Über die teilweise oder vollständige Entfernung der männlichen Vorhaut gegen die Meinung weit auseinander. Auch aus medizinischer Sicht sorgt die Beschneidung noch immer für zahlreiche Irrungen und Wirrungen
Die Zirkumzision hat in vielen Kulturen eine lange Tradition, in Europa wird sie oftmals als hygienische Maßnahme durchgeführt. Zu recht oder überwiegen die Risiken den vermeintlichen Nutzen?
Von Dr. Marcus Mau
Spätestens seit einem Gerichtsbeschluss aus Köln im Mai 2012 ist das Thema Beschneidung auch bei uns von öffentlichem Interesse. Damals stellten die Richter fest, dass die Zirkumzision von Minderjährigen eine rechtswidrige Körperverletzung sei. Proteststürme seitens der Muslime und Juden in Deutschland führten jedoch dazu, dass der Bundesrat das umstrittene Beschneidungsgesetz verabschiedete, welches die Beschneidung von Jungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst in Deutschland weiterhin straffrei stellte.
Was aus rechtlicher Sicht durchaus geklärt ist, sorgt aus medizinischer Sicht noch immer für zahlreiche Irrungen und Wirrungen. Schützt die Beschneidung tatsächlich vor übertragbaren Geschlechtskrankheiten? Oder wirkt sie sich eventuell negativ auf das sexuelle Empfinden und das Stehvermögen aus?
Nach jeder zehnten Beschneidung kommt es zu Entzündungen
Für das Menschenrecht auf Vorhaut: Protestaktion eines Beschneidungsgegners (Bild: Aaron Muszalski / flickr / by 2.0)
Die Beschneidung bleibt trotz aller Vorsichtsmaßnahmen und Vorkehrungen unbestreitbar ein operativer Eingriff. Im Säuglingsalter kommt es infolge der Prozedur in zehn Prozent aller Fälle zu Entzündungen mit einem Übergreifen auf die Harnröhre bei zwei Prozent der betroffenen Jungen. Dass Teile des Penis absterben oder das Kind sogar an einer Blutvergiftung – hervorgerufen durch eine systemische Entzündung – verstirbt, ist bei einem Fall auf 20.000 Operationen eine sehr seltene Folge.
Generell gilt jedoch, dass der Erfolg der Operation vom Erfahrungswert des Arztes und von den Hygienebedingungen abhängt. Neben körperlichen Komplikationen wie Schmerzen, Blutungen und den beschriebenen Infektionen kann die Beschneidung für Einzelne auch ein Trauma darstellen.
Dennoch gibt es einige Vorteile für Beschnittene, gegen die die Risiken im Einzelfall aufgewogen werden sollten. Beschnittene Männer haben nachweislich ein deutlich geringeres Risiko, einen Harnwegsinfekt zu bekommen. Allerdings, bevor jetzt alle zum Arzt laufen, um sich operieren zu lassen: Bitte nicht vergessen, dass etwa 400 Beschneidungen nötig sind, um nur einen einzigen Harnwegsinfekt zu verhindern.
Das Ansteckungsrisiko mit STI ist bei Beschnittenen geringer
Die Beschneidung von Jesus: Zumindest das Sexualleben von Gottes Sohn wurde durch den Eingriff nicht beeinträchtigt
Viel besser stehen die Chancen in Hinblick auf das Ansteckungsrisiko mit einer sexuell übertragbaren Infektion (STI), die z.B. durch HIV, HPV oder Hefepilze (Candida) hervorgerufen wird. Beschnittene Männer können ihr Risiko für eine Ansteckung um 50 bis 60 Prozent verringern. Für bakterielle Erreger wie Treponemapallidum (Syphilis) ist dieser Vorteil hingegen nicht belegt.
Ob die Beschneidung tatsächlich das sexuelle Empfinden oder die Standhaftigkeit beim Sex verringert, hat eine große Studie mit 2.500 Männern genauer untersucht. Das Ergebnis: Der Eingriff verursacht keine Erektionsprobleme und auch das Empfinden beim Sex bleibt ungetrübt. Einer gesunden und erlebnisreichen sexuellen Erfahrung steht also auch nach einer Beschneidung nichts entgegen.
Dennoch sollte der nachgewiesene Vorteil in Bezug auf das geringere Ansteckungsrisiko mit STI kein Freibrief zu ungezügeltem Risikoverhalten, ungeschütztem Verkehr oder Promiskuität sein. Denn letztlich wird durch diese drei Faktoren das Infektionsrisiko jedes Einzelnen in größerem Ausmaß gesteigert als es durch die Beschneidung gesenkt würde. Deshalb bleibt die Rolle der Beschneidung allein zum Zweck, STI-Infektionen zu vermeiden, weiterhin umstritten.
Macht ein Update, löscht den Artikel oder tut was immer ihr für richtig haltet, aber lasst dies um Himmels willen nicht so stehen.