Vor 25 Jahren fiel in Berlin die Mauer, jetzt fiel in St. Petersburg ein iPhone.
Nach dem Coming-out von Apple-Chef Tim Cook befürchtete man einen Verstoß gegen das Gesetz gegen Homo-"Propaganda".
Das russische Gesetz gegen Homo-"Propaganda" hat bisweilen skurrile Wirkungen: Wie die russische Investment- und Marketingfirma ZEFS am Montag bekannt gab, ließ sie am Freitag ein von ihr gestiftetes Denkmal zu Ehren des verstorbenen Apple-Gründers Steve Jobs entfernen.
Das Denkmal war 2013 im Technologiepark der Polytechnischen Universität von St. Petersburg eingeweiht worden – es besteht aus einer großen iPhone-Nachbildung samt Touchscreen, auf dem Informationen über Steve Jobs verfügbar waren.
In der letzten Woche hatte sich Jobs' Nachfolger Tim Cook als schwul geoutet (queer.de berichtete), was auch in Russland zu größeren Debatten führte. So hatte der St. Petersburger Stadtabgeordnete Vitali Milonow ein Einreiseverbot für Cook gefordert, da er "den Ebola-Virus, Aids und Tripper" nach Russland bringen könnte (queer.de berichtete).
Vorauseilender Gehorsam
Das Coming-out von Cook sei auch Grund für den Abbau des Denkmals gewesen, gab das Pressebüro von ZEFS am Montag gegenüber russischen Medien bekannt. Man komme damit Bestimmungen des Gesetzes gegen Homo-"Propaganda" nach. Diese "und andere sexuelle Perversionen" seien im Beisein von Minderjährigen in Russland verboten, sagte der ZEFS-Vorstand Maxim Dolgopolow. Das Denkmal sei für "junge Schüler und Studenten" zugänglich gewesen.
ZEFS, das auf seiner Webseite unter anderem Burger King als Partnerfirma nennt, gab die Enthüllungen von Edward Snowden als weiteren Beweggrund an. Als man das Denkmal stiftete, habe man noch nicht gewusst, dass Apple eine "Deckfirma für spezielle Operationen der NSA" sei, so Dolgopolow.
Das landesweite Gesetz gegen Homo-"Propaganda" war bislang hauptsächlich zum Verbot von Demonstrationen genutzt worden. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass ZEFS ernsthaft mit dem Gesetz in Konflikt gekommen wäre; die Episode zeigt aber beispielhaft, wie subtil es im Zusammenspiel mit Homophobie wirken kann.
Das Gesetz geht zurück auf eine entsprechende regionale Gesetzgebung in St. Petersburg, die inzwischen wegen des landesweiten Gesetzes wieder zurückgenommen wurde. Einer der Initiatoren der St. Petersburger Version war Vitali Milonow. Andere Initiativen von ihm zeigten weniger Erfolg. So hatte er etwa in der Vergangenheit vergebens gefordert, dass die russische Post Tom-of-Finland-Briefmarken verbieten solle, dass das russische Fernsehen nicht den Eurovision Song Contest ausstrahlen dürfe oder dass dessen Siegerin Conchita Wurst die Einreise verweigert werden solle. (nb)
Update 23.35h: Spekulationen über "PR-Gag"
Während viele russische Medien am Montag die Zitate der Firma verbreiteten, haben die ersten Medien Zweifel an ihren Beweggründen angemeldet. Laut fontanka.ru hat die Universität bekannt gegeben, dass ZEFS schon vor dem Coming-out von Cook einen Abbau des Denkmals für Reperaturmaßnahmen angekündigt habe. Der Vorgang wird so gedeutet, dass es der Firma vor allem um Aufmerksamkeit in den Medien ging – quasi um einen homophoben PR-Gag.