Im letzten Dezember hatten drei LGBT-Aktivisten vor einer Schule in Archangelsk gegen das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" demonstriert - mit ihm wurden sie später zu Geldstrafen verurteilt. Der Fall wurde nun in höchster Instanz entschieden
Das Gericht in St. Petersburg schränkt nach Meinung von LGBT-Aktivisten zugleich die Wirkung des Gesetzes ein.
Das Verfassungsgericht der Russischen Föderation hat am Donnerstag eine Entscheidung veröffentlicht, wonach das landesweite Gesetz gegen "Homo-Propaganda" in Russland mit der Verfassung vereinbar ist. Die Richter mit Sitz in St. Petersburg hatten ohne mündliche Verhandlung auf mehrere Klagen von LGBT-Aktivisten hin entschieden.
Der Moskauer CSD-Organisator Nikolai Aleksejew, selbst einer der Kläger, sieht in der Entscheidung dennoch einen historischen Sieg, da das Urteil zugleich die Wirkung des Gesetzes einschränke. So sei es seiner Meinung nach nun nicht mehr möglich, damit friedliche Proteste von Schwulen und Lesben zu verhindern.
Das Gericht urteilte ersten Informationen zufolge zunächst, dass der Gesetzgeber das Recht habe, in der Verfassung verankerte Werte wie Familie und den Schutz von Kindern zum Ziel seiner Gesetze zu machen. Das Gesetz, das offiziell mit dem Jugendschutz begründet, in der Praxis aber vor allem gegen LGBT-Demonstrationen genutzt wurde, sei auch mit der Verfassung vereinbar, weil nicht versucht werde, "ungewöhnliche sexuelle Beziehungen" zu verbieten oder einzuschränken oder in die Privatssphäre und Entwicklung von Menschen einzugreifen.
Der Kampf geht in Straßburg weiter
Das Verfassungsgericht in St. Petersburg (Bild: Wiki Commons / NicBir / CC-BY-SA-3.0)
Zugleich stellte das Gericht fest, dass das Gesetz nicht dazu gedacht ist, eine "unabhängige Debatte über den legalen Status von sexuellen Minderheiten zu verhindern". Deren Repräsentanten seien nicht gehindert, ihre Positionen öffentlich zu verkünden und ihre "legitimen Rechte und Interessen" wahrzunehmen. Dazu zählt das Gericht die "Organisation und Durchführung öffentlicher Veranstaltungen".
Mit diesem für alle russischen Institutionen bindenden Urteilsspruch hofft Aleksejew nun auf die Erlaubnis künftiger Demonstrationen, die bislang immer aus den unterschiedlichsten Gründen abgelehnt worden waren – das Gesetz gegen "Homo-Propaganda" war nur eines von mehreren möglichen Gründen. "Nach diesem Urteil sind weitere Verbote von LGBT-Aktionen in Russland, inklusive Moskau, unmöglich", so der Aktivist. Denn dabei sei es nie um "Werbung für Homosexualität gegangen, sondern um den Kampf für Rechte".
Aleksejew und die beiden anderen Kläger waren im Dezember 2013 bei einem Protest vor einer Schule in Archangelsk festgenommen und später wegen "Homo-Propaganda" zu einer Geldstrafe in Höhe von jeweils 4.000 Rubel (ca. 82 Euro) verurteilt worden. Seitdem war der Fall durch die Instanzen gegangen.
Das im letzten Sommer in Kraft getretene landesweite Gesetz wird von Aleksejew und anderen zugleich noch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte angegangen, wie auch entsprechende regionale Gesetze – erste Urteile könnte es noch vor Jahresende geben. Die Straßburger Richter hatten bereits früher CSD-Verbote für illegal erklärt. Russische Behörden sahen darin bislang aber immer Einzelfallentscheidungen. (nb)