Philipp Gufler, Jahrgang 1989, lebt in München. Seine Ausstellung im Schwulen Museum* Berlin zeigt neben der Videoinstallation neue Arbeiten, darunter Siebdrucke auf Stoff aus der Serie "Quilt", sowie in Epoxi gegossene Textcollagen mit dem Titel "August von Platen" (Bild: Robert Niedermeier)
"Projektionen auf die Krise – Gauweilereien in München" lautet der Titel einer Ausstellung in Berlin, mit der ein junger Künstler an Bayerns Aids-"Maßnahmenkatalog" von 1987 erinnert.
Von Robert Niedermeier
"Die Gesellschaft ist in Bezug auf Aids geschichtsvergessen", sagt Philipp Gufler. Am Vortag der Eröffnung seiner Ausstellung "Gauweilereien" zeigt er auf den Aufbauplan und bemängelt, was der Schwulenszene vor allem fehlt: "der Wille zum Widerstand". Namensgeber des Epochen übergreifenden Installations-Arrangements im Schwulen Museum* ist der mittlerweile ergraute CSU-Politiker Peter Gauweiler: ein stets von Schwulengerüchten flankiertes Feindbild der bundesdeutschen Homo-Bewegung.
Mit seiner Kunst möchte der 25-jährige Gufler nicht weniger, als die Menschen dazu zu bringen, sich für ihre Rechte und gegen Ausgrenzung zu engagieren. Der schlanke Bayer setzt dabei seine künstlerischen Mittel gekonnt ein. Inhalte zu transportieren und die Geschichte neu zu interpretieren, um die Gegenwart zu gestalten – das sind seine hehren Anliegen.
"Gauweiler steht symbolisch für die Ausgrenzung von Minderheiten"
Die große Überraschung ist, dass dies dem unschuldig-schnuckelig wirkenden Künstler – trotz aller Ernsthaftigkeit – in unterhaltsamer Form gelingt. "Gauweiler steht symbolisch für die Ausgrenzung von Minderheiten, die noch immer stattfindet", erklärt der im Dorf Fischach bei Augsburg aufgewachsene Künstler. In den 1980er Jahren erklärte Peter Gauweiler, damals erst Kreisverwaltungsreferent in München, dann bayrischer Innenstaatssekretär, "Stricherecken" und "ganz bestimmte Saunaclubs" zu "offenen Seuchenquellen" sowie dem "massenhaften Analverkehr" im Zuge der Aids-Krise den Krieg.
Der studierte Foto-, Performance- und Video-Künstler, damals noch gar nicht geboren, reflektiert diese düstere Zeit künstlerisch eindrucksvoll. Mehr noch: Beim Lesen, Hören und Sehen bietet er den Besuchern seiner Ausstellung messerscharfe politische Analysen des queerpolitischen Willensbildungsprozesses. Die heute längst institutionalisierten Aids-Hilfen haben ironischerweise auch einem Gauweiler ihre Existenz zu verdanken. Die verbalen Entgleisungen des CSU-Politikers und seine Vorhaben zur soziokulturellen Auslöschung der Schwulenszene schreckten selbst das bürgerliche Lager auf und erzwangen effektiven politischen Widerstand.
Peter Gauweiler, ein Verehrer des schwulen Bayernkönigs Ludwig II. und im Rückblick selbst zu einer grotesken Anti-Ikone der Schwulenbewegung erstarkt, wird von Gufler zum Phänomen seiner Zeit degradiert. Ein Interesse an der Privat-Person Gauweiler, der erst kürzlich wieder als Spitzennebenverdiener des Bundestags für Schlagzeilen sorgte, hegt Gufler nicht: "Es wird der Krise nicht gerecht, ihn allein als Buhmann zu skizzieren. Gauweiler hatte viele Mitstreiter." Auch der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair denunzierte etwa homosexuelle Handlungen als "krankhaftes Verhalten" und forderte offen: "Dieser Rand muss ausgedünnt werden."
"Ich beobachte eine zunehmende Angepasstheit"
Sequenz aus der Video-Installation: In seinem "Maßnahmenkatalog" gegen Aids forderte Gauweiler 1987 Zwangtests für schwule Männer und eine "Absonderung" von "uneinsichtigen" Infizierten (Bild: Schwules Museum*)
Ikonisierte Gauweiler-Gemälde oder dämonisierende Zerrbilder fehlen deshalb komplett. Der Künstler, der intensiv die US-amerikanische Act-Up-Bewegung studierte, beschäftigt sich nur marginal mit dem Feindbild, stattdessen seziert er das mediale, künstlerische und literarische Umfeld. Das gelingt anhand transparenter Texttafeln, malereiähnlicher Quilts und Video-Loops. Mit unterschiedlichen Materialien und Techniken führt Gufler durch die Geschichte der deutschen Homo-Bewegung und entlarvt eine nach wie vor andauernde Ausgrenzung.
Laut Gufler beteiligen sich daran auch Strömungen innerhalb der Schwulenszene: "Ich beobachte eine zunehmende Angepasstheit und zugleich eine Form von Separatismus", sagt der Künstler im queer.de-Gespräch. Solidarität mit anderen ausgegrenzten Gruppen fehle.
Guflers "Gauweilerien" beleuchten nicht nur die Anfänge der Aids-Krise, sondern blicken viel weiter zurück. In Fotoarbeiten wird der Schriftsteller August von Platen (1796-1835) etwa posthum zur Schwulen-Ikone erklärt. Gufler möchte das Bewusstsein für die eigene Geschichte stärken und scheut sich als Künstler nicht, den Finger in offene Wunden zu legen. So plädiert er etwa dafür, den Pride-Begriff zu erweitern oder das Symbol der Regenbogenflagge neu zu besetzen, über sexuelle Merkmale hinweg: "Man will die maximale Öffentlichkeit, doch Schutzräume im Verborgenen, auch Darkrooms, die immer mehr verschwinden, sind ebenso wichtig", erläutert Gufler und hofft auf "eine Widerständigkeit, die sich bewusst außerhalb der Gesellschaft stellt".
Der vielseitige Kunstaktivist fordert "Radikalität" ein wie sie bereits Jean Genet oder Hubert Fichte im 20. Jahrhundert propagierten. Kein Wunder, dass Guflers "Gauweilereien" den Besuchern etwas mitzuteilen haben: Kunst trifft auf Politik, sein Projekt funktioniert und erhellt. Eine konkrete Anleitung bietet die Ausstellung zwar nicht – aber jede Menge echte Inspiration für mehr Widerständigkeit.
Infos zur AusstellungPhilipp Gufler: Gauweilereien. Ausstellung vom 17. August bis 3. September 2014 im Schwulen Museum*, Lützowstraße 73, 10785 Berlin. Eröffnung am Samstag, den 16. August um 19 Uhr. Am 19. August findet um 19 Uhr ein Gespräch zwischen dem Künstler und der Kunsttheoretikerin Kerstin Stakemeier statt. Finissage ist am 3. September von 19 bis 22 Uhr mit DJ Problemi und Lisa Schairer. Das Buch zur Ausstellung ist für 14 Euro im Schwulen Museum* erhältlich oder kann direkt beim Verlag
bestellt werden.
Das möchte ich nur mal so gesagt haben. Also immer darauf achten, dass kein Sperma des Einen an Eichel oder Vorhaut des Anderen gelangt, wenn man nicht weiß ob der Andere HIV-positiv ist bzw. wenn man sich nicht vertraut.