https://queer.de/?22392
Sendung am Mittwoch
ZDF lädt AfD-Politiker zu Talk über Homo-Ehe
- 30. September 2014 3 Min.
Bundesvorstand Konrad Adam hält eine Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Ehe für "grotesk".

Wer nur laut genug gegen Homosexuellen-Rechte pöbelt, der hat einen Platz in öffentlich-rechtlichen Talkshows so gut wie sicher. Der neueste Beweis für die traurige These: Die ZDFinfo-Talkshow "log in" ("Die Sendung für Deine Meinung"), die zum Thema Homo-Ehe bereits einmal die fundamentalistische Theologin Gabriele Kuby eingeladen hatte, fährt unter anderem zu diesem Thema in der morgigen Ausgabe AfD-Bundesvorstand Konrad Adam auf.
Er ist einer von vier Gästen zum Thema "Gott bewahre: Hat die klassische Familie ausgedient?"
Der Titel ist nicht nur reißerisch und populistisch, sondern er fragt klar aus Sicht der reaktionären Ecke. Auch das ist eine beliebte Masche von Talkshows: So fragte Maischberger vor kurzem: "Homosexualität auf dem Lehrplan: Droht die moralische Umerziehung?", Plasberg sogar einst "Papa, Papa, Kind: Homo-Ehe ohne Grenzen?"
Ohnehin liest sich der ZDF-Pressetext zur neuesten Talkshow, als wäre er direkt von der AfD diktiert worden:
Homo-Ehe, Patchwork-Familie und Gender-Mainstreaming: Reizworte für alle Konservativen. Schluss mit zu viel Modernisierung, meinen Vertreter der AfD, die "Keimzelle" unserer Gesellschaft darf nicht in Gefahr geraten. Seit Anfang der 1970er Jahre sterben in Deutschland mehr Menschen als geboren werden. Die klassische Familie muss deshalb wieder zum gesellschaftlichen Leitbild werden. Das fordern auch andere Konservative, die sich enttäuscht von der CDU abwenden. Denn trotz Betreuungsgeld setzt die Union nicht mehr auf die alte Rollenverteilung, sondern auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Das falsche Signal, kontern die Gegner. Mütter sollen sich nicht rechtfertigen müssen, dass sie sich für Kinder und gegen Karriere entschieden haben.
"Stargast" der Talkshow ist Konrad Adam. Der ehemalige FAZ-Redakteur und heutige AfD-Politiker hatte dem "Spiegel" einst zur Homo-Ehe gesagt:
Wir sind die Einzigen, die offen aussprechen, dass man Ungleiches nicht gleich behandeln sollte. Ohne Kinder geht der Staat unter. Deshalb ist es grotesk, dass das Bundesverfassungsgericht die existentielle Funktion der Ehe für die Gesellschaft nicht mehr würdigt.
Damit ließ Adam (im Bild rechts) immerhin erkennen, dass er mit der Rechtsprechung aus Karlsruhe vertraut ist. Sein Zitat in der ZDF-Pressemitteilung lässt anderes vermuten: "Wir stehen für Artikel 6 des Grundgesetzes. Ehe und Familie stehen unter dem besonderem Schutz der staatlichen Ordnung", sagt er da, als hätte es all die Urteile nicht gegeben, die besagen, dass sich die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften mit der Verfassung verträgt – und andere Artikel diese inzwischen gar erzwingen.
Auf Adams Seite tritt die Theologin Michaela F. Heereman an. "Familie ist kein Auslaufmodell. Die Originalfamilie – Vater, Mutter, Kind(er) – ist auch heute noch das Ideal der meisten jungen Erwachsenen", sagte sie dem ZDF.
Die Gegenseite wird vertreten von der Parteivorsitzenden der Linken, Katja Kipping, und dem schwulen FDP-Politiker Michael Kauch, der nicht mehr im Bundestag sitzt, aber immerhin eine Regenbogenfamilie vorweisen kann.
Anstatt endlich mal konsequent die Regierung zur Gleichstellung zu ermahnen und dementsprechend Regierungspolitiker zu grillen, übt sich das öffentlich-rechtliche Fernsehen also erneut in einem unterhaltungs- und quotenträchtigen Streit über das Für und Wider der Homo-Ehe, mit Argumenten von Vorvorgestern. Dass es dabei einem AfD-Politiker ein Podium bietet und ihn quasi als Sachverständigen zum Thema adelt, wie es der Waldschlösschen-Appell einst vergeblich zu bekämpfen suchte, wird dabei hingenommen. Gabriele Kuby durfte nach der letzten Sendung gar als "Expertin" mit den Usern online diskutieren. (nb)
log in, Mittwoch, 1. Oktober 2014, 22.25 Uhr, ZDFinfo
Bild: Wiki Commons / Mathesar / CC-BY-SA-3.0
Update 18.40h: Bewerbung der Sendung
Auf Twitter stimmt die "log in"-Redaktion schon seit Tagen auf das Thema bzw. auf Krawall ein, und das freundlich ausgedrückt etwas einseitig…

Die gleichen Einträge finden sich auch beim Facebook-Auftritt der Sendung, samt diesem Eintrag mit Link zur AfD in dem sozialen Netzwerk und dem Eindruck, die Partei habe tatsächlich das Thema vorgegeben:

Mehr zum Thema:
» Schwul-lesbische TV-Tipps auf queer.de















Hier wird - ähnlich wie etwa beim allgegenwärtigen Antiziganismus - das nationalsozialistische Erbe dieser Gesellschaft deutlich, wo man auch im Jahre 2014 wie einst Heinrich Himmler Homophobie mit Demographie verbindet und damit irrationale Ängste schürt.
Der saubere Herr Adam tummelt sich übrigens auch bei der Stefan-George-Gesellschaft.
www.perlentaucher.de/buch/thomas-karlauf/stefan-george.html
Abgründe und doppelter Boden: doitsche Reaktion halt.