Europas größtes Revue-Theater setzt ein klares Zeichen gegen Homohpbie: Im vergangenen Jahr zählte der Friedrichstadt-Palast knapp 520.000 Besucher bei den hauseigenen Showproduktionen (Bild: Götz Schleser)
Auf einer "Pinken Liste" des Berliner Revue-Theaters stehen 83 homophobe Staaten, deren Botschafter nicht mehr zu Premieren eingeladen werden.
Von Micha Schulze
Die Menschenrechte von Lesben und Schwulen spielen in der deutschen Außenpolitik – anders als im U.S. Department of State – kaum eine Rolle. Dass man deshalb noch lange nicht den Kopf in den Sand stecken muss, zeigt der Berliner Friedrichstadt-Palast: Mit der Aussage "Wir feiern unsere Premieren nicht mit Vertretern, die Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung unterdrücken, drangsalieren oder kriminalisieren", sorgte Intendant Berndt Schmidt am Wochenende für Schlagzeilen.
Europas größtes Revue-Theater hat eine "Pinke Liste" erstellt, auf der die Botschafter von 83 Staaten mit homophober Gesetzgebung stehen. Ab der kommenden Show "The Wyld", die im Oktober anläuft, werden die betreffenden "Exzellenzen" keine Einladungen mehr zur Premiere und zur anschließenden Premierenparty erhalten. Bislang hatte der Friedrichstadt-Palast stets das gesamte diplomatische Korps Berlins eingeladen.
Engagiert im Berliner Bündnis gegen Homophobie
Will nicht mehr mit Vertretern homophober Staaten feiern: Intendant Berndt Schmidt (Bild: Patrick Gutsche)
"Es ist niemandem zuzumuten, mit Menschen im gleichen Raum zu feiern, die Staaten repräsentieren, in denen manche von uns und manche von Euch hingerichtet, verstümmelt, gedemütigt oder eingesperrt würden oder unter Strafandrohung nicht öffentlich über ihre normale (aber nicht mehrheitliche) sexuelle Orientierung sprechen oder diese nicht zeigen dürfen", heißt es in einer am Samstag auf Facebook veröffentlichten Erklärung des Friedrichstadt-Palasts. Berlin stehe nach den mörderischen Nazi-Erfahrungen heute für Toleranz und Freiheit, so das Theater, das sich bereits seit längerem im Berliner Bündnis gegen Homophobie engagiert.
Den größten Anteil der Ausgeladenen stellt Afrika mit 37 Staaten – von Algerien über Kenia bis Uganda. Aus Asien stehen u.a. Afghanistan, Indien, Iran und Singapur auf der "Pinken Liste". Als einziger europäischer Vertreter erhält der russische Botschafter ab sofort keine Premieren-Einladungen mehr.
Das ist konsequent: Schon seit 2012 boykottiert der Friedrichstadt-Palast wegen der damals noch regionalen Gesetze gegen Homo-"Propaganda" Kooperationen mit russischen Künstlern und Theatern (queer.de berichtete). Dies sei die einzige Möglichkeit, "unsere Solidarität mit den homosexuellen und allen anderen aufgeklärten und toleranten Russinnen und Russen zu zeigen", hatte das Revue-Theater damals auf seiner Facebook-Seite erklärt. So wurden u.a. laufende Verhandlungen mit russischen Investoren abgebrochen, die die Erfolgsshow "Yma" nach Moskau bringen wollten. Auch Anfragen zur Anmietung des Showpalastes für Gastspiele wurden abgesagt.
LGBT-Rechte sind Menschenrechte
Menschenrechte sind nicht verhandelbar – auch nicht die von Lesben und Schwulen! Mit dem Friedrichstadt-Palast hat nun ausgerechnet ein Theater klare Leitlinien formuliert, die man bei der Bundesregierung und insbesondere Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) vermisst. Und gleichzeitig gezeigt, dass selbst eine "harte Diplomatie" nicht automatisch in antirussische oder islamfeindliche Ressentiments verfallen muss. Denn die öffentlichkeitswirksame Ausladung der Botschafter richtet sich ausdrücklich nur gegen die Politik der jeweiligen Regierungen, nicht gegen Land und Leute.
Die "Pinke Liste" macht Mut, denn sie zeigt auch, dass jeder und jede trotz des Versagens der deutschen Außenpolitik etwas bewegen, vielleicht ein Umdenken auslösen kann. Dafür erhält der Friedrichstadt-Palast unseren Homo-Orden!
weiter so: wissenschaft , sog. hochkultur, massenkultur...
"...gleichzeitig gezeigt, dass selbst eine "harte Diplomatie" nicht automatisch in antirussische oder islamfeindliche Ressentiments verfallen muss...."