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"Entnormalierung" der heterosexuellen Kleinfamilie

Bildungsplan-Debatte: FAZ führt homophobe Kampagne fort

  • 24. Oktober 2014 79 3 Min.

Homo-Fummeln in der Grundschule: die "Bildungswelten" der "Frankfurter Allgemeinen"

Während ein Leserbrief der SchLAu-Aufklärungsprojekte nicht abgedruckt wird, darf erneut ein Autor vor "Umerziehung der Gesellschaft" und "Förderung von Kindesmissbrauch" warnen.

Von Micha Schulze

Deutschlands homophober Rand bläst zu seinem letzten Rückzugsgefecht – und ausgerechnet die "Frankfurter Allgemeine" macht sich dabei zu seinem Zentralorgan. Bereits zum zweiten Mal in diesem Monat veröffentlichte die Traditionszeitung am Donnerstag einen polemischen Beitrag, der vor Aufklärung über sexuelle Vielfalt an den Schulen warnt.

Nach Antje Schmelchers Beitrag "Unter dem Deckmantel der Vielfalt" fragt Jugendforscher Martin Voigt nun: "Aufklärung oder Anleitung zum Sex?". Das ist freilich eine rhetorische Frage, denn seine Antwort lautet: "Die Sexualpädagogik in den neuen Lehrplänen ist geeignet, den Kindesmissbrauch zu fördern. Die gesamte Gesellschaft soll umerzogen werden."

Die "Entnormalisierung" von Vater/Mutter/Kind

Voigts Text ist keine sachlich-pädagogische Auseinandersetzung – der Text dient einzig dazu, weiter Stimmung zu machen gegen die Sichtbarkeit nicht-heterosexueller Lebensweisen im Schulunterricht. Er besteht vor allem aus einer Aneinandereihung von Fremdzitaten zu Themen, die kaum zusammengehören. Aufklärung über Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender vermischt der Jugendforscher etwa gezielt mit Gruppensex-Rollenspielen im Klassenzimmer. In beiden sieht Voigt einen Angriff auf die heterosexuelle Kleinfamilie: "Vom ersten Bilderbuch bis zum Abitur soll die Vorstellung von Vater/Mutter/KInd 'entnormalisiert' werden".

Über einen Wissenschaftler und Pädagogen heißt es in dem Artikel, er sei "Fachbeirat in Schwulenverbänden", so als würde das die Arbeit diskreditieren. Ein anderes Mal, als der Autor quasi die "Auswüche" der Erziehung vorstellt, folgt auf einen angeblichen Unterricht über "Sex mit Tieren" direkt das NRW-Projekt "Schule der Vielfalt". Auch die von Fundamentalisten oft kritisierte Werbung für den Münchner Familienpass darf nicht fehlen – sie führt zur Frage: "Geht es um Antidiskriminierung oder eher darum, die Kernfamilie mit heterosexuellen Eltern und leiblichen Kindern zu 'entnaturalisieren'"?

Mit einem Info-Kasten gleitet der Artikel noch in Verschwörungstheorien ab: Darin werden die Kernthesen der angeblichen Theorie des "Gender Mainstreamings" zusammengefasst, nach einer als "Teilnehmerin" bezeichneten Kritikerin namens Dale O'Leary, die hauptsächlich von christlichen Seiten zitiert wird, Bücher zum Thema schreibt und etwa gegen die "sexuelle Linke" zu Felde zieht.

Ihre von der FAZ zitierte zweite angebliche Gender-Mainstreaming-These zeugt vom Irrglauben, man könnte zur Homosexualität erzogen werden, und lautet: "Da mehr sexuelles Vergnügen zu mehr Kinder führen kann, braucht es freien Zugang zu Verhütung und Abtreibung für alle und Förderung homosexuellen Verhaltens, da es dabei nicht zur Empfängnis kommt."

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FAZ und Focus gegen Aufklärung

Von der homophoben "Initiative Familienschutz" wird der neue FAZ-Artikel bereits im Internet geteilt – zusammen mit der Aufforderung, Leserbriefe zu schreiben: "Um das Thema in der Presse hoch zu halten, sind die Reaktionen der Leser entscheidend. […] Schreiben Sie kurze lobende Leserbriefe, wo gute Artikel erscheinen, damit die Zeitungen, die mittlerweile um Abonnenten bangen, an dem Thema dranbleiben."

Bereits vor zehn Tagen hatten sich die SchLAu-Verbände aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen, die Aufklärung über sexuelle Vielfalt in Schulen betreiben, nach Erscheinen des ersten FAZ-Artikels in einem gemeinsamen Leserbrief (PDF) über die "gezielte Desinformation" beschwert – dieser wurde bis heute nicht von der konservativen Tageszeitung veröffentlicht.

In der vergangenen Woche hatte sich auch der "Focus" an der Kampagne gegen Aufklärung über sexuelle Vielfalt beteiligt. In dem Wochenmagazin warnte des Vorsitzende des Philologenverbands in Baden-Württemberg Bernd Saur vor einer "staatlich sanktionierten Vergewaltigung der Kinderseele" (queer.de berichtete). Alle Artikel verbreiten sich wie wild in christlichen und rechten Foren, vermeintliche Fakten aus dem ersten FAZ-Artikel waren bereits bei der letzten Demo gegen den Bildungsplan in Stuttgart zu hören.

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#1 FelixAnonym
  • 24.10.2014, 12:20h
  • Die FAZ natürlich wieder mal...

    Deren Lügen grenzen schon an Volksverhetzung...

    Und das schlimme ist:
    die lügen nicht etwa aus Unwissenheit, sondern ganz bewusst. Das ist reine homophobe Propaganda.
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#2 Just meAnonym
  • 24.10.2014, 12:28h
  • "Vom ersten Bilderbuch bis zum Abitur soll die Vorstellung von Vater/Mutter/KInd 'entnormalisiert' werden".

    Das wäre absolut wünschenswert. Vielleicht begreift dann auch der letzte heterosexistische Vollidiot, dass die angebliche 'Norm' gewaltsam hergestellt und reproduziert wird. Klar gibt es Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft, aber was hier als 'normal' bezeichnet wird, ist nicht wertfrei gemeint, sondern wertend im Sinne von 'natürlich' und 'selbstverständlich'. Und das sind queere Identitäten ganz genauso. Allein die Tatsache, mit welcher Hysterie auf queere Sichtbarkeit reagiert wird zeigt, dass ihre Vorstellung von 'Normalität' eine ziemlich fragile Angelegenheit ist. Wer so sicher ist, dass Heterosexualität bioloisch gegeben und unveränderbar ist, hätte keine Angst, dass Kinder in der Schule 'umerzogen/umgepolt' werden. Die Bildungsplan-Gegner scheinen sich der Konstruiertheit ihrer Hetero-Norm also durchaus bewusst zu sein. Von 'normal' im Sinne von 'natürlich/unveränderbar' kann demnach nicht die Rede sein.
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#3 ZeitfensterAnonym
  • 24.10.2014, 12:36h
  • Es ist schon wirklich irre, wenn solche Leute behaupten, dass Sexualaufklärung den Missbrauch fördere. Das Gegenteil ist der Fall!

    Die Täter_innen der früheren Jahre konnten vor allem auf die Naivität ihrer Opfer und auf die Tabuisierung der Sexualität bauen. Das bot ihnen den Schutz vor der Aufdeckung ihrer Straftaten. Die Kinder wussten gar nicht, was da mit ihnen gemacht wurde und sie hatten oftmals auch gar keine Worte dafür. Klar war ihnen nur, dass das etwas ist, worüber man nicht redet und was mit großer Scham besetzt war.

    Das waren ideale Verhältnisse, die den Missbrauch begünstigten. Von den Kids ging keine Gefahr aus. Darauf konnten sich Täter_innen fast immer verlassen.

    Aufklärung ist sexuelle Bildung! Man vermittelt Kindern und Jugendlichen damit Kompetenzen, man macht sie stark. Gottlob trauen sich Kinder heute, darüber mit ihren Eltern zu sprechen, wenn sie Opfer von Missbrauch wurden. Und sie sind in der Lage die Dinge beim Namen zu nennen und zu beschreiben, was mit ihnen gemacht wurde.

    Die vermeintlichen Kinder- und Jugendschützer in der FAZ erreichen mit ihren Vorstellungen das Gegenteil von dem, was sie eigentlich wollen und was ihnen so wichtig ist. Sexualaufklärung ist immer auch Missbrauchsprävention.
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