Kurz vor den Zwischenwahlen kümmert sich Präsident Barack Obama wieder um LGBT-Rechte
Weil der Kongress das Antidiskriminierungsgesetz blockiert, verbietet der US-Präsident drei Monate vor den Wahlen die Ungleichbehandlung für 16 Millionen Angestellte.
Der amerikanische Präsident Barack Obama hat am Montag ein Dekret ("Executive Order") unterzeichnet, das es untersagt, Mitarbeiter der Bundesverwaltung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zu diskriminieren. Dieses Dekret schließt alle (Privat-)Firmen ein, die im Auftrag der Bundesverwaltung arbeiten. Insgesamt sind 16 Millionen Mitarbeiter davon betroffen. Bislang war nur für direkte Bundesangestellte die Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung verboten. Das wurde bereits in den Neunzigern vom damaligen Präsidenten Bill Clinton veranlasst.
"Es ist nicht sinnvoll im heutigen Amerika, dass Millionen Mitbürger damit rechnen müssen, ihren Job zu verlieren, weil sie lesbisch, schwul, bisexuell oder transgender sind. Das ist falsch", so Obama vor der Unterzeichnung. Der 52-Jährige hatte bereits während seines Wahlkampfs 2008 versprochen, die Diskriminierung von Schwulen und Lesben am Arbeitsplatz zu bekämpfen.
Mit diesem Dekret ist Obama nicht auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen, in dem er auch Stimmen von Republikanern bräuchte. Ein Dekret kann aber anders als ein Gesetz nach Gutdünken von einem Nachfolger aufgehoben werden.
Obama hatte sich eigentlich dafür eingesetzt, dass ein bundesweites Antidiskriminierungsgesetz (Employment Non Discrimination Act, ENDA) erlassen wird, das alle Firmen einbezieht. Ein derartiges Gesetz ist – mit einigen Ausnahmen für religiöse Einrichtungen – bereits im Senat beschlossen worden (queer.de berichtete). Das von den Republikanern kontrollierte Abgeordnetenhaus lehnte es aber ab, über den Antrag zu diskutieren.
Mit dem Dekret will Obama offenbar drei Monate vor den Zwischenwahlen LGBT-Rechte zum Wahlkampfthema machen. Eine Mehrheit unterstützt seinen Kurs. Wegen innen- und außenpolitischer Schwierigkeiten gilt es aber als möglich bis wahrscheinlich, dass die Demokraten auch ihre Mehrheit im Senat verlieren und Obama in den letzten zwei Jahren seiner Amtszeit gegen einen republikanischen Kongress anregieren muss.
Zweifel an Verfassungsmäßigkeit von Antidiskriminierungsgesetz
In dem Obama-Dekret gibt es eine Ausnahmeregelung für religiöse Gruppen. Sie dürfen LGBT diskriminieren, sofern sie dies religiös begründen. Viele Konservative fordern jedoch, dass jeder Firma aus religiösen Gründen erlaubt werden sollte, Schwule, Lesben und Transsexuelle zu diskriminieren. Sie berufen sich dabei auch auf ein Urteil des Supreme Court vom 30. Juni, in dem das Höchstgericht einer Hobbyladenkette erlaubt hatte, keine Krankenversicherungsbeiträge für "sündhafte" Verhaltensweisen zu bezahlen. Konkret ging es um Verhütungsmittel. Nach Ansicht des Supreme Court müssen Firmen wie Personen behandelt werden und haben auch das Recht auf freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit. Viele LGBT-Gruppen haben daher ihre Unterstützung für ENDA zurückgezogen, da sie befürchten, das Gesetz könne gegen die amerikanische Verfassung verstoßen, so wie sie derzeit von den Höchstrichtern interpretiert wird (queer.de berichtete).
Brian Brown führt die LGBT-feindliche Gruppe "National Organization for Marriage" an, die von Menschenrechtsaktivisten als Hassgruppe eingestuft wird, aber große Unterstützung unter Konservativen genießt
Christlich-konservative Aktivisten halten das Obama-Dekret für eine Verfassungsbruch, der "Menschen bestraft und schikaniert, die die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau ansehen", erklärte Brian Brown von der National Organization for Marriage (NOM), einer Lobbygruppe gegen die Ehe-Öffnung. Er warf Obama vor, eine "Gedankenpolizei" einzuführen, die gegen bibeltreue Christen vorgehen soll. Andere konservative Kommenatoren reagierten ähnlich hysterisch: So beklagt der Meinungssender Fox News Channel , Obama wolle Christen zwingen, "die militante LGBT-Agenda zu assimilieren".
Bislang ist auf Bundesebene nur Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund von Merkmalen wie Rasse, Geschlecht, Nationalität, Religion oder Behinderung verboten. Die Merkmale Geschlechtsidentität und sexuelle Ausrichtung werden lediglich in knapp der Hälfte der Bundesstaaten in regionalen Antidiskriminierungsgesetzen aufgeführt. Insbesondere in den konservativen Südstaaten, in denen LGBT-Diskriminierung besonders verbreitet ist, gibt es keinerlei Schutz. (dk)
In seiner Amtszeit dürfte auch noch das Grundsatzurteil des Supreme Court zur gleichgeschlechtlichen Ehe kommen.