https://queer.de/?22098
- 12. August 2014 8 Min.

Jurassica Parka, geboren in Berlin-Neukölln, ist DJane, Partyveranstalterin, Moderatorin und Autorin. Stolz trägt sie den Titel "Miss CSD 2014"
Am 16. August startet Mega-Transe Jurassica Parka im Berliner BKA eine Late-Night-Show. Im Interview spricht sie über den Wandel der Drag-Szene, die Abgründe des Partylebens und den Freifahrschein im Fummel.
Interview: Kevin Clarke
In den 1980er Jahren waren Mary und Gordy das Cross-Dressing-Ideal Deutschlands: die Illusion fast perfekter Frauen, die in TV-Unterhaltungsshows auftraten vor heterosexuellem Publikum. Kannst du mit dieser Art von "Eighties Travestie" heute noch etwas anfangen?
Ich bin natürlich als Kind mit Mary und Gordy aufgewachsen und habe sie immer bewundert. Georg Preusse ist ein toller Künstler, ohne Frage. Ich habe aber vor einiger Zeit Marys Weihnachtsshow im Admiralspalast gesehen und war wirklich überrascht, wie blöd ich das alles fand. Der Altersdurchschnitt des Publikums lag bei zirka 60, würde ich sagen. Und die haben sich über die recht flachen "damenhaften" Witzchen vor Lachen gekringelt. Ich fand's eigentlich nur langweilig, teilweise sehr albern. Aber so ist das nun mal – Humor verändert sich von Generation zu Generation. Jedem Künstler seine Zielgruppe.
Die bekannten Drag-Stars der deutschen Hauptstadt sind vor allem überlebensgroße "Megatransen" (wie du dich selbst nennst), die Trash-Outfits mit Bärten und Tattoos kombinieren. Wie würdest du den Unterschied der jetzigen Drag-Szene in Berlin beschreiben im Vergleich zu den Achtzigern?
Genauso wie sich die Gesellschaft verändert verändern sich auch die Figuren, die dieser einen Spiegel vorhalten. Denn genau das macht Travestie ja aus. Ich denke, dass sich in den letzten 25 Jahren einiges verändert hat. Die Akzeptanz von Homosexualität ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, Geschlechterrollen werden mehr und mehr aufgebrochen. Ich denke, dass dies die Travestie aufgreift. Ich bin mir aber sicher, dass es auch schon in den Achtzigern Drag Queens gab, die Bart trugen und nicht an der perfekten Illusion des anderen Geschlechts feilten. Nur da gab es noch kein Internet. Heute ist es so viel einfacher, eine breite Masse zu erreichen und somit Aufmerksamkeit zu generieren. Und das ist der maßgeblichste Unterschied zu den Achtzigern.

Jurassica Parka mit "Ehemann": Drag Queens hätten es nicht leicht, den "Richtigen" zu finden
Sind Drag-Performer dieses Mega-Kalibers anderswo in Deutschland denkbar?
Travestie gibt es überall. Berlin ist und bleibt aber bislang der größte Tummelplatz für Drags. Das liegt ganz sicher daran, dass es hier einfach am meisten zu tun gibt für eine Transe. Die Stadt feiert 24 Stunden und sieben Tage die Woche Partys. Nachtleben und Travestie sind untrennbar. Aber generell ist das Leben als Drag Queen überall möglich, sofern man seine Nische gefunden hat, mit der man das Publikum erreichen kann.
Wie sieht es international aus: Wie würdest du die Drag-Szene anderswo beschreiben, was sind neue Trends, auf die wir uns in Deutschland freuen könnten?
Nun, ich habe den kometenhaften Aufstieg von Conchita Wurst mitverfolgt. Ich kenne sie schon Jahre aus dem Wiener Nachtleben, das im Übrigen auch eine tolle Drag-Kultur hat. Ansonsten habe ich noch nicht viel Erfahrung im Ausland gesammelt. Ich bin ab und an in Kopenhagen gebucht, da gibt es eigentlich gar keine Drags. Eine der wenigen schwulen Partys dort muss sich ihre Drags immer aus Berlin importieren. Interessant, wie ich finde.
Wir leben in Zeiten von Gender-Debatten: Viele Menschen fragen, ob die traditionelle Mann-Frau-Division der Welt mit den entsprechenden klassischen Verhaltensmodellen zeitgemäß sind. Was für Erfahrungen hast du mit solchen Modellen – und ihrer Sprengung – gemacht, privat und auf der Bühne?
Ich bin seit einiger Zeit sehr glücklich mit meinem Mann verheiratet, es war aber ein langer Weg, mit meinem Beruf den "Richtigen" zu finden. Gerade in der schwulen Szene ist es ziemlich schwierig, einen Mann zu finden, der mit dem Beruf der Transe klarkommt. Das fand ich immer bizarr: Im Nachtleben lieben und verehren sie uns über alles, aber bitte nicht als Partner! Da wollen sie dann doch lieber "einen richtigen Mann". Da nicht den Mut zu verlieren und verbittert zu werden, das fällt nicht jedem leicht. Natürlich höre ich immer wieder die gleichen Fragen. Ob ich denn auch im Bett Fummel trage oder ob ich mich wirklich als "Frau" fühle etc. Ich verstehe solche Fragen aber. Gerade wenn du keine Berührungspunkte zur Drag-Szene hast, verwirrt dich ein Mann in Frauenkleidern erst einmal. So soll es ja auch sein. Ich bin diese ganzen Gender-Debatten allerdings auch leid. Ich bin da keine Fachfrau, da sollen andere ihren Senf dazu geben. Ich habe eher aus Spaß an der Freude den Fummel als meine Kunstform gewählt. Dass das auch immer politisch ist, war mir anfangs nicht wirklich bewusst.
Mary, die surreale Traumfrau, war besonders populär beim Hetero-Publikum. Bei wem sind Drag Queens und Megatransen heute populär?
Drag Queens sind nach wie vor sehr bei Schwulen beliebt, danach kommen gleich die heterosexuellen Mädchen. Zumindest kann ich das bei meinem Publikum beobachten. Generell kann ich aber sagen, dass Travestie ganz viele verschiedene Menschen begeistert. Egal ob hetero oder homo oder bi oder trans* oder inter. Heterosexuelle Männer finden einen oft auch sexuell anziehend, das beobachte ich ebenfalls immer wieder. Wahrscheinlich, weil wir Transen so nuttig rumlaufen, wie es ihre Freundinnen zuhause nie machen. (lacht)
Wieso ist die Drag-Szene im deutschen Fernsehen eigentlich so unterrepräsentiert – und könnte man das ändern?
Travestie im deutschen TV … ein weites Feld! Eigentlich gab es da bislang nur Lilo Wanders – das war's! Extrem schade! Ich hatte mittlerweile schon einige Gespräche mit TV-Produktionen und auch direkt mit Sendern, die Interesse zeigten, mir ein Format zu geben. Es haperte aber immer daran, dass alle Angst um ihre Werbezeiten haben und denken, Travestie sei ein Nischenprodukt. Leider. Ich arbeite aber daran, dass sich das endlich ändert. Gerade stecke ich wieder mitten in Gesprächen. Wir werden sehen.
Sind Drag-Persönlichkeiten wie Jurassica Parka auch eine sexuelle Erscheinung/Entscheidung, um mehr oder besseren Sex zu haben als ohne Drag-Outfit?
Jurassica Parka ist eine Kunstfigur und hat mit meinem Sexleben rein gar nichts zu tun. Geflirtet wird natürlich im Nachtleben, das gehört dazu. Aber das war's dann auch.
Wie integrierst du Jurassica Parka in dein Privatleben?
Meine Eltern sind meine größten Fans, da habe ich großes Glück. Das war allerdings auch ein langer Weg: erst ist der Sohn schwul, dann trägt er auch noch Frauenkleider. Das müssen Eltern erstmal verdauen. Aber mittlerweile sind sie sehr, sehr stolz auf mich und meinen eigenen Weg. In der gemeinsamen Wohnung von mir und meinem Mann gibt es ein ganzes Zimmer, in dem Jurassica "aufbewahrt" wird. Da hängen alle Fummel, Perücken und Schuhe. Dort schminke ich mich und bereite mich auf meine Jobs vor. Von daher ist Jurassica irgendwie immer präsent, schließlich ist das auch ein Teil meiner Persönlichkeit. Es ist aber auch schön, dass man die Tür zu dem Fummel-Zimmer einfach mal zumachen kann.

Jurassica Parka im Party-Einsatz: "Berlin feiert 24 Stunden und sieben Tage die Woche" (Bild: Christian Graffenberger)
Du wirst am 16. August im BKA am Berliner Mehringdamm auftreten mit deiner ersten Late Night Show. Was kann man da erwarten? Wie wird sich deine Show von "Thekenschlampe" deiner Kollegin Gloria Viagra unterscheiden?
Die Show wird eine ganz klassische Late Night Show werden, wie man sie aus den großen Zeiten von Harald Schmidt kennt. Am Anfang gibt es einen kleinen Stand-Up-Teil, danach begrüße ich zwei prominente Talkgäste (Djamila Rowe und Marcel Schlutt), umrundet wird das Ganze von einem Musik-Act, in diesem Fall der Chansonier Franz Geil. Gloria hat mit ihrem "Thekenschlampe"-Format etwas anderes gemacht, schon deshalb, weil es ohne Publikum und nur fürs Internet produziert wurde. Für mich ist das Ganze ein Sprung ins kalte Wasser, sowas habe ich noch nie vorher gemacht. Deshalb freue ich mich sehr darauf.
In der Ankündigung heißt es, "es wird geschnattert, gelästert, gespielt und natürlich Sektchen getrunken". Kann man als Megatranse besser und ungehemmter lästern?
Wenn Du Fummel trägst, hast Du eigentlich einen Freifahrtsschein für alles! Sofern Du es mit Humor und Anstand machst. Das ist ja das Tolle am Drag-Sein!
Braucht man als Megatranse zwangsläufig Alkohol als Grundausstattung – wie Gloria Viagra, die vor lauter Wodka bei ihrer Thekenschlampen-Show manchmal kaum mehr einen verständlichen Satz herausbringt?
Nein, Alkohol gehört nicht zur Grundausstattung. Warum der Alkoholkonsum irgendwie immer mit dem Drag-Sein verbunden wird, weiß ich nicht. Ich habe mal fast ein dreiviertel Jahr nicht getrunken. In dieser Zeit habe ich meinen Job genauso gut gemacht wie sonst auch. Da die Drag-Szene sehr viel im Nachtleben stattfindet, ist Alkohol nun mal präsent. Das ist aber bei Tresenkräften oder DJs genauso der Fall wie bei Transen. Da muss jeder seinen Weg finden, damit umzugehen. Meine großen Feierzeiten sind vorbei. Ich habe es einige Jahre ordentlich krachen lassen, aber irgendwann verliert das seinen Reiz.
Ein Ziel deiner Late Night Show ist es, das Publikum "mit in den Abgrund zu reißen". Du bist viel in der schwulen Berliner Partyszene unterwegs. Was für Abgründe siehst du da?
Ach herrje, du legst aber auch jedes Wort auf die Goldwaage (lacht). Ich habe im Nachtleben schon alles gesehen, auch viele Dinge, die ich lieber nicht gesehen hätte. Aber das macht das Nachtleben aus! Einfach mal den Alltag draußen lassen, darum geht es doch den meisten. Und das ist auch gut so. Jeder soll machen, was er will, solange es niemand anderen beeinträchtigt.
An großen Berliner Bühnen – wie der Komischen Oper – treten derzeit Cross-Dressing-Performer in Star-Rollen auf. Hast du mal mit Barrie Kosky oder den Bossen des Tipi-Zelts gesprochen wegen "Kinky Boots" oder "La Cage"?
Ich kann überhaupt nicht singen! Gerade habe ich einen Film abgedreht, in dem ich in meiner Rolle auch Tanzszenen habe. Es war das erste Mal, dass ich in einem Tanzstudio mit einer Choreografin proben musste. Es ist mir recht schwer gefallen, muss ich gestehen; aber es hat Spaß gemacht. Meine Stärken liegen im gesprochenen Wort, ich kann witzig und spontan sein – Singen und Tanzen sollen andere.
Was würdest du gern als nächstes machen, als Karriereschritt nach der Late Night Show?
Mein immerwährendes Ziel ist die große Samstag-Abend-Show im deutschen Fernsehen. Noch ein langer Weg, aber man muss ja Träume haben. Fernsehen ist jedenfalls das, wo ich hin will. Ich liebe das Fernsehen, und die Kamera liebt mich. Mein Mann sagt immer, wenn eine Kamera an ist, dann funktioniere ich wie eine Maschine, und das stimmt.
Links zum Thema:
» Mehr Infos zur Late Night Show im BKA
» Homepage von Jurassica Parka
» Fanpage auf Facebook
» Jurassica Parka auf Twitter
» Youtube-Kanal von Jurassica Parka
Mehr queere Kultur:
» auf sissymag.de















