Ist Justitia fair bei Hasskriminalität gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle? (Bild: Markus Daams / flickr / by 2.0)
Der Verband ist sauer, dass ein von Schwarz-Rot geplantes Hasskriminalitätsgesetz die Gewalt gegen LGBT "tabuisiert".
Während der Rechtsausschuss des Bundestags am Mittwoch einer Expertenanhörung zu einem Gesetzentwurf gegen Hasskriminalität durchführt, hat der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) kritisiert, dass in dem Papier Homo- und Transsexuelle ausgespart werden. "Wir begrüßen es zwar ausdrücklich, dass rassistische Motive nun explizit benannt werden sollen", erklärte LSVD-Sprecher Manfred Bruns. "Es ist jedoch völlig unverständlich, dass anderen Formen der Hasskriminalität im Gesetzentwurf mit der Sammelrubrik 'sonstige menschenverachtende' Motive unsichtbar gemacht werden. So wird alltägliche Gewalt gegen Lesben, Schwule und Transgender nicht bekämpft, sondern tabuisiert und fortgeschrieben."
Der Entwurf wurde bereits Ende August vom schwarz-roten Kabinett gebilligt (queer.de berichtete). Durch die Initiative soll das Strafgesetzbuch geändert werden. Der Entwurf sieht höhere Strafen vor, sollte der Täter "besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Beweggründe und Ziele für eine Gewalttat gehabt haben. Das Gesetz war eine Reaktion auf die Mordserie der NSU.
Hierarchie der Hasskrimininalität?
Der LSVD fordert, dass im Gesetz ein Katalog der Hassdelikte übernommen werden sollte, der seit 2001 vom Kriminalpolizeilichen Meldedienst für die Erfassung politisch motivierter Kriminalität verwandt wird. Dort wird Hasskriminalität definiert als alle Straftaten, die "sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten". Greife man aus dem Katalog nur einzelne Kriminalitätsformen heraus, werde von der Bundesregierung "signalisiert, dass sie die anderen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit für nicht so gravierend hält", erklärte Bruns. Dabei würden alle Verbrechen aus Hass gleich schwer wiegen.
Lob vom LSVD erhält ein im vergangenen Monat eingebrachter Antrag der grünen Fraktion, in dem gefordert wird, auch LGBT vor Hasskriminalität zu schützen (queer.de berichtete). Dieser sei "deutlich wirksamer" als der Gesetzentwurf der Bundesregierung, so Bruns. Die Ökopartei fordert darin unter anderem, im Volksverhetzungsparagrafen 130 sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu erwähnen. Hier sind derzeit als Merkmale nur Nationalität, Rasse, Religion und ethnische Herkunft ausdrücklich erwähnt; außerdem fällt vage der Hassaufruf gegen einen "Teil der Bevölkerung" unter den Paragrafen.
Experten uneins
Bei der Anhörung im Rechtsausschuss am Mittwochnachmittag nehmen sieben Rechtsexperten Stellung zu den beiden Entwürfen. Einige der Experten äußern Zweifel, ob die Erweiterung der Merkmale beim Paragraf 130 nötig ist. So erklärte Dr. Ulrich Franke, ein Richter am Bundesgerichtshof, dass bereits jetzt praktisch allen "äußeren oder inneren Merkmale" eingeschlossen seien. Der sachsen-anhaltinische Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad lobte die vagen Formulierungen als positiv, da sie die "nötige Flexibilität der Rechtsanwendung und langfristige Handhabbarkeit" des Gesetzes garantiere. Er äußerte die Befürchtung, dass die "Hinzufügung weiterer Angriffsobjekte die Gefahr" berge, dass diese Auflistung als "abschließend" angesehen werde – und so neu auftretende Diskriminierungsmerkmale nicht erfasse.
Ralf Neuhaus, ein Anwalt und nebenberuflicher Professor an der Universität Bielefeld, hält dagegen die von den Grünen vorgeschlagene "Klarstellung" für einen Fortschritt, da in der augenblicklichen Gesetzgebung Volksverhetzung gegen Schwule, Lesben und Transsexuelle zwar mit dem Paragrafen 130 geahndet werden könne, aber nicht müsse. Er argumentierte: "Jede Konturierung nützt, zumal sich das Gesetz an den Bürger richtet. Er soll nach Möglichkeit allein durch die Lektüre des Gesetzes dessen Regelungsgehalt erkennen können. Bei dem Merkmal 'Teile der Bevölkerung' erscheint mir das nicht unbedingt gewährleistet, zumal gerade der gemeinte Adressat auf die – zugegeben: krude und absurde – Idee kommen könnte, die genannten Personengruppen zählten nicht zum 'Volk', jedenfalls nicht zu seinem, und seien daher auch nicht 'Teile der Bevölkerung'." (dk)
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