Nicht nur im Fußball, sondern auch im Surfsport ist Homosexualität offensichtlich ein enormes Tabu. Die Doku "Out in the Line-up" hat u.a. Profis- wie Hobbysportler, Fans und Sportjournalisten interviewt (Bild: Yellow Dot Productions)
Die Dokumentation "Out in the Line-up – Uncovering the Taboo of Homosexuality in Surfing" blickt hinter die sonnigen Kulissen der Wellenreiter.
Von Michael Thiele
"Wer in der Surf-Welt homo ist, der ist raus", sagt Cori Schumacher, erste offen lesbische Surf-Weltmeisterin. Jim Ready, Surf-Fotograf, erzählt, er wurde hinter seinem Rücken nur "gay Jim" gerufen. Susie Hernandez, Profi-Surferin, habe innerhalb einer Woche ihre Mitbewohner und Freunde verloren, als sie sich als Lesbe outete.
Das sind nur drei der erschreckenden Kommentare aus der Dokumentation "Out in the Line-up – Uncovering the Taboo of Homosexuality in Surfing", die hinter die sonnigen Kulissen der Surf-Welt blickt und für die es Drehbuchautor und Regisseur Ian W. Thomson gelang, eine Vielzahl unterschiedlicher Gesprächspartner vor die Kamera zu bekommen: Fans, Profisportler und deren Familien, Sportjournalisten und Hobbysurfer, Weltmeister und Lobbyisten, wobei auffällt, dass der überwiegende Teil selbst homosexuell ist, was die Aussage der Doku zusätzlich unterstreicht: Homosexualität ist im Surfsport offensichtlich ein enormes Tabu. Man spricht nicht darüber, und wer homo ist, behält es besser für sich – zumindest bis zum Karriereende.
Surfen als klassischer Männersport
Poster zum Film: Die Doku ist über die Homepage als DVD sowie als Video on demand erhältlich
Unter den Interviewten befindet sich auch der Autor Clifton Evers. Er versucht, die Gründe für die Tabuisierung zu benennen. Surfen sei ein Männerding, erklärt er, Frauen würden marginalisiert. Unter den Männern wiederum stünden Sexismus, Homophobie und "Heterosexualitätsbeweise" auf der Tagesordnung. Das sei einfach eine Sache der Gruppenzugehörigkeit.
Zusätzlich angeheizt wird diese problematische Atmosphäre durch Sponsoren und Verbände wie die International Surfing Association (ISA) und die Association of Surfing Professionals (ASP). Wie Cori Schumacher analysiert, gebe es inzwischen zwar auch weibliche Surfer, doch die seien in erster Linie ein Produkt. Jung und schön sollen sie sein, man sollte Sex mit ihnen haben wollen – so der unausgesprochene Deal, der hinter ihrer Vermarktung stecke.
Trotz Erklärungen wie dieser bleibt die wohl frappierendste Frage unbeantwortet: Wie kann es sein, dass Surfen so positive Assoziationen weckt – immerhin geht es dabei um Sommer und Sonne, Wind und Wärme, das Reiten auf den Wellen, das etwas Spielerisches, Freiheitliches, Entspanntes hat -, zugleich aber so krasse Stereotype und Tabus kultiviert? Diesen Widerspruch fächert "Out in the Line-up" leider nicht ganz auf.
Auch die Doku bedient Klischees
Homophobie vor schöner Kulisse: einsame Strände, blaue Wellen, halbnackte Körper
Das liegt womöglich auch daran, dass die Doku selbst eben diese Surf-Klischees bedient: Zu großen Teilen in Australien und Kalifornien gedreht, gibt es kaum Aufnahmen ohne blaue Wellen, Palmenstrände und Lagerfeuer, unterlegt mit teils chilligen, teils clubbigen Klängen. Eigentlich macht die Doku wahnsinnige Lust auf den nächsten Strandurlaub.
Immerhin schildert Ian W. Thomson die Geschichte einer bisher erfolgreichen Emanzipation. Zu der beigetragen hat auch Thomas Castets, der Gründer von gaysurfers.net. Lange Zeit dachte Castets, er sei der einzige schwule Surfer auf der Welt. Als seine heterosexuellen Surferfreunde Familien gründeten und nicht mehr so viel Zeit für den Sport hatten, suchte er nach neuen, schwulen Kompagnons – und rief seine Web-Community ins Leben, die ein voller Erfolg wurde. Endlich konnten sich die Surfer, die, so Thomas, oft abgelegen und weit entfernt von großen Städten lebten, vernetzen.
Von dieser Vernetzung lebt auch die simple, aber effektive Dramaturgie des Dokumentarfilms. Stellten sich die Protagonisten anfangs allein vor, trafen sie sich später, schlossen Freundschaften und sprechen nun Fans, Funktionäre und Sponsoren offensiv auf die unhaltbaren Zustände an, die tatsächlich sehr an die im Fußball erinnern.
Das nennt man Empowerment. Und als Teil dessen ist "Out in the Line-up", der bei Filmfestivals auf der ganzen Welt gezeigt und vielfach prämiert wurde, vor allem zu sehen. Dieser Film macht Mut.
Infos zum Film
Out in the Line-up – Uncovering the Taboo of Homosexuality in Surfing. Dokumentation. Frankreich/Australien 2013. Regie: Ian W Thomson. Sprache: Englisch. Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch (optional). Yellow Dot Productions. Erhältlich als DVD über die Homepage oder als Video on demand.
www.youtube.com/watch?v=bKsCvcvoZcE