Plakat bei der Demo gegen den Bildungsplan am Sonntag in Stuttgart. Der absurde Vorwurf, Schüler sollten im Unterricht "sexualisiert" werden, wird immer mehr gesellschaftsfähig. (Bild: Guido Klein)
Bernd Saur, Chef des Philologenverbands in Baden-Württemberg, warnt vor einer "staatlich sanktionierten Vergewaltigung der Kinderseele".
Was für ein Einstieg! "Dildo, Taschenmuschi, Vibrator, Handschellen, Aktfotos, Vaginalkugeln" – das alles erwarte Schüler demnächst im Unterricht, behauptet Bernd Saur, der Vorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg, in einem Gastbeitrag für den neuen "Focus".
Das effektheischerische und faktenfreie Bashing von Sexualpädagogen und -wissenschaftlern, das vor wenigen Jahren in rechten und fundamentalistischen Ecken begonnen hat, zieht also weitere Kreise. Es sei "unsäglich", was "Gender-Sexualpädagogen, neoemanzipatorische Sexualforscher und andere postmoderne Entgrenzer" in den Unterricht bringen wollen, so der Verteter der Gymnasiallehrer.
Belege für den Unsinn bietet Saur, der selbst in Ulm Englisch unterrichtet, nicht. Dafür fordert er, Kinder müssten geschützt werden vor solchen "entwicklungspsychologisch nicht vertretbaren Übergriffen durch entfesselte, offensichtlich komplett enttabuisierte Sexualpädadogen."
"Überstülpen von Neigungen"
Saurs Text im "Focus" vom Montag ist eine verschärfte Version einer früheren Stellungnahme seines Verbandes
Selbstverständlich sei in der Schule "Toleranz gegenüber nicht heterosexuellen Partnerschaften" zu vermitteln, so Saur. Aber die "Übersexualisierung, ja Pornografisierung der Schule" sei eine "staatlich sanktionierte Vergewaltigung der Kinderseele" und ein "Überstülpen von Neigungen und Fantasien Erwachsener.
"Überstülpen von Neigungen"? Da offenbart sich der homophobe Gedanke, Schüler könnten zur Homosexualität erzogen werden. Doch Saur ist schon längst bei der nächsten Keule: Mit diesen Plänen sollten sich Staatsanwaltschaften vorsorglich beschäftigen. Den Absatz beendet er ernsthaft mit: "Die Odenwaldschule lässt grüßen."
So schürt er mit den wildesten Fantasien wie viele Andere Panik vor dem Bildungsplan in Baden-Württemberg, der lediglich über sexuelle Vielfalt aufklären soll, sowie vor Sexualpädagogik. Der Zusammenhang zur aktuellen Bildungsplan-Debatte ist dabei allerdings gegeben: Die Polemik Saurs wurde von "Focus" kurz vor der fünften Demo gegen den Bildungsplan in Stuttgart am Sonntag veröffentlicht. Und sie entspricht in Teilen einer Stellungnahme, die der Verband bereits im Januar zu den Plänen der Landesregierung abgegeben hatte (PDF).
Wie im "Focus" findet sich übrigens bereits auch dort der Versuch Saurs, die eigenen reaktionär-fundamentalistischen Äußerungen anderen in die Schuhe zu schieben: "Unsere staatlichen Schulen müssen allen Kindern offen stehen, auch Kindern aus religiös geprägten, zum Beispiel muslimischen Elternhäusern", schreibt er in dem Magazin. "Eine Pornografisierung der Schule würde alle Integrationsbemühungen konterkarieren."
Kritik an FAS-Bericht
Mit dem Abdruck des Gastbeitrags nahm sich "Focus" offenbar auch die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" zum Vorbild, die in der Vorwoche mit dem Text "Unter dem Deckmantel der Vielfalt" eine populistische Abrechnung mit der Sexualpädagogik veröffentlicht hatte. Der Text ist seitdem von vielen Gruppen, die sich gegen den Bildungsplan wenden, in sozialen Netzwerken geteilt worden.
Auch die AfD stellte den Text online, mit Zitaten der neuen sächsischen Abgeordneten Frauke Petry ("Anleitung zum Kindesmissbrauch", ein Versuch, "klassische Familienmodelle und Heterosexualität zu marginalisieren"). Das ganze wirkt wie die seit Jahren nicht enden wollende Empörung über einen angeblichen "Sex-Koffer" für den Unterricht, nur auf größerer Ebene.
In einem viel verlinkten Blogbeitrag hat der Journalist Alexander von Beyme mittlerweile viele Fehler in dem Text bemängelt, der von "Manipulation, Einseitigkeit und Polemik durchsetzt" sei. Am Sonntag haben sich auch die im Text angesprochenen SchLAu-Verbände aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen, die Aufklärung über sexuelle Vielfalt in Schulen betreiben, in einem gemeinsamen Leserbrief (PDF) über die "gezielte Desinformation" beschwert. (nb)
Herr Saur sollte sich besser mal Sorgen über seine dreckigen Gedanken machen.
Wenn ich mir so vorstelle, was für Gedanken dem Kerl durch den Kopf gehen wenn er vor einer Kasse steht, macht mir das Angst.