Homo-Fummeln in der Grundschule: die "Bildungswelten" der "Frankfurter Allgemeinen"
Während ein Leserbrief der SchLAu-Aufklärungsprojekte nicht abgedruckt wird, darf erneut ein Autor vor "Umerziehung der Gesellschaft" und "Förderung von Kindesmissbrauch" warnen.
Von Micha Schulze
Deutschlands homophober Rand bläst zu seinem letzten Rückzugsgefecht – und ausgerechnet die "Frankfurter Allgemeine" macht sich dabei zu seinem Zentralorgan. Bereits zum zweiten Mal in diesem Monat veröffentlichte die Traditionszeitung am Donnerstag einen polemischen Beitrag, der vor Aufklärung über sexuelle Vielfalt an den Schulen warnt.
Nach Antje Schmelchers Beitrag "Unter dem Deckmantel der Vielfalt" fragt Jugendforscher Martin Voigt nun: "Aufklärung oder Anleitung zum Sex?". Das ist freilich eine rhetorische Frage, denn seine Antwort lautet: "Die Sexualpädagogik in den neuen Lehrplänen ist geeignet, den Kindesmissbrauch zu fördern. Die gesamte Gesellschaft soll umerzogen werden."
Die "Entnormalisierung" von Vater/Mutter/Kind
Voigts Text ist keine sachlich-pädagogische Auseinandersetzung – der Text dient einzig dazu, weiter Stimmung zu machen gegen die Sichtbarkeit nicht-heterosexueller Lebensweisen im Schulunterricht. Er besteht vor allem aus einer Aneinandereihung von Fremdzitaten zu Themen, die kaum zusammengehören. Aufklärung über Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender vermischt der Jugendforscher etwa gezielt mit Gruppensex-Rollenspielen im Klassenzimmer. In beiden sieht Voigt einen Angriff auf die heterosexuelle Kleinfamilie: "Vom ersten Bilderbuch bis zum Abitur soll die Vorstellung von Vater/Mutter/KInd 'entnormalisiert' werden".
Über einen Wissenschaftler und Pädagogen heißt es in dem Artikel, er sei "Fachbeirat in Schwulenverbänden", so als würde das die Arbeit diskreditieren. Ein anderes Mal, als der Autor quasi die "Auswüche" der Erziehung vorstellt, folgt auf einen angeblichen Unterricht über "Sex mit Tieren" direkt das NRW-Projekt "Schule der Vielfalt". Auch die von Fundamentalisten oft kritisierte Werbung für den Münchner Familienpass darf nicht fehlen – sie führt zur Frage: "Geht es um Antidiskriminierung oder eher darum, die Kernfamilie mit heterosexuellen Eltern und leiblichen Kindern zu 'entnaturalisieren'"?
Mit einem Info-Kasten gleitet der Artikel noch in Verschwörungstheorien ab: Darin werden die Kernthesen der angeblichen Theorie des "Gender Mainstreamings" zusammengefasst, nach einer als "Teilnehmerin" bezeichneten Kritikerin namens Dale O'Leary, die hauptsächlich von christlichen Seiten zitiert wird, Bücher zum Thema schreibt und etwa gegen die "sexuelle Linke" zu Felde zieht.
Ihre von der FAZ zitierte zweite angebliche Gender-Mainstreaming-These zeugt vom Irrglauben, man könnte zur Homosexualität erzogen werden, und lautet: "Da mehr sexuelles Vergnügen zu mehr Kinder führen kann, braucht es freien Zugang zu Verhütung und Abtreibung für alle und Förderung homosexuellen Verhaltens, da es dabei nicht zur Empfängnis kommt."
FAZ und Focus gegen Aufklärung
Von der homophoben "Initiative Familienschutz" wird der neue FAZ-Artikel bereits im Internet geteilt – zusammen mit der Aufforderung, Leserbriefe zu schreiben: "Um das Thema in der Presse hoch zu halten, sind die Reaktionen der Leser entscheidend. […] Schreiben Sie kurze lobende Leserbriefe, wo gute Artikel erscheinen, damit die Zeitungen, die mittlerweile um Abonnenten bangen, an dem Thema dranbleiben."
Bereits vor zehn Tagen hatten sich die SchLAu-Verbände aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Hessen, die Aufklärung über sexuelle Vielfalt in Schulen betreiben, nach Erscheinen des ersten FAZ-Artikels in einem gemeinsamen Leserbrief (PDF) über die "gezielte Desinformation" beschwert – dieser wurde bis heute nicht von der konservativen Tageszeitung veröffentlicht.
In der vergangenen Woche hatte sich auch der "Focus" an der Kampagne gegen Aufklärung über sexuelle Vielfalt beteiligt. In dem Wochenmagazin warnte des Vorsitzende des Philologenverbands in Baden-Württemberg Bernd Saur vor einer "staatlich sanktionierten Vergewaltigung der Kinderseele" (queer.de berichtete). Alle Artikel verbreiten sich wie wild in christlichen und rechten Foren, vermeintliche Fakten aus dem ersten FAZ-Artikel waren bereits bei der letzten Demo gegen den Bildungsplan in Stuttgart zu hören.
Deren Lügen grenzen schon an Volksverhetzung...
Und das schlimme ist:
die lügen nicht etwa aus Unwissenheit, sondern ganz bewusst. Das ist reine homophobe Propaganda.