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- 13. Januar 2005 5 Min.
Die schwulen Datingportale dürfen keine Plattform für Rechtsextremisten werden.
Von Jörg Fischer
Ein Profiltext auf Gayromeo: "da man hier nicht seine meinung frei äussern kann muss ich jetzt den text zensierter machen. symbole und sachen die ich mag darf ich hier nicht zeigen trotzdem hoffe ich auf goile skinheads und kameraden die aufrecht sind und mit mir rumsauen möchten."
Mit diesem Satz stellt sich ein junger, germanophiler Schwuler in seinem Profil vor. "stolzer-skinhead", so sein Nickname, hat sich zur kameradschaftlichen Partnersuche leider ein Datingportal ausgesucht, in dem es nicht ganz so einfach ist, die braune Gesinnung oder den am Faschismus und seinen Symbolen orientierten Fetisch auszutoben. Bei Gayromeo, dem größten deutschen Datingportal für Schwule, werden neonazistische Profile nicht nur bei offensichtlichen Verstößen gegen strafrechtliche Bestimmungen gesperrt - auch die Gründung eines Clubs innerhalb des Portals für "Deutschnationale" wurde seitens der Betreiber relativ schnell mit Löschung gestoppt.
Rechtsextreme Profile gibt's auf allen Portalen
Dennoch findet man rechtsextreme Profile – auf Gayromeo wie auf fast allen anderen schwulen Portalen. Ein Gayromeo-User mit dem aussagekräftigen Nick "machtundehre-23" versichert zwar in seinem Profiltext, die "rechte Gesinnung" würde ihm fern liegen und er stünde nur auf das Outfit, um aber am Ende seines Profiltextes zu schreiben: "wie der phönix aus der asche ihr werdet schon sehen, wird das deutsche reich wieder neu entstehen so wie es schon einmal war groß, mächtig und wunderbar geschlossen hinterm reich steht das deutsche volk es wird niemals mehr von exoten überrollt."
Beim User "Endstufe", wohl benannt nach der gleichnamigen Rechtsrockband, findet sich in der Galerie ein Foto, auf dem der Ausschnitt einer Hakenkreuzfahne zu erkennen ist. Wie aus den Profiltexten ersichtlich ist, unterscheiden sich die schwulen Nazis in ihrer ganz eigenen Wahrnehmung der Welt kaum von ihren heterosexuellen Gesinnungskameraden: Sie sehen sich als vermeintliche "Opfer", umgeben von einer ihnen feindlich gesonnen Umwelt, was ja auch zu den paranoiden Verschwörungstheorien der NS-Szene passt. Besonders typisch hierfür ist der Profiltext von "Glatzen-Stolz": "Ich mag Bilder, Sachen, Zeichen usw. die hier leider unerwünscht sind. Wieso heuscheln die Leute hier so, ich habe einen gewissen National-Stolz! Auch wenn man nicht mit allem zufrieden oder einverstanden sein kann. National-Bewustsein und Stolz ist in jeden Land normal, nur in Deutschland unbeliebt. Die National-Feindlichkeit stört mich, aber jeder darf deutsch-feindlich sein. Die Politicker machen es uns doch vor, z.B.: Die rede zur abschaffung des National-Feiertag. Mich sollten nur deutsch-sprachige Leute anschreiben, ich habe als Sprache Deutsch angegeben!!!!"
Noch offener treten Nazis bei anderen schwulen Internetportalen auf, vor allem bei worldskins.com aus den USA. Hier fühlen sich die braunen Kameraden sicher, der Betreiber ist nicht direkt erreichbar und muss keine Rücksicht auf das deutsche Strafrecht nehmen - was jedoch für den betreffenden User aus Deutschland, auch wenn sein Profil auf einem amerikanischen Portal erscheint, nicht zutrifft.
Steigende Akzeptanz für Nazis in der schwulen Szene?
Neu ist das alles nicht unbedingt. Schwule sind qua Geburt nicht links oder fortschrittlich, und nicht erst seit SA-Führer Ernst Röhm und Neonazi-Führer Michael Kühnen ist bekannt, dass es auch unter Rechtsextremen Homosexuelle gibt. Neu ist vielmehr das immer offenere Auftreten von schwulen Nazis, die sich zumindest in der Szene - und sei es nur in ihrem virtuellen Teil - immer offener zu ihrer Gesinnung bekennen. Das Outing unter "Kameraden" ist angesichts der vorhandenen und offiziell auch propagierten Homophobie der rechten Szene dagegen selten und noch sehr zurückhaltend.
Oft wird argumentiert, das alles sei "doch nur Fetisch". Sicher gibt es Schwule, die die NS-Symbole als Fetisch zur sexuellen Luststeigerung benutzen. Das macht die Sache freilich nicht wirklich besser. Dass NS-Symbole überhaupt zu Fetischen für Personen werden konnten, die ideologisch nicht unbedingt als Nazis anzusehen sind, ist auch eine Folge der seit längerem zu beobachtenden Umdeutung und Entsorgung der Geschichte. Wer offen von einem "unverkrampften Verhältnis zur eigenen Geschichte" und einem "gesunden Patriotismus" schwadroniert, darf sich nicht wundern, wenn die Symbole der NS-Zeit dann auch "unverkrampft" verwendet werden und Einzug in den fast schon täglichen Umgang finden.
Wie damit umgehen?
Bei der Frage des Umgangs mit neonazistischen Profilen in einem schwulen Datingportal sind zwei Seiten gefordert: die Betreiber und die User. Den Handlungsauftrag einzig bei den Betreibern zu sehen, ist zu einfach – und eher weniger wirkungsvoll, zumal wenn es sich um eher unpolitische Betreiber handelt. Dennoch kann auch diesen erwartet werden, dass sie Verstöße gegen das Strafrecht konsequent mit Löschung beantworten und sowohl in den Regularien als auch etwa durch Rundmails an die User deutlich machen, dass für Rassismus, Antisemitismus und NS-Propaganda kein Platz in ihrem Portal ist und sie sich davon ohne Wenn und Aber distanzieren.
Gefordert sind aber vor allem die User, die nicht bereit sind, auf Nazis mit Desinteresse, "Toleranz" und Gleichgültigkeit zu reagieren. Noch hält sich die Zahl der erkennbaren Neonazis bei gayromeo so in Grenzen, dass es beispielsweise schon genügen würde, wenn sich 100 User aufraffen würden, den betreffenden "Kameraden" mit zwei, drei Messages am Tag mitzuteilen, dass sie ihr Auftreten und die von ihnen vertretene Ideologie ablehnen. Der Erhalt von mehreren hundert Nachrichten am Tag kann dann so manchen Rechtsextremisten schon in die Verzweiflung und Frustration führen. Daneben ist es sinnvoll, die mit dem betreffenden Nazi im Profil als "Freunde" verlinkten User anzuschreiben, ob diese wissen, dass sie sich mit einem bekennenden Neonazis verlinkt haben. Die Möglichkeiten, "von unten" aktiv zu werden und Nazis im Rahmen der Möglichkeiten des Internets zu isolieren, sind auch in diesem Medium also durchaus gegeben. Daneben haben die User bei Gayromeo auch die Möglichkeit, Mitglied im Club "Schwule_gegen_Rechts" zu werden, diesen in ihrem Profil zu verlinken und so ein Zeichen zu setzen.
Jörg Fischer, Jahrgang 1969, gehörte von 1982 bis 1991 selbst der neonazistischen Szene an - als Funktionär der NPD und Gründungsmitglied der DVU. In seinem Buch Ganz rechts (Amazon-Affiliate-Link ) berichtet er über diese Zeit und seinen Ausstieg aus der braunen Szene. Seit 1996 ist Jörg Fischer aktives Mitglied der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) und in verschiedenen linken Initiativen aktiv.
15. Januar 2005














