Leelah Alcorns endete auf der Interstate 71, als sie sich aus Verzweiflung vor einen Laster warf (Bild: Tumblr)
Der Tod einer Teenagerin aus Ohio erschüttert die USA. Es werden auch Vorwürfe gegen die Eltern laut, weil sie die Transsexualität ihres Kindes aus religiösen Gründen nicht anerkennen wollten.
Im Alter von 17 Jahren hat sich am Sonntag die transsexuelle Leelah Alcorn das Leben genommen. Sie warf sich 30 Kilometer von Cincinnati entfernt auf einer Autobahn vor einen LKW und wurde sofort getötet. Ihr auf der Blogging-Plattform Tumblr veröffentlichter Abschiedsbrief hat in den darauf folgenden Tagen für große mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Darin warf sie ihren evangelikalen Eltern vor, sie nicht unterstützt zu haben, und erklärte, sie wolle erreichen, dass durch ihren Tod in der Gesellschaft über Transsexualität diskutiert wird.
"Wenn ihr das hier lest, bedeutet das, dass ich Selbstmord begangen habe und es nicht mehr geschafft habe, diesen Artikel zu löschen. Seid nicht traurig. Es ist besser so", erklärte Alcorn ihren langen Abschied. Sie erklärte, dass sie im Alter von 14 Jahren erfahren habe, was "transgender" bedeutet. "Nach 10 Jahren der Verwirrung verstand ich endlich, wer ich war". Allerdings habe sie später festgestellt, dass ihre Eltern sie niemals akzeptieren würden, so hätten sie eine Hormonbehandlung abgelehnt. Auch hätten sie sie zu christlichen Therapeuten geschickt.
"Ich habe darauf eine 'Fuck you'-Einstellung gegenüber meinen Eltern entwickelt und mich in der Schule als schwul geoutet. Ich dachte, so wird mein Coming-out als Trans kein so großer Schock mehr sein", so Leelah. Ihr Coming-out führte aber dazu, dass sie auf Anweisung der Eltern die Schule verlassen musste. Alcorn erklärte, sie sei daraufhin vereinsamt und ihre alten Freunde "haben sich einen Scheiß für mich interessiert". Der Brief endet mit den Worten: "Repariert die Gesellschaft. Bitte."
Vorwürfe gegen Eltern
Leelah Alcorn veröffentlichte dieses Bild auf Tumblr
Die Eltern Carla und Joshua Alcorn weigern sich allerdings selbst nach dem Suizid, Leelah als ihre Tochter anzuerkennen. In Interviews bezeichnen die beiden überzeugten Christen die Verstorbene weiterhin als ihren Sohn: "Ich habe meinen Sohn lieb gehabt", sagte Carla Alcorn auf CNN. "Er war ein gutes Kind, ein guter Junge." In dem Abschiedsbrief habe sie erstmals den Namen Leelah gehört. Ihr Vater erklärte gegenüber dem Lokalsender WCPO: "Wir wollen nicht, dass der Tod politisiert wird von Leuten, die unseren Sohn nicht gekannt haben." Beide betonten, dass Leelah unter Depressionen gelitten habe.
Unter LGBT-Aktivisten gibt es heftige Kritik an den Eltern, aber auch Mitleid. So sagte Aidan Key von der Trans-Gruppe "Gender Diversity", er habe Mitgefühl für einen Vater und eine Mutter, die gerade ihr Kind verloren haben. "Transgender ist in unserer Gesellschaft etwas Neues und wir haben das Thema als Gesellschaft noch nicht debattiert". Er erklärte, wenn sich die Eltern besser informiert hätten, hätte das einen Unterschied für Leelah bedeuten können. Andere warnten davor, die Eltern vorschnell zu voruteilen, ein Selbstmord habe immer mehrere Gründe.
Demgegenüber gibt es in sozialen Netzwerken eine große Empörung über die Eltern, mehrere Online-Petitionen und auch die Forderung nach juristischen Schritten gegen die Eltern. So erklärte der schwule Aktivist Dan Savage, der Gründer der "It Gets Better"-Kampagne, via Twitter: "Wenn Tyler Clementis Mitbewohner angeklagt werden kann, sollten auch die Eltern von Leelah Alcorn angeklagt werden." Savage berief sich dabei auf einen Studenten, der seinen schwulen Mitbewohner 2011 beim Sex gefilmt und daraufhin in den Selbstmord getrieben hatte. Er wurde zu 30 Tagen Haft verurteilt (queer.de berichtete). Laut Savage ist die Ablehnung eines "queeren Kindes" eine Misshandlung, die mit dem Strafrecht bekämpft werden sollte.
Für Jugendliche, die in Deutschland Unterstützung beim Umgang mit ihrer sexuellen Orientierung oder Identität oder einfach Freunde suchen, gibt es zahlreiche LGBT-Jugendgruppen und -zentren (eine nicht mehr ganz aktuelle Liste gibt es hier). Auch mehrere Webseiten, etwa dbna (Du bist nicht allein) oder die des bundesweiten Jugendnetzwerks Lambda, richten sich gezielt an junge Schwule, Lesben, Bisexuelle und Transgender. Aufklärungsprojekte wie SchLAU gehen gezielt in Schulen und suchen immer wieder Mitstreiter. (dk)
Es muß spezielle Anlaufstellen bei den Jugendämtern geben, und vor allem Anwälte, die diesen Kindern und Jugendlichen kostenlos helfen, sich gegen ihre Eltern zu wehren..