Eine deutsche Karriere: 1998 brach Thomas Hübner aus Erfurt seine Friseurlehre ab und lernte seinen späteren Manager Andreas Welskop kennen. Als Sänger Clueso sammelte er mittlerweile mehrere Gold- und Platin-Schallplatten (Bild: Text und Ton)
Der "Eros von Erfurt" hat mit "Stadtrandlichter" sein sechstes Album veröffentlicht – vollwertige Popmusik mit klugen Texten.
Von Michael Thiele
Zwei schäbige Wellblechgaragen, die irgendwann mal von Sprayern beschmiert wurden. Alte, schiefe Betonplatten, die auch schon bessere Tage gesehen haben. Unkraut, das längst zwischen den Platten wuchert. Weit und breit kein Mensch zu sehen, noch nicht mal ein Auto. Was für ein deprimierendes Bild! Wenn da nicht die Morgensonne wäre, die – als wolle sie von einer glücklicheren Zukunft künden – gleißend zwischen den Garagen hindurch scheint.
Dieses Cover kommt natürlich nicht von ungefähr, geht es auf "Stadtrandlichter" – dem neuen, sechsten Album von Clueso – doch um Aufbruch, und zwar in sehr vielen Facetten. Vom flotten Opener "Pack meine Sachen" über das chillig-schwurbelige "Freidrehen", vom ersten Einsehen in "Alles leuchtet", dass Veränderungen "gut tun und irgendwie weh", über "Wach auf", das vom morgendlichen Zu-sich-Kommen nach einer wilden Partynacht erzählt, bis zum Titelsong, der, mit schlichter Akustikgitarre, leicht nachhallendem Gesang und nachdenklichen Tempowechseln, von den Lichtern erzählt, die am Horizont auftauchen und einen nach Hause bringen – der bodenständige, charmant-schüchterne Erfurter berichtet en détail. Natürlich auch von der Liebe, etwa in dem sehr schönen und sehr kurzen Liebeslied "Ich falle noch".
Das erste Album beim eigenen Label
Von den alten Hip-Hop-Wurzeln ist auf "Stadtrandlichter" nichts mehr zu hören
So wie das Cover hat natürlich die Platte selbst ihre Berechtigung: Sie ist die erste, die bei Cluesos eigenem Label Text und Ton erscheint. Nach fünf Alben, die ihm diverse Gold- und Platinauszeichnungen einbrachten, hat der Musiker nun erstmals die volle Kontrolle über sein Schaffen. Ein Prozess, der leichter klingt als er in Wahrheit zu meistern war – so hat Clueso laut Pressemitteilung bis Mitte 2013 zwei weitere Alben fertig gestellt, die aber nicht erscheinen sollen. Man könnte sie als Übergangsplatten bezeichnen, die "Stadtrandlichter" erst ermöglicht haben.
Was auffällt: Die alten Hip-Hop-Wurzeln und auch die Singer/Songwriter-Phase hat Clueso mehr denn je hinter sich gelassen, seine neuesten Lieder sind nicht mehr und nicht weniger als vollwertige Popmusik, angereichert mit einer Vielzahl von Instrumenten und Samples, lebendig scheppernd, fast ein bisschen zu glatt produziert. Wobei Cluesos leicht rauchige, jungenhaft-melancholische Stimme immer wieder für etwas Reibung sorgt.
Geblieben ist dem 34-Jährigen das lyrische Talent. Seine Texte sind gewohnt toll, sie sind klug und poetisch und witzig, in ihnen stecken viel Liebe und Authentizität.
Ein Killer in Form eines "Gewinner" oder "Chicago" steckt nicht auf "Stadtrandlichter", dafür ein paar Filler wie "Unter Strom" und "Lass den Kopf nicht hängen". Aber das ist eigentlich gar nicht schlimm. Denn "Stadtrandlichter" enthält viele kleine, berührende Geschichten, die am Ende eine große Geschichte ergeben: die vom Neuanfang.
Wobei Clueso selbst am Ende erkennt, dass es diesen Neunfang so gar nicht gibt, dass vielmehr alles ein Losziehen und Ankommen und wieder Weiterziehen ist, permanente Bewegung und Gegenbewegung, ein Erwachsenwerden. Das Leben eben.
Youtube | Das offizielle Video zur Single "Freidrehen"
Clueso hat kein Problem mit Homohassern gemeinsam auf der Bühne zu stehen...
Das haben wir nicht vergessen...