Der georgische Patriarch Ilia II. hatte mehrfach ein Verbot von LGBT-Protesten gefordert. An diesem Samstag wollten auch seine Anhänger eine Demonstration gegen die Organisation "Identoba" durchführen, die sehr wahrscheinlich in Gewalt geendet wäre.
Nach Kritik am Patriarchen drohten Orthodoxe und Nationalisten Mitgliedern von "Identoba" mit dem Tod. Ein Regierungsmitglied verglich die Organisation mit den Terroristen von Paris.
In Georgien ist es in den letzten Tagen zu einer Eskalation der Anfeindungen gegen die LGBT-Organisation "Identoba" gekommen, die an diesem Samstag beinahe in einer vermutlich gewalttätigen Demonstration vor den Büros der Organisation geendet ware. Anlass war eine Kritik des Direktors Irakli Vacharadze an einer Weihnachtsansprache des Anführers der orthodoxen Kirche.
Ilia II. hatte zu dem Fest am 7. Januar Ansichten gegen Abtreibung und gegen die Gleichstellung von Frauen verbreitet und auch vor den "teuflichen Kräften" gewarnt, die Einfluss auf den menschlichen Geist suchten – viele Zuhörer werden das als Anspielung auf einen vermeintlichen Einfluss des Westens sowie auf Homosexualität verstanden haben.
Nachdem Vacharadze die Äußerungen in seinem privaten Facebook-Profil kritisiert hatte, hatte die pro-russische Nachrichtenseite "GE World" darüber berichtet. Danach erhielt der Mann zahlreiche hasserfüllte eMails und Telefonate – von Beleidigungen über Einschüchterungen bis hin zu Androhungen von körperlichen Angriffen, Folter, Vergwaltigung und Mord. Viele Drohungen enthielten Details von seiner Privatadresse.
Nationalisten und Orthodoxe
Sandro Bregadze, stellvertretender Diaspora-Minister, hatte die homophobe Stimmung mit angeheizt
Zu den Androhern von Gewalt gehörte "Identoba" zufolge "Pater Antimos", ein georgischer Priester, der einer der Hauptorganisatoren eines Gegenprotest zu einer Demonstration zum Internationalen Tag gegen Homophobie in Tiflis im Jahr 2013 war. Eine aufgeheizte Menge von Nationalisten und Orthodoxen hatte damals Busse angegriffen, in denen LGBT-Aktivisten eskortiert wurden; mehrere Menschen wurden dabei verletzt (queer.de berichtete). Patriarch Ilia II. selbst hatte damals ein Verbot der Demonstration gefordert.
Der bekannte Nationalist Giogri Gabedava hatte Vacharadze in mehreren Telefonaten von seinem Aufenthaltsort in Moskau mehrfach bedroht – und öffentlich zu einem Großprotest an diesem Samstag vor den Büros von "Identoba" aufgerufen, bei dem eine Auflösung der Organisation gefordert werden sollte.
Auch die Bewegung "Freie Generation", die von Identoba als "nationalistische Neonazi-Jugendorganisation" mit Nähe zu Russland bezeichnet wird und mehrfach NGOs und Medien bedroht hat, rief zu der Demo auf. Ihr Anführer Lado Sadghobelashvili hatte auf Facebook geschrieben: "Vacharadze soll sich entschuldigen oder wir klopfen an seiner Tür an. (…) Sag, dass es dir Leid tut. (…) Wenn du das nicht machst, wird Identoba nicht mehr existieren." Die Tage der "extremistischen Organisation" seien gezählt. "Der Herr steht an unserer Seite."
Am Freitag waren zahlreiche Menschenrechtsorganisationen des Landes Identoba in einer gemeinsamen Erklärung zur Seite gesprungen. Sie forderten die Regierung auf, gegen die Hetzer zu ermitteln und zugleich die Organisation zu schützen. Identoba selbst beklagte, dass religiösem Fanatismus und Rechtsextremismus seitens der Regierung nichts entgegen gesetzt werde und die Orthodoxe Kirche das offensiv unterstütze. Aufgrund der Drohungen befürchte man bei der Demo Gewalt gegen die Büros der Organisation und ihre Mitarbeiter.
Während der Menschenrechtsbeauftragte des Landes das Innenministerium aufforderte, alles für einen Schutz der Organisation zu tun, war von der Regierung wenig zu hören – nur der stellvertretende Diaspora-Minister des Landes, Sandro Bregadze, sorgte für einen zusätzlichen Eklat, als er "Identoba" mit den Terroristen von Paris verglich; beide Gruppierungen kämpften gegen den christlichen Glauben. Rücktrittsforderungen von "Identoba" und anderen Organisationen verpufften.
Youtube | Jagdszenen aus Tiflis: 2013 wurden LGBT-Aktivisten nach einen Protest zum Internationalen Tag gegen Homophobie angegriffen
Protest in letzter Sekunde abesagt
Der Nationalist Lado Sadghobelashvili sagte die für diesen Samstag geplante Demo gegen "Identoba" ab – wohl vorläufig
Zu der Anti-"Identoba"-Demo kam es dann am Samstag doch nicht, nachdem Patriarch Ilia II. sich am Freitag gegen den Protest ausgesprochen hatte. Er wolle an den Geist von Weihnachten erinnern, so der 82-Jährige in der Botschaft, und appelliere daher an die Organisatoren, die Demonstration abzusagen. Mit Blick auf "Identoba" sagte er, man dürfe nicht "Provokationen" von Organisationen nachgeben, die Spannung in der Gesellschaft zum Ziel hätten.
Sadghobelashvili sagte am Samstag in einer Pressekonferenz: "Wir gehorchen dem Ruf unseres spirituellen Führers und werden heute keine Demonstration abhalten." Man werde sie aber durchführen, sollten sich Identoba oder Vacharadze wieder "beleidigend" über den Glauben oder den Patriarchen äußern. Georgische Medien fassten diese Aussagen so zusammen, dass der Protest "verschoben" sei.
Youtube | 2014 hatten LGBT-Aktivisten auf eine Aktion zum Internationalen Tag gegen Homophobie verzichtet. Sie veröffentlichten aber den Kurzfilm "Red Dress".
Zu einer sachlichen Diskussion sind die nicht fähig, weil sie keinerlei Fakten und Argumente auf ihrer Seite haben. Also müssen sie drohen...