Im letzten Jahr hatte die Polizei noch 52 LGBT-Aktivisten festgenommen
Beim fünften Pride in der russischen Metropole kam es "nur" zu zwei Festnahmen. Angebliche Verhaftung in Moskau.
Beim fünften CSD in St. Petersburg ist es am Samstag überwiegend friedlich geblieben. 50 bis 100 Teilnehmer demonstrierten für LGBT-Rechte und hielten ein Picknick ab, es gab anders als in den Vorjahren keine größeren Gegenproteste. Wie in den letzten Jahren hatte es CSD-Organisator Yuri Gawrikow geschafft, die verschiedenen Gruppen der Szene zu vereinen; etwas, woran es dem CSD in Moskau mangelt (Galerie des farbenfrohen Prides bei VKontakte).
Ein Teilnehmer wurde festgenommen, weil er abseits des abgesperrten Demo-Bereiches ein Plakat mit dem Aufdruck "Sodomie ist süßer als Honig" hochgehalten hatte, was von den Beamten als Verstoß gegen das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" gewertet wurde. Es waren bewusst Personen mit Kindern gekommen, um sich über "Propaganda" zu beschweren – die "Straftat" muss im Beisein von Minderjährigen geschehen. Ein anderer Demo-Teilnehmer wurde festgenommen, weil er eines dieser Kinder fotografiert hatte, ohne das Einverständnis der Eltern einzuholen. Die beiden Festgenommenen sind inzwischen wieder auf freiem Fuß.
Für Proteste auf dem Marsfeld braucht es keine Genehmigung, das Gelände war in den letzten Jahren als eine Art "Hyde Park" eingerichtet worden. Zuvor hatte die Stadtverwaltung alle möglichen von den Organisatoren vorgeschlagenen Plätze abgelehnt und von sich aus einen Vorort am Rande der Stadt oder eine inzwischen mit Gras überwachsene Mülldeponie vorgeschlagen (queer.de berichtete).
Heftige Gewalt im Vorjahr
Bilder wie diese gingen vom letztjährigen CSD um die Welt
Bereits im letzten Jahr hatte der CSD auf dem Marsfeld stattgefunden. Die Bilder gingen um die Welt und prägten sich ein, da es zu heftiger Gewalt durch Gegendemonstranten kam: Bis zu 200 Menschen hatten Steine, Eier, Rauchbomben und Feuerwerkskörper auf die LGBT-Aktivisten geworfen, einige wurden dabei verletzt (queer.de berichtete).
Zudem hatte die Polizei 52 Aktivisten vorübergend festgenommen, was zunächst mit einem angeblichen Verstoß gegen das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" begründet wurde. Auch in den Jahren zuvor hatte die Polizei die CSD-Proteste, die ebenfalls auf Gewalt stießen, unterbunden und Teilnehmer unter verschiedenen Begründungen festgenommen. Dafür brauchte man nicht erst das Gesetz gegen "Homo-Propaganda".
Unbestätigter Bericht über Flughafen-Festnahme
Der Aktivist Kirill Kalugin hatte am Samstag eine Regenbogenflagge mitgebracht, die von früheren Auseinandersetzungen zeugte
Derweil berichteten am Samstag auch erstmals russische Medien von einer angeblichen Festnahme eines LGBT-Aktivisten, der zum CSD nach Duisburg an diesem Samstag unterwegs gewesen sein soll. Einzige Quelle für die russischen Berichte über die angebliche Festnahme am Mittwoch am Moskauer Flughafen Domodedowo ist ein WAZ-Bericht unter Verweis auf einen Freund des angeblichen Aktivisten aus Düsseldorf (im WAZ-Text ist der Freund fälschlicherweise Kölner).
Angeblich sei der 24-jährige Aktivist, mit dem der junge Düsseldorfer bislang nur virtuellen Kontakt gehabt haben und dessen Nachname er nicht kennen will, wegen einer Regenbogenflagge im Gepäck festgenommen worden und sei schon mehrfach für mehrere Monate wegen Homosexualität im Gefängnis gesessen. Beides entspricht nicht dem üblichen Vorgehen und wäre, was die Haftstrafen betrifft, eine regelrechte Sensation.
Die Geschichte warf nach Rückfragen am Donnerstag auch ansonsten genügend Zweifel für queer.de auf, um sie (zunächst) nicht mal mit dem Verweis "unbestätigt" zu bringen. An dieser Einschätzung der Meldung durch die Redaktion hat sich bislang nichts geändert. Auch die russischen Medien haben die Meldung nicht bestätigen können; es ist gut möglich, dass sie dennoch den Weg zurück in deutsche Medien finden wird. Eine Person aus dem Umfeld des Kölner CSDs, der sich in der Frage engagierte, hat eine entsprechende Meldung in sozialen Netzwerken inzwischen bis auf weiteres zurückgezogen. Durch sie war die WAZ auf die Sache aufmerksam geworden. (nb)
Der Artikel wurde um die Festnahme des Fotografen ergänzt.
Die wissen die Welt schaut zu und halten sich mit antischwulen Maßnahmen relativ zurück.
Man will im Ausland ja keinen noch schlechteren Eindruck hinterlassen.
Die homophoben Gesetze bleiben aber die gleichen, eine Frage der Zeit bis diese wieder strenger durchgesetzt werden.