bischof Stephan Ackermann (re.) mit Moderator Christian Langhorst vom LSVD Saar (Bild: Robert Hecklau)
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann stellte sich öffentlich den Fragen von Lesben und Schwulen. Doch bei der Veranstaltung in Saarbrücken wurde klar: Er will nur verstanden werden, aber keine Veränderung.
Von Robert Hecklau
Ein Saal in pink erleuchtet, auf der Bühne Porträts von Lesben, Schwulen und Transgendern, die sich küssen, in den Armen halten, lieben. Mittendrin: der Trierer Bischof Stephan Ackermann, der sich den kritischen Fragen der Community stellt. Mehr als zwei Stunden lang spricht er am Mittwochabend in Saarbrücken vor 150 Menschen über Arbeitsrecht, Familie und Sex.
Der Abend beginnt mit großen Erwartungen. Leonie Holz singt "We can" von LeAnn Rimes. Ein Song, in dem es darum geht, Grenzen zu überwinden und Träume zu erreichen. Hoffnungen, die Ackermann zunächst auch erfüllt. Er liebe die Vielfalt, sagt er. Dem Auftaktgespräch sollten weitere "auf höherer Ebene" folgen, kündigt er schon zu Beginn an.
Doch wofür diese weiteren Gespräche dienen sollen, das wird offen bleiben, denn Ackermann macht deutlich, dass er an der katholischen Grundhaltung gegenüber Lesben und Schwulen nichts ändern will. Er sagt das nicht direkt, er versteckt es subtil in ausschweifenden Erklärungen. Das Publikum lässt ihm das nicht durchgehen, schon nach den ersten Minuten gibt es gereizte Zwischenrufe: "Komm' zum Punkt! Sie weichen aus!"
Ackermann kann Erwartungen nicht erfüllen
Einige der rund 150 Besucher hatten sich für das vom LSVD Saar organisierte "Date mit dem Bischof" zurecht gemacht (Bild: Robert Hecklau)
Doch Ackermann erinnert ein wenig an den amerikanischen Präsidenten: Er ist ein Typ für große Bühnen, sagt viel und meint doch wenig. Viele Zuschauern lauern und hoffen vielleicht auch ein wenig auf einen Ausrutscher, eine Äußerung, die ihnen "ihren" Bischof ganz persönlich zeigt, einen Menschen vielleicht, der entgegen der offiziellen Linie der katholischen Kirche eben doch ein Herz für Schwule und Lesben hat.
Denn Ackermann hat den Ruf, ein offener Bischof zur sein, Vor zwei Jahren besuchte er etwa in Trier spontan das dortige Schwulen- und Lesbenzentrum SCHMIT-Z (queer.de berichtete). Doch am Mittwochabend in Saarbrücken bleiben nur kleine Zugeständnisse, die Ackermann der Community präsentiert.
Einem Kind sei Vater und Mutter zu wünschen
Als es etwa um Regenbogenfamilien geht, wird Psychologin Dr. Elke Jansen via Skype zugeschaltet. Sie berichtet davon, dass Kinder in Regenbogenfamilien keinerlei Nachteilen ausgesetzt seien, im Gegenteil, dass sie in diesen Familien sogar gestärkt würden. Sie führt wissenschaftliche Studien an, setzt auf Argumente. Ackermann entgegnet, er sei auf dem Gebiet natürlich kein Fachmann – und bekommt spontanen Applaus, der sicher so nicht gewollt war. Immerhin, räumt er ein, sei es außer Frage, dass Kinder nicht nur mit Vater und Mutter wohl behütet aufwachsen könnten, sondern auch in anderen "Zusammenhängen", das sei nicht abzustreiten.
Allerdings, und damit relativiert Ackermann seine Aussage wieder, sei einem Kind Vater und Mutter zu wünschen, natürlich im Sinne des Kindeswohles. Auf irritierte Blicke antwortet er verständnislos: "Oder würden Sie sagen, das ist nicht so? Das würde ich abstreiten." Im Publikum entlädt sich das, was sich viele Worte lang aufgestaut hat. Er lebe dieses Ideal doch selbst nicht, wird der Bischof angeschrien. Ackermann entgegnet, das hätte er auch nicht behauptet.
Bischof Ackermann, die Ordnung und der Sex
Etwas offener wird er, als es um Sexualität geht. Ackermann räumt ein, dass es beim Sex nicht nur um Zeugung gehe, sondern auch um Kommunikation. Wenn die Sexualität "wahr" sei, sei sie sogar das Mittel, was uns am intensivsten miteinander kommunizieren ließe. Dann wieder eine Relativierung. Der "eigentliche Sinn" sei natürlich, Leben weiter zu geben, denn das entspräche der "Ordnung". Gegenfrage von Moderator Christian Langhorst: "Aber haben sie nichts gegen eine ordentliche Kommunikation mal zwischendurch mit Kondomen?" Gelächter im Saal, der Bischof sprachlos.
Um Fassung ringt Ackermann auch, als der LSVD ihm Dr. Thomas Equit, Trierer Dekanatsreferent, präsentiert. Der sagt im Einspieler, dass die Kirche sich mit ihrer Haltung an Homosexuellen und den Spielarten der Liebe versündige. Ackermann ist überrascht davon, so direkt und öffentlich von einem Kollegen kritisiert zu werden. Auf Nachfrage, ob der Kollege nun Ärger bekomme, versichert er: Nein, natürlich nicht, und schiebt nach, Kirche sei auch für ihn ein "Spannungsfeld".
Den LSVD-Appell will Ackermann "so mitnehmen"
Stephan Ackermann ist seit 2009 Bischof von Trier (Bild: Bistum Trier)
Als es um das Arbeitsrecht geht, wird Ackermann gefragt, warum die Kirche solche Angst vor einer lesbischen Krankenwagenfahrerin hätte. Das mache ihn nachdenklich, er werbe um Verständnis, er nehme Anregungen so mit. Wieder Worthülsen. Auch als der LSVD Ackermann in einem Appell darum bittet, öffentlich zu erklären, dass in seinem Bistum Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Katholischen Kirche wegen Eingehung einer Eingetragenen Partnerschaft nicht länger eine Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses befürchten müssen, bleibt Ackermann vage. Den Aufruf nehme er an, versprechen könne er nichts. Natürlich.
Im Interview nach der Veranstaltung frage ich Ackermann, ob er persönlich manchmal an der Linie seiner Kirche zweifle, ob er selbst sich wünsche, dass seine Kirche offener wäre. Ich habe die Hoffnung, doch noch ein Statement zu bekommen, dass an einen zukünftigen Dialog glauben lässt. Doch die Antwort – fast hatte ich es erwartet – sei "schwer zu geben", da müssen man ehrlich bleiben, seiner katholischen Grundüberzeugung bleibe er selbstverständlich treu.
Ackermann verurteilt "Homo-Heiler"
Und dennoch: Nach der Veranstaltung bleibt Ackermann noch lange im Saal, spricht mit allen, die mit ihm reden wollen. Auch mit einem LGBT-Aktivisten, der demonstrativ im Kleid gekommen ist und Ackermann auf düstere Kapitel der katholischen Kirche anspricht, etwa der Steinigung bei Ehebruch. Ackermann: "Aber Kirche entwickelt sich doch weiter!" Auf die Entgegnung, das passiere nur im Schneckentempo, zeigt Ackermann Verständnis. Mal wieder.
Einer der Zuhörer sagt nach der Veranstaltung, dass ihm der Glaube fehle, dass sich in der katholischen Kirche nun etwas ändere. Immerhin: Ackermann habe den Mut bewiesen, sich erstmals öffentlich der queeren Community zu stellen, das beweise Stärke. Doch, um innerhalb der katholischen Kirche wirklich etwas zu ändern, fehlt ihm diese Stärke offenbar. Ackermann möchte verstanden werden. Veränderung möchte er nicht. Immerhin: Angebote zur "Heilung" von Homosexualität hat er scharf verurteilt. Derartige Initiativen hätten von der Kirche keinerlei Rückendeckung.
Eine Behauptung, mit der sich Ackermann vergleichsweise weit aus dem Fenster gelehnt hat. Die Community wird darauf zurückkommen.
Der LSVD Saar hat die Veranstaltung mitgeschnitten und wird in den nächsten Tagen einen Mitschnitt in seinem YouTube-Kanal online stellen.
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