
https://queer.de/?22832
Zur Debatte um den DAH-Anzeigenstopp
Gegen das System Berger!
- 06. Dezember 2014 33 Min.

Nun eine kleine Auswahl von David Bergers "Bonmots"
Wer denkt, die Kritik an "Männer" durch die Deutsche Aids-Hilfe sei ein "Zickenkrieg", sollte einmal genau hinschauen, was der Chefredakteur so von sich gibt.
Vor rund zwei Wochen hat die Deutsche Aids-Hilfe bekannt gegeben, dass sie im schwulen Magazin "Männer" unter Chefredakteur David Berger keine Anzeigen mehr schaltet, da dieser ein "ein traditionelles Männlichkeitsbild" propagiere und mit "teils rechtspopulistischen Aussagen" provoziere, damit "Ausgrenzung und Abwertung von Menschen" befördere und im Widerspruch zu den Grundsätzen der HIV-Prävention stehe (queer.de berichtete). queer.de-Geschäftsführer Micha Schulze kritisierte das in einem Kommentar als verständliche, aber falsche "Verzweiflungstat". In diesem Kommentar verteidigt queer.de-Chefredakteur Norbert Blech die Aids-Hilfe. Er entstand vor dem Spendenskandal im Hause Gmünder.
Es war ungefähr Anfang des Jahres, als Homo-Hasser eine neue Strategie anwandten: Dem Vorwurf der Homophobie setzten sie ihre "Meinungsfreiheit" entgegen, die wir üblen Lesben und Schwulen ihnen angeblich nehmen wollten. Sie beklagten ernsthaft, von einer "Homo-Lobby" mit Begriffen wie "homophob" oder "Homo-Hasser" diskriminiert zu werden. Das Ziel: Kritik entwerten, ohne sich mit ihr auseinandersetzen zu müssen. Bei ihren Anhängern verfing das, bei manchen Medien leider auch.
Eine ähnliche Vernebelungsaktion führt gerade David Berger durch: Er reagiert auf die Kritik der Deutschen Aids-Hilfe (DAH) nicht mit Argumenten, sondern mit einer Schlammschlacht, als deren Opfer er sich dann darstellt. Berechtigte Kritik wird von ihm, wie häufig, als "Zickenkrieg" denunziert – es ist erschreckend, wieviele Leute sich bereits mit diesem "Argument" abspeisen lassen.
Pressefreiheit schützt vor Kritik nicht
Dann ist von einem Angriff auf die Pressefreiheit die Rede. Zunächst hat die Entscheidung der DAH mit der Einschränkung von Pressefreiheit soviel zu tun wie Kritik an Berger oder anderen streitbaren Zeitgenossen mit der Einschränkung von Meinungsfreiheit: Nämlich gar nichts!
Pressefreiheit wird – in Deutschland – vom Staat garantiert und größtenteils nur von ihm eingeschränkt, sei es durch ungerechtfertigte Razzien in Redaktionen oder manche absurde einstweilige Verfügung, manchmal auch durch die Nichtzulassung zu einer Veranstaltung. Anderswo ist Pressefreiheit etwas, worüber man in den Jahresberichten von Reporter ohne Grenzen liest. Dass Journalisten weltweit verfolgt und ermordet werden, sollte einen davor zurückschrecken lassen, den Begriff schnell zu verwenden. Denn das führt zu einer Abnutzung und Desinteresse.
Pressefreiheit bedeutet nicht, sich für seine Erzeugnisse nicht rechtfertigen, nicht verantworten zu müssen. Sie nimmt anderen Leuten nicht das Recht auf ihre Meinungsäußerung, der DAH auch nicht das Recht auf freies Handeln.
In diesem Fall handelt sie, man muss das angesichts der Anfeindungen leider betonen, übrigens nicht mal, um eine unliebsame Berichterstattung über sich selbst zu verhindern. Das wäre unter Umständen kritikwürdig, dann wären Berger vermutlich auch andere Journalisten beigesprungen. Stattdessen beklagt sie als Organisation, zu deren Aufgabe die Steigerung von Akzeptanz gehört – wohlgemerkt nicht nur die schwuler Männer -, dass das Magazin dieses Ziel konterkariert. Liest man die Stellungnahme der DAH, ist die Kritik aus ihrer Sicht heraus plausibel. Man kann den Anzeigen-Stopp dennoch für überzogen, auch für taktisch falsch halten – aber das Handeln basiert auf einem ehrenwerten wie wichtigem Motiv. Das Eintreten gegen Diskriminierung und Stigmatisierung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
Es ist übrigens eine Entscheidung, die der DAH nicht leicht gefallen ist. Vor Monaten hatte sie bereits quasi einen Warnschuss verfasst, angesichts eines besonders unglaublichen Debattenbeitrags in der "Männer", in dem der Autor Schwulen eine Mitschuld an ihrer Verfolgung gab und Anpassung an die Gesellschaft forderte. Vor einigen Wochen, bei einem Presseseminar der DAH für die schwulen Journalisten des Landes, bei dem sich übrigens kein "Männer"-Vertreter blicken ließ, bekam man am Rande mit, welche langen Diskussionen es zum Umgang mit diesem Magazin gegeben haben muss.
Eine beispielhafte Abwehrschlacht
Nein, wer glaubt, bei der Entscheidung der DAH gehe es um "Zickenkriege", eine "Kampagne", Links gegen Rechts oder gar die Pressefreiheit, ist David Berger schon auf den Leim gegangen. Selbst manche Forderung an beide Seiten, zur Sachlichkeit zurückzukehren, verärgert: Die DAH hat sachliche Gründe aufgeführt und sich auf Facebook vorbildlich der Diskussion gestellt; Berger und sein Verlag verteidigen sich hingegen mit, nun, solchen Sachen:
Begonnen hatte die Abwehrschlacht, die wir mal beispielhaft für die Arbeit Bergers recht ausführlich dokumentieren wollen, mit einer Stellungnahme, in der der Verlag den Anzeigenstopp bedauerte, inhaltlich nicht Stellung bezog, sich aber freute, mit Berger "weiter profiliert und debattenstark (zu) bleiben". Auf Facebook hatte man das Statement weniger neutral angekündigt:
Auf den Einwand eines Lesers, das Wort "Kampagne" zeige, dass man die Kritik nicht ernst nehme, antwortete die Redaktion:
Das entspricht nicht der Wahrheit. In besagter Pressemitteilung spricht die DAH lediglich von ihrer Präventionskampagne "Ich weiß was ich tu". Ein entsprechender Leserhinweis sollte die Redaktion trotzdem nicht davon abhalten, noch Tage später von einer "DAH-Kampagne gegen Männer" zu sprechen.
Den Ton der Debatte setzte ein "anonymer" Gastkommentar, der auf m-maenner.de veröffentlicht wurde. Kritisiert wird darin eine "propagandaeske Kampagne" einer "durch nichts legitimierten Wirtschaftsmacht"; "mit Steuer- und mit Spendengeldern" werde versucht, "Druck auszuüben und Meinung zu zensieren" sowie "das letztverbliebene schwule Blatt auf ominöse Linientreue zu zwingen". Kernsatz des Kommentars:
Von diesem unpassenden Nazi-Vergleich ist der "anonyme" Kommentator derart begeistert, dass er ihn in einem Kommentar unter dem Artikel gleich noch zwei Mal wiederholt. Während dieser Artikel bei der "Männer"-Seite auf Facebook größtenteils auf Unverständnis stieß, war auf Bergers Haupt-Facebook-Profil, wo Kritiker schnell geblockt werden, davon wenig zu spüren. So kam er auch mit zahlreichen Angriffen auf die Glaubwürdigkeit der Deutschen Aids-Hilfe wie diesen durch:
Für einige Minuten war auch ein Beitrag Bergers online, in dem er bat, Spenden für die DAH zum Welt-Aids-Tag zu überdenken, wenn man für Pressefreiheit und gegen Zickenkriege sei. Dazu postete er einen Aids-Hilfen-Teddy – der übrigens nur von lokalen Organisationen genutzt wird – mit der Überschrift: "Aids-Pressezensur-Award-Teddy". Auch Bruno Gmünder hatte den Teddy gepostet – und gleichzeitig mehrfach gestreut, die "Kampagne" könnte eine Racheaktion des früheren Verlagsgeschäftsführers Tino Henn sein, der im Vorstand der DAH sitzt:
Henn hat gegenüber queer.de angegeben, sich aus entsprechenden Entscheidungen herausgehalten zu haben (queer.de berichtete), als Vorstand hat er auch wenig mit dem Tagesgeschäft der Organisation zu tun. Er hatte noch beide Posten inne, als die DAH erstmals "Männer" öffentlich kritisierte.
Eine weitere "Verteidigungs"-Linie: Wahlweise Spenden- oder Steuergelder.
Mancher Beitrag liest sich daher geradezu scheinheilig:
Es geht noch schlimmer: Manchmal lügt Berger schamlos. Etwa als er behauptet, diese Reportage über ein Schicksal, an dem viele Leute Anteil genommen hatten, habe ihm seitens der DAH den Vorwurf der Islamophobie eingebracht:
In Wahrheit bezieht sich die DAH in ihrer Pressemitteilung überhaupt nicht auf diesen Artikel, sondern unter anderem auf einen Debattenbeitrag des Islam-"Kritikers" Daniel Krause in "Männer" (mehr dazu später). Das Wort "islamophob" findet sich in der DAH-Kritik übrigens auch nicht, sondern der Satz: "Eine differenzierte Auseinandersetzung zum Thema Homophobie und Islam bleibt der Journalist schuldig. Der Beifall von rechts bleibt indes nicht aus."
Bisweilen wurde Bergers Verteidigung seltsam:
Neben dem Körper ging es dann auch noch um die Seele:
Verlinkt ist ein älterer Text zum Thema: "Wie die schwule Welt mit ihren eigenen Helden umgeht". Kritisiert wird darin, dass "queere Medien", die "selbst ernannten Schubladenwahrer der queeren Correctness", etwa am Coming-out Hitzlspergers nur Details zu bemängeln gehabt hätten, anstatt ihn zu loben. Das hatte zwar etwa queer.de in keinster Weise getan, aber es ließ sich da bereits ahnen, dass Berger den Text wohl vor allem über sich selbst geschrieben hatte. Einen Text über das "Tall Poppy-Syndrom": Das Bedürfnis, "herausragende Persönlichkeiten, egal wodurch sie sich auszeichnen, öffentlich zurechtzustutzen, weil man sich der eigenen Unzulänglichkeiten so weniger bewusst ist." Der Text beinhaltet übrigens auch einen Seitenhieb auf die DAH, die – mit ihrer Akzeptanz-Kampagne! – angeblich junge Menschen in Schubladen pressen wolle.
Ansonsten hatte Berger keine Probleme damit, Artikel der "Jungen Freiheit" und vom christlich-fundamentalistischen Blog Charismatismus zu verlinken. Letzteres kritisierte die DAH, "die von staatlicher Seite stark gesponsert wird", das extrem rechte Blatt hingegen erfreute sich, auch auf schwuler Seite eine Debatte über "Gender-Ideologie" zu finden. Berger, der zuletzt selbst entsprechende Kritik äußerte, gab dafür scheinheilig der DAH die Schuld:
Weitere Kommentare Bergers, man beachte die feinen Unterschiede in den Aussagen, zeigen mehr als unverblümt, dass es diesem Chefredakteur eines schwulen Magazins ganz klar daran gelegen war, der DAH Massenmedien auf den Hals zu hetzen, mit ihm und zahlreichen Unterstellungen als Kronzeugen.
Erhofft hatte sich Berger wohl eine Hetzkampagne, wie sie die FAZ derzeit gegen Szeneeinrichtungen wie das Waldschlösschen führt. Stattdessen bekam er am letzten Freitag einen "Welt"-Artikel, der beide Seiten nicht gut aussehen ließ. So ging etwa die Idee mit der Verschwendung von Geldern nach hinten los: Deutlich wird stattdessen, dass Anzeigen bei der "Männer" in Print und Online mangels Lesern das Geld kaum wert sind.
Ein Punktsieg für Berger ist der Artikel trotzdem: Er geht auf die wichtigste inhaltliche Kritik der DAH, Rechtspopulismus, kaum ein. Es sei bei der Auseinandersetzung "unmöglich, die genauen Beweggründe zu rekonstruieren", meint die "Welt", dabei lassen sich für die Kritik der DAH zahlreiche Anhaltspunkte liefern. Lieber wirbelt die "Welt" persönlichen Staub auf (Tino Henn) und endet mit der Diagnose "Befindlichkeitsstreit". Berger hat's gefreut:
Berger Today
Das ist kein resoluter Umgang mit Kritik, sondern fast heiliger Zorn, den die Aids-Hilfe da trifft, eine Mischung aus Desinformation, Stimmungsmache, Manipulation, Lüge und Hetze, und das tagelang. Lenkt alles schön ab, irgendwas wird auch hängen bleiben. Das ist Russia Today, nicht Journalismus, und das zeigt Erfolg: Würde sich jetzt jemand Unabhängiges wie der Bund schwuler und lesbischer Journalisten (BLSJ) in die Debatte einschalten (ohnehin: Wo bleibt eine Stellungnahme?), und würde er Berger kritisieren: Dann würde es auch nur "Zickenkrieg!" heißen und keiner würde sich mehr für die Kritikpunkte interessieren. Die Szene solle zusammenhalten, heißt es dann immer, dabei liegt genau hier das Motiv für die Kritik an Berger.
Bergers Ziel ist selten Aufklärung und Debatte, sondern immer öfter die Erniedrigung der Gegner. Der Kampf gegen Erz-Homophobe wird mit mindestens gleicher Verve geführt wie gegen manche Szeneorganisationen oder -menschen. Und zu einem Gegner kann schnell jeder werden, der Berger mal kritisiert, und sei es nur vorsichtig in einem Nebensatz. Never mind the Homophobes: Plötzlich scheint der Kampf gegen die DAH nicht unbedingt für "Männer", aber für Berger das wichtigste Ziel der Schwulenbewegung.
Der Theologe ist nicht ein Aufklärer in der Szene, ein Journalist, der zurecht auch Internes kritisch, aber fair begleitet. Er ist stattdessen beleidigte Leberwurst, lose Kanone und launiger Nestbeschmutzer; eine Meinungsmacht in eigener Sache, die sich nicht groß mit Argumenten und Fakten aufhält. Das ist ein schädlicher Populismus: Geht das ungehindert so weiter, wird von der Szene nur ein Scherbenhaufen übrig bleiben.
Man erinnere sich an seine Kritik am LSVD, der "aufs engste mit den Geldhähnen der Parteipolitik verbandelt" sei (queer.de berichtete). Mehr als Stimmungsmache war da nicht. Was der LSVD konkret "falsch" macht, welchen unverzichtbaren Beitrag er vielleicht teilweise auch leistet – darüber erfuhr man nichts. Berger fordert eine schlagkräftige Bewegung – und hetzt doch nur die Schlagkraft gegen das eigene Lager auf.
Gegen Szene-Medien
Dazu zählen übrigens auch die Szene-Medien: Niemand hat die Homo-Presse in Deutschland so angegriffen wie Berger selbst, was seinem Gerede über Pressefreiheit zusätzlichen Irrwitz verleiht. Vor allem die Glaubwürdigkeit von queer.de versuchte er immer wieder in Frage zu stellen: Zu links sei das Magazin, meinte er immer wieder gegenüber seinen Followern, zu "queer" und geradezu kreuz.net-artig. Das ist nicht nur beleidigend, es schwächt auch den Einsatz von queer.de für die Community.
Man kann inhaltlich über vieles streiten, sich angesichts einer Abnahme von Szenemedien mit Relevanz und Haltung sogar mehr Debatte wünschen. Und das auch mit deutlichen Worten, wenn es um die Sache geht. Doch Berger fehlt dazu die nötige Substanz, Ernsthaftigkeit und vor allem Kollegialität, um sie führen zu können. Er teilt gerne unter der Gürtellinie aus, bekommt aber bereits bei Angriffen über der Gürtellinie einen tagelangen Wutanfall.
Berger fühlt sich andauernd angegriffen und lässt sich dafür feiern. Man weiß nicht, ob das eine Masche oder eine Störung ist, es artet jedenfalls immer aus: Da gab es – nach kritischen Artikeln der Journalisten – tagelange Angriffe gegen Dirk Ludigs oder Elmar Kraushaar. Letzerer musste sich in Folge gefühlte hundert Mal anhören, zu alt und "larmoyant" zu sein, vor allem sei er neidisch auf die Gruppe "Enough is Enough", obwohl er die nur am Rande kritisiert hatte und als ob diese die komplette LGBT-Bewegung ersetzen statt ergänzen könnte. Eine unjournalistische Instrumentalisierung ist auch ein Teil des Systems Berger: das platte Ausspielen einer angeblichen "Veteranenmentalität" gegen angebliche Retter der Bewegung, die Schmähung eines produktiven Diskurses als Zickerei von "ewigen Nörglern".
Als das Waldschlösschen Kraushaar verteidigte, musste auch diese hervorragende, von Jung wie Alt geschätzte Institution den Spott Bergers über sich ergehen lassen. Die Ironie dabei: Berger warf Kraushaar vor, sich "abzuschotten". Dabei war er es, der zuvor im Frühjahr einer Einladung zum jährlichen Homo-Journalistentreffen im Waldschlösschen nicht nachgekommen war, einem wichtigen Forum zum Austausch, für das sich Kraushaar eingesetzt hatte. Berger kam auch nicht zu einem von Kraushaar organisierten Treffen mit Sandra Maischberger in Berlin. Man muss auch miteinander reden können, wenn man schlagkräftig sein will – oder einfach nur journalistisch und fair berichten möchte.
Zuletzt wurden seine Angriffe immer fieser und unfairer, auch absurder. Eine Spam-Attacke auf m-maenner.de? Natürlich von der ach so neidischen Konkurrenz initiiert wie eine mehrtägige Facebook-Sperre Bergers. Dem Autor dieser Zeilen hielt Berger gar vor, auf einer Veranstaltung "krank" ausgesehen zu haben (aus angeblicher Sorge um eine nicht existente finanzielle Krise von queer.de).
Robert Niedermeier, einem freien Journalisten, der unter anderem für queer.de tätig ist, und dem Kollegen Christian Knuth der "blu" unterstellte er gar – unter zahlreichen perfiden Verdrehungen und unter Weglassung des ursprünglichen Zusammenhangs – einen Gewaltaufruf gegen ihn.
Der eigentliche Zusammenhang ist nicht eine reale Verabredung zur Gewalt, sondern eine scherzhafte, wenngleich missverständliche Verabredung zu einem Kalendershooting:
Der lange Facebook-Thread, in dem Berger alle Kommentare löschte, die den "Vorfall" aufklären wollten, ist inzwischen selbst gelöscht. Aus einem verunglückten Scherz machte Berger einen Komplott gegen ihn. Und er war sich nicht zu schade, das Ganze im Zuge der Auseinandersetzung mit der DAH zu wiederholen, als Begründung dafür, den anonymen Gastkommentar (den mit "Schwule, lest nicht mehr bei David Berger!") veröffentlicht zu haben:
Wer David Berger die letzten Monate nicht auf Facebook verfolgt hat, der wird nur ahnen können, wie perfide seine Attacken auf alles und jeden wurden. Genauso schlimm: Viele Menschen schenktem ihm dafür uneingeschränkt Beifall. Berger hat das Klima derart vergiftet, dass von großen Redaktionen bis zu kleinen Bloggern keiner mehr Lust hat, sich mit ihm auseinanderzusetzen: Zu groß ist die Sorge vor einem tagelangen unfairen Shitstorm.
Natürlich wird auch diese Passage in eigener Sache jetzt wieder als Zickenkrieg und als Kampf unter Wettbewerbern verstanden, genutzt werden – auch das zeigt, wie absurd die Situation inzwischen geworden ist (und das freilich nur mit "Männer", keinem anderen Szenemedium). queer.de hat größtenteils nicht auf die Anfeindungen der letzten Monate reagiert, ohnehin kaum über David Berger berichtet, es gab genügend Wichtigeres zu vermelden. War dennoch mal eine Zurechtweisung oder zumindest Debatte nötig, etwa beim bereits von der DAH kritisierten Artikel über eine Anpassung der Szene an die Mehrheitsgesellschaft, wurde das natürlich ähnlich in eine Kampagne aus der angeblich linken, queeren Welt verwurstet wie die Kritik der DAH jetzt.
Selektive Informationen
Berger schädigt damit nicht nur sein Ansehen, sondern das Ansehen der ganzen Branche. Man müsste den Journalismus vor ihm beschützen. Es ist ja nicht mal so, als würde "Männer" hier eine Grundversorgung an Nachrichten, gar Schlagkräftiges bieten. Da wird nicht erst informiert, um dann zu kommentieren, sondern der Kommentar – und der Journalist – wird zur Nachricht selbst.
Ein trauriges Beispiel ist die Behandlung der Anti-Bildungsplan-Bewegung durch "Männer", sicher das wichtigste Thema des Jahres. Zunächst hat es die Redaktion kaum interessiert, Stuttgart scheint ja auch weit weg von Berlin. Höchstens verlor Berger mal einen Nebensatz über ein angebliches Einknicken der Grünen.
Jetzt kürzlich, vor den Demos in Dresden und Hannover, hat Berger immerhin einen durchaus lesenswerten Kommentar veröffentlicht: "Besorgte Eltern? Nein, ihr missbraucht Eure Kinder!" Es ist nur nicht so, dass er sich allzugroße Mühe mit der Recherche gemacht hätte, so wirft er die "Besorgten Eltern" und die "Initiative Familienschutz", zwei getrennt zu betrachtende Bewegungen, in einen Topf. Und dann setzt auch noch die Manipulation ein: "Islamisten", die bei der Bewegung eine nun wahrlich vernachlässigbare Rolle spielten, macht er zu einen der Hauptakteure. Und von der AfD liest man in dem Artikel: Nichts. Auch kein Wort zu CDU und FDP, die in Baden-Württemberg den Streit politisch nutzten (im Fall der FDP übrigens anders als in Dresden und Hannover). Immerhin erwähnt er Jürgen Elsässer, der "wie kein anderer für die abartigen Gemeinsamkeiten von Links-und Rechtspopulisten" stehe.
Berger und die CDU
Erzielt man so eine "schlagkräftige" Bewegung, wenn man sie nicht mal richtig informiert? Als CDU-Generalsekretär Peter Tauber kürzlich die Lesben und Schwulen in der Union ins Konrad-Adenauer-Haus einlud, feierte Berger das als "neue Etappe":
"Gerade unter den jüngeren Generationen schwuler Männer gilt in der überwältigenden Mehrheit, dass man sehr gut selbstbewusst schwul und zugleich überzeugtes CDU- oder CSU-Mitglied sein kann. Das Schubladendenken, das noch manch Altbewegten umtreibt, sieht man da einfach nur noch als Relikt aus alten Zeiten, irgendwie dem Kuriositätenkabinett der Homo-Geschichte zugehörig."
Berger war bei diesem Termin übrigens vor Ort, beklatschte Taubers Rede fleißig und bat ihn um ein gemeinsames Foto – beides macht man normalerweise nicht als Journalist. Den Großteil des Artikels schrieb Berger aus einem Bericht der "Welt" ab. Dass Tauber keine Ehe-Öffnung befürwortet, dass er nur privat für das Adoptionsrecht ist und die anstehenden Gleichstellungsfragen allgemein von Parteitagsbeschlüssen seiner Partei abhängig macht, musste man auf queer.de lesen. Berger schrieb stattdessen irreführend von einer "klaren Aussage" Taubers, "dass er das Engagement von Schwulen und Lesben um völlige Gleichstellung unterstütze".
Immer wieder betont Berger mit einer gewissen Freude in seinen Artikeln, wie normal es ist, dass es heute auch offen schwule Politiker in konservativen Parteien gibt. Das bestreitet niemand, das streitet ihnen niemand ab; auch queer.de begrüßt es, wenn in der Union selbstbewusste Mitglieder für die Ziele der Bewegung kämpfen (etwa hier, hier oder hier). Nur ist dieser Kampf nicht vorbei, gerade in der CDU kommt er nicht voran. Es ist Recht und Pflicht jedes engagierten Homo-Mediums und jedes Homo-Verbands, darauf hinzuweisen und Politiker, auch schwule, zu ihrem Handeln zu befragen und ein solches einzufordern. Berger stellt hingegen einen Freibrief für seine offensichtlichen Kumpanen und seine Wunsch-Leserschaft aus: Wählt ruhig CDU, wird schon werden.
In einem ähnlichen Beitrag auf "The European", der auch den oben zitierten Kuriositätenkabinett-Absatz enthält, holt Berger noch weiter aus:
Genau, der LSVD, der ein gutes Arbeitsverhältnis zu allen Parteien hat und Wahlprüfsteine nach nachvollziehbaren Kriterien der LGBT-Emanzipation, also seiner Arbeitsgrundlage, erstellt, ist mal wieder parteilich. Und eine kleine Minderheit tragischer Gestalten nörgelt noch rum? Das hätte Birgit Kelle nicht besser und boshafter formulieren können (und die gibt ihre Texte ebenfalls an "The European"). Ob der Eindruck stimmt, dass jüngere Schwule weniger Probleme mit einer sie diskriminierenden Partei haben, darf nebenbei stark angezweifelt werden.
Berger versucht hier eine Umdeutung des aktuellen Stands der Homo-Politik wie von deren Zielen – und verliert dabei manchmal selbst die Übersicht: Als der Berliner LSU-Vorsitzende beim "Marsch für das Leben" teilnahm, war auch Berger zunächst nicht begeistert.
Später war es ihm aber doch wichtiger, auf "queere Online-Medien" einzudreschen:
Ohnehin Jens Spahn. Dieser meinte kürzlich: "Mich regt es auf, wenn auf deutschen Straßen wieder gegen Juden gehetzt wird oder Schwule in Berlin-Schöneberg fürchten müssen, von türkischen Jugendlichen verprügelt zu werden." Berger geißelte das nicht als Populismus und Versuch, Minderheiten gegeneinander auszuspielen, sondern verteidigte auf der Webseite von "Männer" die "klaren Worte", die "nicht im Sinn und Stil der AfD" seien, nachdem er zuvor Spahn mit den Worten zitiert hatte, man solle die Menschen mit ihren "Ängsten nicht der AfD überlassen". Die Aussagen, die Gewalt und Menschenfeindlichkeit hauptsächlich einer Minderheit zuschieben, verkaufte Berger mit der Zwischenüberschrift "Ein starker Staat schützt Minderheiten".
"Mit klarer Kante könnten wir hier sogar das eher linke schwule Milieu für uns gewinnen", hatte Spahn dazu gesagt, und Berger wiederholt diese Idee mehrfach, unter anderem in der Überschrift. Er bewirbt Spahn regelrecht: Sollte der im Dezember ins CDU-Präsidium gewählt werden, sei das "ein klares Signal dafür, dass sich die große Volkspartei mit Nachdruck daran macht, ihren Nachholbedarf in Sachen gleiche Menschenrechte für Homosexuelle aufzuarbeiten".
Berger zu AfD und Linke
Wie sieht es mit Berger und der AfD aus? Durchwachsen. Er hat mehrfach Beatrix von Storch und Co. kritisiert. Andererseits heißt es in dem Artikel in "The European", dass besorgte Homophobe in der Union, die einen Wechsel in die Partei überlegen könnten, eine "explizite Anti-Homo-Partei" gründen müssten, da es selbst bei der Lucke-Partei eine eigene "Gruppe 'Homosexuelle in der AfD'" gebe. Das unterstellt, so homophob sei die AfD auch nicht, und adelt die Gruppe der peinlichen AfD-Homos.
Vor allem schreibt Berger später in dem Artikel über "das alte Homo-Dogma vom linken oder grünen Wähler" nach einem Abschnitt, dass man schwule und lesbische Politiker in allen demokratischen Parteien unterstützen sollte:
Man kann das recht einfach: Die Linken setzen sich in vielen Bundesländern in der Praxis und in allen Wahlprogrammen in der Theorie stark für LGBT-Belange ein. Die AfD bekämpft LGBT-Rechte, steht etwa an der Spitze der Bewegung gegen den Bildungsplan – und die AfD-Homos unterstützen sie aktiv dabei. Auch ansonsten setzt die Partei auf Vorurteile und Menschenfeindlichkeit. Der "Ausschluss" der AfD (Berger verlinkt dazu übrigens auf eine kritischen Artikel von queer.de) hat also seine Gründe.
Trotzdem setzt Berger immer wieder AfD und Linke, Rechtsextremismus und einen vermeintlichen Linksextremismus gleich. Kürzlich mag halb Deutschland über das gute Abschneiden der AfD in Sachsen erschrocken gewesen sein, David Berger hatte am Wahlabend deutlich mehr Sorgen:
Wie aktuell gegen die Aids-Hilfe hatte er kürzlich eine wochenlange Kampagne gegen die Linke gefahren: Als Anlass nahm er zum einen einen recht unübersichtlichen Streit in der NRW-Linken, der auch homophob geführt wurde. Dass führende Linke sich klar gegen Homophobie positionierten, verschwieg Berger.
Zum anderen kritisierte er den Umgang der Partei mit Israel-Kritik und Antisemitismus. Hier ist in der Tat einiges kritikwürdig. Aber wie Berger das zu einem Rundschlag gegen alles Linke und alles Queere nutzte, war schon beispiellos.
Als Beispiel für Antisemitismus nannte er etwa den Vorwurf des "Pinkwashing", und manchmal spielen bei den Nutzern des Vorwurfs, Israel lenke mit LGBT-Rechten von seinem Umgang mit Palästinensern ab, unter dem auch LGBT zu leiden hätten, neben ernsten Fragen zur allgemeinen Politik des Landes und vielen einseitigen, übertriebenen Darstellungen auch antisemitische Untertöne eine Rolle. Aber nicht jeder schwule Linke nutzt den Begriff, David Berger selbst hingegen hatte ihn in einem unüberlegten, vorzeitigen Beitrag zum Mord an dem Palästinenser Mohammed Abu Khdeir genau in diesem Sinne benutzt. Als Gerüchte über eine Homosexualität des 16-Jährigen aufkamen, stellte er zwei Möglichkeiten vor: Entweder ein "in der arabischen Welt immer wieder vorkommender 'Ehrenmord'" (zu denen aus der Region übrigens keine Berichte bekannt sind), oder ein gezielt gestreutes Gerücht, das "bei israelkritischen Stimmen den Verdacht eines besonders niederträchtigen Pink-Washing aufkommen lassen" könnte.
Unter Verweis auf Judith Butler, die hart mit Israel ins Gericht geht, aber kaum als antisemitisch bezeichnet werden kann, schreibt Berger in einem HuffPo-Beitrag über die Homophobie bei den Linken:
Die Queer Theory verbietet es also, dass Menschen sich einfach als schwul bezeichnen, und ist deshalb homophob?!? Auf Facebook wiederholte Berger das absurde Bashing: "Ich denke, durch die enge Anbindung an die Queer-Theorie sind die theoretischen Grundlagen für die Schwulenfeindlichkeit der Linken immanent."
Berger und die queere Wissenschaft
Das wohl absichtliche Fehldeutung ist kein Einzelfall. Immer häufiger kritisiert Berger "wirre Queer/Gender-Theorien", ohne sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Zuletzt gab er sogar der queeren Wissenschaft und nicht etwa Homophoben die Schuld an der widerlichen FAZ-Kampagne gegen Sekualkunde und Aufklärung über sexuelle Vielfalt:
Im August nahm Berger einen feuilletonistischen Beitrag des queer.de-Autoren Kevin Junk aus dem Januar zum Anlass, um "queere Ideologen" zu kritisieren, die "uns sagen wollen, welcher Sex politisch korrekt ist". Aus der Reflektion über Top-/Bottom-Rollen wurde bei Berger ein Versuch von "Feministen", um Sex zwischen Männern "nach ihren eigenen Vorstellungen umzuorientieren".
"Der Anspruch der queeren und katholischen Sexdiktatoren ist totalitär", schreibt Berger dazu allen Ernstes, er wolle im Bett keinen "Aufseher für queere Korrektheit" haben. "Die Welt schwulen Begehrens ist so bunt und vielfältig wie ihre Protagonisten. Wir sollten uns tunlichst davor hüten, sie nach politischen, moraltheologischen oder ideologischen Kriterien in gute und böse Stellungen im Bett aufzuteilen oder permanent pädagogisch begleiten zu wollen."
Als Alice Schwarzer im August einen misslungenen Rat an ein transsexuelles Mädchen verfasste, rief das auch Berger auf den Plan. Der vermutete hinter dem Rat, einfach in eine Jungen-Rolle zu schlüpfen, anstatt eine Geschlechtsanpassung anzustreben, nicht einfach eine unfähige Journalistin, sondern "queere Gender-Theorien". Mit der Unterscheidung zwischen biologischem Geschlecht und sozialen Geschlechterrollen biete sie die Grundlage für solchen Unfug.
Das Rollenmodell der Gender-Theorie, die Berger hier mit Queer-Theorie über einen Haufen wirft, begünstige auch Homophobie: "Homosexualität ist dann nämlich auch frei gewählt, nicht angeboren, sozusagen eine Modeerscheinung – die dann auch veränderbar bzw. im Kontext der Homo-Heiler heilbar ist. Die Queer-Theorie, die sich immer damit schmückt, nach Möglichkeit keinen Menschen irgendwie zu diskriminieren, wird so zur theoretischen Basis für eine besonders subtile und daher auch besonders gefährliche Form von Diskriminierung."
Das ist freilich absoluter Quatsch. Berger bezeichnet die Theorien in dem Artikel als "unwissenschaftlich", alleine weil "Männer deutlich mehr Testosteron haben als Frauen": "Biologische Voraussetzungen sorgen für das Entstehen bestimmter Geschlechterrollen." Auweia, dann können wir den Kampf um die Gleichberechtigung von Frauen gleich Jahrhunderte zurückdrehen. Und für Männer heißt das auch nichts Gutes.
Es ist nicht nur Wissenschaftfeindlichkeit, die Berger antreibt, wenn er Wissenschaft und Theorie mit Ideologie und Praxis verwechselt und Versatzstücke der Theorien kritisiert, wie es sonst nur die christlichen Fundamentalisten tun. Berger vertritt zugleich eine eigene Idee: Er unterstellt der Gesellschaft eine "Body-Phobie".
Berger erklärt das mit Aussagen, die immer dann auftauchen würden, "wenn zum Beispiel Bilder attraktiver Männer mit einem guten Körper das Cover oder den Innenteil eines Magazins schmücken". Wie in "Männer" also. "Solche Männer schön zu finden, sei nicht nur oberflächlich, sondern auch die Förderung eines 'Lookismus' (Diskriminierung aufgrund des Aussehens) gegenüber allen anders aussehenden Männern", kritisiert Berger eine vermutlich größtenteils eingebildete Kritiker-Bewegung.
Zunächst is "Lookism", ein in Europa eher selten erhobener Diskriminierungsvorwurf, der kleine Bruder von Sexismus und in diesem Zusammenhang besser verständlich. Auf die Welt schwuler Männer ist das allenfalls bedingt übertragbar, und diese kann durchaus ihre eigene Überlegungen anstellen. Leider wird das bei Berger wieder platt: "Spricht man mit den sich durch das Aussehen anderer diskriminiert Fühlenden, zeigt sich sehr oft, dass sie ganz enorme Probleme mit ihrem eigenen Körper haben, sozusagen an einer sehr ernsten Body-Phobie leiden. Diese wiederum steht in einem engen Zusammenhang mit der Trennung der körperlichen und psychischen Sphäre, die im Hass auf andere und den eigenen Körper ausarten kann." Es sei eine Lüge, dass Aussehen bei der Partnerwahl "völlig egal" sei und es auf den Charakter ankomme.
Bergers Text ist der einzige, den man im Internet zum Stichwort "Bodyphobie" findet. Man will sich gar nicht so recht an eine Deutung wagen, so wirr ist das. Vielleicht soll das einfach nur heißen: Ich bin der Geilste, werdet erstmal so "männlich" wie ich, bevor ihr euch mit mir anlegt. Was wiederum zu deuten wäre (Bergers Fitnessstudio-Bilder als Antwort auf Kritik, die Diffamierung von Kollegen als "krank" oder eine "Ice Bucket Challenge" an u.a. Elmar Kraushaar lassen hier Schlimmes erahnen; wer denkt, es komme gar nicht auf den Charakter an, zeigt vielleicht deswegen viel von seinem Körper, weil er seinen eigenen Charakter nicht vorzeigen kann).
Schön und kräftig zu sein, scheint jedenfalls ein Wettkampf, dem man sich notfalls stellen muss, mit viel Fitnessstudio hier, ein paar Testosteronspritzen dort, um bestimmte Ideale zu erfüllen. Diese existieren in Teilbereichen der Szene durchaus, gerade in Zeiten des Online-Datens spielen sie im Alltag eine Rolle. Manche frustriert das, manche stürzen sich in einen Wettkampf. Fokussiert man sich allerdings zwanghaft alleine auf diesen Gedanken – du musst so männlich sein wie möglich -, scheint das keine gesunde Antwort darauf zu sein. Mit zunehmenden Alter ist der Wettkampf veloren, auf Solidarität ließe sich dann auch nicht mehr setzen. Du musst ein gefühltes Mehrheitsbild erfüllen – mit einem gesunden Selbstbewusstsein hat das wenig zu tun. Kein Wunder, dass die DAH besorgt reagiert.
Dann liest man die Andeutung über die "vom Aussehen anderer diskriminiert Fühlenden", als gäbe es so etwas. Damit schwächt Berger den Begriff Diskriminierung ab und kehrt zugleich die Richtung ins Absurde um: Die Schönen werden diskriminiert. Und er wertet "Menschen ab, die diesem Bild nicht entsprechen", wie die DAH schreibt. Es ist okay, wenn ein Magazin optisch auf ein bestimmtes Männerbild setzt. Es wird aber heikel, wenn man meint, das rechtfertigen zu müssen.
Berger und die Anpassung
In gewissem Sinne formuliert Berger da einen Darwinismus, und das zeigte sich mit seinem ausgrenzenden Charakter auch bei einer Anpassungsdiskussion im Frühjahr. Ein Dennis Deuling beschwerte sich in einem "Männer"-Text, dass die schwule Szene "bunt, schrill und anders" sein und wie das Beispiel Conchita Wurst "auf die schockierende Andersartigkeit" setzen wolle. So etwas provoziere "nicht selten auch aggresive Abwehrreaktionen" – wohl auch bei Deuling selbst.
In Folge gab der Autor Homosexuellen selbst die Schuld an der Verfolgung in Russland und Uganda, sie sei "logische Konsequenz" der von der Szene selbst "promoteten 'Andersartigkeit'". Wer "Akzeptanz und Integration" wolle, müsse sich daher anpassen. In Wirklichkeit redet er damit einer Pseudo-Akzeptanz das Wort, die nur das akzeptiert, was sie will. Deuling mag dazugehören; andere müssten sich dafür einschränken oder verstellen, wieder andere könnten das nicht. Und das hat Konsequenzen.
"In unserer gesamten Geschichte können wir verfolgen, wohin einen diese 'Andersartigkeit' führen kann", schreibt Deuling. "Erst wurden Indianer in Reservate gesperrt, dann wurden Schwarze versklavt und was im Dritten Reich mit den 'Andersartigen', besonders den Juden, passierte, muss hier nicht ausgeführt werden. Diese Gruppierungen haben alle eine Gemeinsamkeit: Sie waren jedes Mal 'anders', was konkret bedeutet: sie entsprachen nicht der Normgesellschaft."
Dieser Vergleich macht sprachlos. Man kann ihn in diesem Zusammenhang nicht anders lesen, als dass die Juden mitschuld an ihrer Verfolgung waren. Dabei zeigt die Geschichte klar, dass auch eine "Anpassung" ihnen nicht geholfen hätte. Das Gerede von einer Norm- und Mehrheitsgesellschaft kam den Nazis dabei gerade recht. Man kann ahnen, auch welche Seite sich Leute, die unbedingt dazugehören wollen, damals gestellt hätten.
Berger hatte den Text im Rahmen einer Debatte veröffentlicht, von der es weitere geben sollte (darunter auch zum Umgang mit "dem" Islam, dazu später mehr). In seinem Einleitungstext zeigte er selbst keine Haltung zu der rückwärtsgewandten Debatte, sondern befeuerte sie mit den krassesten Äußerungen beider Seiten. So dürfen sich auch die Falschen bestätigt fühlen.
Man kennt das aus Talkshows zum Thema Homo-Rechte. Es war David Berger, der sich dafür aussprach, Homo-Hasser aus diesen Sendungen auszusperren ("Schwule und Lesben sollten nicht länger aushalten müssen, dass man sie öffentlich diffamiert"). Er unterzeichnete später auch den genauer formulierten Waldschlösschen-Appell: Einladen ja, aber dann auch mit Haltung stellen.
Geht es aber gegen andere Minderheiten, innerhalb oder außerhalb der Szene, soll das nicht mehr gelten: Als die DAH den Text und seinen Abdruck kritisierte, reagierte Berger mit einem Kommentar, in dem er "Keine Denkverbote" forderte. Immer öfter feiert er sich als Held der "Meinungsfreiheit", gegen Personen, die "Debatten offensichtlich am liebsten schon im Vorfeld verhindert hätten". Diffamierungen nimmt er dabei in Kauf.
In Bergers Text findet sich wieder Kritik an der DAH, "die eigentlich vom Steuerzahler dafür finanziert wird, dass sie HIV-Präventionsarbeit leistet". Später wird er eine Satire veröffentlichen, in der er die Akzeptanz-Kampagne der DAH kritisiert, in dem er sie auf eine Aussage beschränkt, "Seid tuntig", und sich darüber lustig macht: Das sei wie Eulen nach Athen tragen.
Neben einem Unverständnis von Wissenschaft schlägt bei Berger ein weiterer Gedanke durch: Warum soll man sich als schwuler Mann auch für Frauen oder Tunten, Transsexuelle oder Transgender einsetzen? Immer mehr wird deutlich: Berger schreibt für Männer, die nicht mit ihrer und anderen Minderheiten kämpfen wollen, bis sie Teil einer vielfältigen, gleichberechtigten Gesellschaft sind; sie wollen so schnell wie möglich als Teil der Mehrheit wahrgenommen werden. Dafür nehmen sie die Ausgrenzung anderer in Kauf. Und Berger sagt ihnen: Das ist okay so, seid ruhig unsolidarisch, bei mir habt ihr ein Forum. Immer öfter zeigt sich dabei sein eigenes menschenfeindliches Weltbild.
Berger und die Frauen
Im Jahresrückblick der aktuellen "Siegessäule" macht das Berliner Stadtmagazin Berger zur "größten Nervbacke": "Egal ob Linke, Tunten oder 'wirre Queer/Gender-Theorien' – Theologe und 'Männer'-Chefredakteur Berger ätzte gegen alles außerhalb seines Horizonts." Natürlich zeigte er dann auf Facebook seinen Horizont:
"Frauenhaus"? Weiß Berger nicht, welchen Zweck diese Einrichtungen haben? Oder weiß er es genau? Allein dieses eine Wort dürfte in der aufgeklärten Welt für die Begründung eines Anzeigen-Verzichts ausreichen. Berger lobt dann noch per Facebook-Like die folgenden Kommentare:
Ein solches Frauenbild zieht sich durch "Männer": In einem Artikel zu Beatrix von Storch heißt es: "Ist das jetzt eine Lesbe, oder ist die einfach nur hässlich?" In Bergers Plädoyer für eine schlagkräftige "Homo-Lobby" steht: "Man schaue sich nur einmal die Internetseiten und Broschüren des LSVD an: es wimmelt da nur so von netten lesbischen Paaren, die ein Kind adoptiert haben und auf dem grünen Rasen vor ihrem Reihenhaus sitzen. Die wenigsten schwulen Männer dürften sich durch diese, bei den großen Parteien gut ankommende Selbstpräsentation irgendwie vertreten fühlen."
Im "Welt"-Artikel wird Berger wie folgt zitiert: "Wir stellen viele Männertypen vor. Aber eben keine Lesbe aus Kreuzberg, die sich als Mann fühlt." Kein Zweifel, dass das abwertend gemeint ist. Immerhin ließ er sich in Bezug auf die "Siegessäule" noch von einer Leserin dazu überreden, den Begriff "Frauenhaus" auszutauschen. Nun heißt es:
"Queeriban"? Leider kein Ausrutscher, noch Tage später lässt er sich dafür feiern:
Und er hat in den letzten Tagen noch einen weiteren Begriff geprägt:
Wie soll sich die Szene eigentlich demnächst noch wehren können, sollten Gabriele Kuby & Co vom Vorwurf der "Homo-Lobby" gelangweilt sein und stärkere Ausdrücke suchen?
Schüren von Islamophobie
Wie die offensichtlichen Vorbilder, von Sarrazin bis hin zu "Politically Incorrect", hat Berger einen teuflischen Spaß daran, verbal aufzurüsten; inzwischen steht er kurz vor Akif Pirinçci. Zum Rüstzeug der neuen Rechten, der Populisten gehört es auch, einfach Andeutungen zu machen und damit zum Verbreiten von Gerüchten beizustreuen.
Wie sie lässt sich Berger auch als Held feiern, der vermeintliche Tabus aufbricht.
Selbst der Nahost-Konflikt, der sich wahrlich nicht auf eine Frage des Islams reduzieren lässt, wird instrumentalisiert:
Wie auch eigene Artikel:
Das Problem daran ist nicht, dass es ein solches "Tabu" geben würde (Talkshows sind voll mit Leuten, die über "den Islam" sprechen, die Verfolgung homosexueller Männer in Staaten mit islamischer Führung ist auch auf queer.de viel häufiger ein Thema als bei "Männer" selbst). Das Problem ist, dass nicht differenziert nach Gründen gesucht wird, nach Lösungsansätzen – sondern einfach nur der Islam und vor allem mit ihm alle Muslime zu Schuldigen erklärt werden.
Es ist eine Debatte, die andere überlagert und verdrängt. Bis ausgerechnet die Bildungsplan-Gegner das Thema Aufklärung über sexuelle Vielfalt zum Thema für die Szene machten, interessierte das keiner. Dabei erreicht Schule alle Bevölkerungsgruppen. Es ist eine Debatte, deren einzige Antwort lautet: weniger Migration. Es ist auch eine Debatte, die Ausgrenzung befördert, jungen wie schwulen Migranten vermittelt, nicht dazu zu gehören, die sich nicht mit ihrer Situation beschäftigt. Damit wird das Problem nur verschärft.
In einem weiteren Facebook-Eintrag verlinkte Berger einen Video-Vortrag von Daniel Krause.
Der schwule Lehrer war einst auf einer Demo von "Pro NRW" aufgetreten und hat später ein Buch verfasst, "Als Linker gegen Islamismus – Ein schwuler Lehrer zeigt Courage", das vom Hetz-Portal "Politically Incorrect" per Vorabdruck beworben wurde. Darin beklagt er, dass auf CSDs "sexuelle Dekadenz gefeiert" werde, anstatt vor dem Islam zu warnen. Christian Scheuß hatte das Buch für queer.de besprochen und geurteilt: Krause "spricht bereits die Sprache der Rechtspopulisten, mit der nicht ungeschickt wie populistisch Kritiker abgewertet und für dumm wie blind erklärt werden. Und die, wenn sie sich erst in hysterische Rage geredet haben, keinen Unterschied mehr machen zwischen der Religion des Islam samt ihren Anhängern und einem fanatischen Islamismus, der sich im seltenen Extremfall gar des Terrorismus bedient".
Ist dieser rechte Populismus wirklich "diskussionswürdig"? Berger meint ja und rechtfertigt das in den Posting-Kommentaren in einer Art, auf die die Diagnose von Scheuß auch zutreffen könnte – samt einem Bedrohungsszenario.
Berger hatte bereits in der September-Ausgabe 2013 des Print-Magazins Krause ein Forum geboten, in einer Pro & Contra-Debatte. In seiner Einleitung schreibt Berger mit Verweis auf das Berliner Überfalltelefon Maneo, dass es Unsinn sei, dass die Hälfte der Gewalttaten von Menschen mit muslimischen Migrationshintergrund begangen würden. Dafür sei die Angst schwuler Männer "vor dem Islam bzw. vor (…) Gewalt weiter verbreitet als man denkt". Wenn es die Fakten nicht hergeben, muss also das Vorurteil selbst als Grund dienen, eine Debatte zu führen.
"Leider zeigt sich bei queeren Wortmeldungen immer wieder die Tendenz, schon die Frage nach einer möglichen gewalttätigen Bedrohung durch den Islam als rechtsradikal niederzuschmettern", schreibt Berger – sie ist also "möglich", durch "den Islam". Der katholische Theologe weiter: "Es gilt auch, dass Ängste dann zur Bedrohung werden, wenn sie nicht thematisiert werden und so auch die Möglichkeit einer rationalen Aufarbeitung entfällt." Mit dem Pro & Contra leistet "Männer" freilich keine Aufarbeitung, sondern eine Reproduzierung dieser Ängste.
Krause selbst schreibt in seinem Beitrag, in "westlichen Parallelgesellschaften" greife "muslimische Homophobie um sich": Es gebe Ehrenmorde, "islamische Straßengangs attackieren Schwule auf offener Straße" usw. Demnach müsste man beim überwiegenden Teil der homophoben Übergriffe von "christlichen Straßengangs" oder Einzeltätern schreiben. Krause weiter: "Der politisch korrekte Mainstream verharrt im Totschweigen. Rassismus-Keulen schlagen berechtigte Islamkritik in Grund und Boden. Der radikale Islam wird auch dadurch immer gefährlicher, dass er mit dem linken und grünen Gutmenschentum einen 'nützlichen Idioten' als Verbündeten hat, sogar unter Homosexuellen."
In der neuesten Ausgabe des Magazins stellt Jan Feddersen den schwulen Pro-Köln-Vorsitzenden Michael Gabel vor, in einem Text, der zunächst dem "Klischee des schwulen Mannes" nachgehen will, "der nur links sein kann". Gabel plappere "prekärsten Stammtisch" und sei auf "unsympathischste Schlichtheit getrimmt", so Feddersen, der vor ihm wie vor der AfD deutlicher warnt als es Berger je getan hat.
Zugleich schreibt er aber: "Wie Gabel, das kann profund spekuliert werden, denken viele schwule Männer, und das tun sie in Hinblick auf die islamische Minderheit im Lande auch notgedrungen. Tatsächlich ist das Schmähwort 'schwul' auf Schulhöfen besonders durch Kinder muslimischer Einwanderer stark popularisiert worden, und in der Tat weiß das Berliner Überfalltelefon aus dem hauptstädtischen Szeneviertel am Nollendorfplatz zu berichten, dass schwule Männer sich öfters Aggressives durch Bürger gefallen lassen müssen, die sie dem Islam zurechnen."
Man muss Berger zugute halten, dass er auch andere Religionen kritisiert (wobei sich immer mehr die Frage aufdrängt, ob das nicht vor allem aus Rache geschieht). Nur geht es dabei meist um einzelne Führungspersonen und konkrete Äußerungen, Handlungen und Vorschriften. Die "Islam-Kritik" von "Männer" und Berger ist hingegen das bewusste verallgemeindernde Spiel mit pauschalen Ängsten und Urteilen über eine Bevölkerungsgruppe, das nicht zu einer Verbesserung der Lage beiträgt, sondern Ausdruck einer Bewegung ist, die sich an Vorurteilen regelrecht aufgeilt, dadurch zusammenfindet und mit diesem Populismus, der sich auch gegen LGBT richtet, zunehmend Erfolge einfährt.
Die DAH hat recht
"Muslime werden immer wieder pauschal als Urheber schwulenfeindlicher Gewalt dargestellt", urteilt die Deutsche Aids-Hilfe über "Männer". "Wie bei den anderen Themen äußert Berger seine Ressentiments meist nicht offen, sondern kleidet sie in Fragen oder verweist scheinheilig auf seine journalistische Aufgabe, Debatten anzustoßen. Haltung und Richtung sind trotzdem unübersehbar."
Diese Diagnose ist zutreffend und besorgniserregend. Um nicht missverstanden zu werden: "Männer" setzt auch gute, wichtige Themen und kann mit dem Schwerpunkt auf schwule Männer und mit der Gelassenheit und Tiefe eines monatlich erscheinenden Magazins ein wichtiger Teil des LGBT-Meinungsspektrums sein; es kann, wenn es das überhaupt will, selbstverständlich auch konservative Positionen vertreten. "Männer" hat integre Journalisten in seinen Reihen, unterstützt von zahlreichen hervorragenden freien Autoren. Sie werden aber nicht durch die Aids-Hilfe bestraft, sondern durch ihren Chefredakteur, der immer wieder Grenzen überschreitet.
Berger sieht die Emanzipation von LGBT, von Frauen und vielen Minderheiten nicht als gesamtgesellschaftliche Aufgabe (und die eines schwulen Magazins) an, sondern als Ausdruck linker und queerer Spinnereien, die es mit viel Zynismus zu bekämpfen gilt. Berger bedient Vorurteile auf Kosten anderer und grenzt so auch Personen in der Community aus. Er verbrüdert sich lieber mit dem rechten Rand der Szene und der Gesellschaft, als deren Vielfältigkeit und deren schwächere Mitglieder vor diesen Rändern zu verteidigen.
Das widerspricht dem Anliegen der DAH: Sie fordert ein schwules Magazin, dass die "Identität und die Strukturen der Community stärkt, anstatt sie zu spalten", das wie die IWWIT-Kampagne "Vielfalt anerkennt, schätzt und fördert". Ein Magazin, in dem man sich mit seinen Anzeigen und Anliegen nicht selbst ausgegrenzt fühlt.
Der Anzeigen-Stopp war daher richtig und sollte ein Vorbild für weitere Distanzierungen sein, auch gehört die Aids-Hilfe vor den wilden Angriffen Bergers verteidigt. Micha Schulze hat gefordert, ihn als Troll nicht zu füttern. An dem Vergleich ist viel Wahres dran, und ein Ignorieren ist für den Alltag nicht die schlechteste Taktik. Doch zum Füttern gehören auch Anzeigen oder der Kauf des Magazins. Und manche Thesen brauchen einen klaren Widerspruch!

Die Leute, die damals für die Ergreifung der kreuz.net-Hintermänner gespendet haben, wollten sicher nicht, dass Herr Berger sich mehr als die Hälfte in die eigene Tasche steckt und die andere Hälfte in der Insolvenzmasse des Bruno-Gmünder-Verlags verschwindet.