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Besuch eines Jugendzentrums
Thomas Hitzlsperger: Den Menschen Mut machen
- 01. Februar 2015 8 Min.

Thomas Hitzlsperger mit den Jugendlichen des "Together" in Krefeld
In Krefeld besuchte der ehemalige Fußball-Profi ein queeres Jugendzentrum. Er will sich engagieren, aber zu manchen Fragen auch nicht zu sehr Stellung beziehen.
Von Norbert Blech
Es gibt Termine, die man mit gemischten Gefühlen angeht. Man muss nach Krefeld; die vergessene Großstadt, die immer dörflich blieb. Die Stadt, in der man geboren und aufgewachsen ist und aus der man nach dem Abi geflohen ist, wie dutzende schwule Männer vor einem und wohl auch nach einem.
Allein das Fichte-Gymnasium, das man auf dem Weg passiert, hat in wenigen Jahren zwei spätere Chefredakteure von queeren Medien und den Leiter eines LGBT-Zentrums hervorgebracht. Und das eben nicht, weil es mit den jeweiligen Coming-outs an der Schule so gut gelaufen wäre.
Anlass der Reise ist ein Besuch des früheren Fußballnationalspielers Thomas Hitzlsperger im queeren Jugendzentrum "Together" – ein Zeichen der Hoffnung, früher gab es in der Stadt so gut wie nichts für Schwule, Lesben oder Transsexuelle. Hitzlsperger, ebenfalls ein Zeichen der Hoffnung, hatte man schon auf Veranstaltungen erlebt und darüber geschrieben; damals hieß es noch, man solle ihn bloß nicht direkt auf Interviews oder Unterstützungsgesuche ansprechen, das sei nicht gewünscht. Das war angesichts der tausenden Anfragen an ihn nachvollziehbar und so ließ man ihn in Ruhe.
Inzwischen hat er mehreren Homo-Medien Interviews gegeben, zum ersten Jahrestag seines öffentlichen Coming-outs. In Krefeld sollte es auch eine Gelegenheit dazu geben und man hatte sich einen Rahmen von Fragen überlegt, die über das Thema herausgehen. Aus dem gewünschten Einzelgespräch wurde dann allerdings eine Art Mini-Pressekonferenz mit Publikum und Fotografen. Vorgestellt wurde und hat man sich auch nicht so recht; es war eine unglückliche Atmosphäre für Fragen, die Hitzlsperger vielleicht ohnehin nicht beantworten wollte.
Das Positive suchen
Der ehemalige Mittelfeldspieler geht, das zeigte sich schnell, gerne in die Defensive, sobald es in ihm weniger vertraute Ecken geht. Einstiegsfrage: Bernd Lucke hatte ihm den Mut zum Coming-out abgesprochen und ihm vorgeworfen, kein Bekenntnis zu Ehe und Familie abgelegt zu haben. Was würde er ihm sagen, wenn er ihn treffen sollte oder müsste? LSVD-Aktivisten oder angegriffene Politiker würden eine solche Steilvorlage mit Vergnügen aufgreifen, um den mit Homophobie punkten wollenden AfD-Chef zu zerpflücken. Hitzlspergers knappe Antwort: "Das würde ich ihm sagen, wenn ich ihn treffen würde. Ich habe ihn nicht getroffen."
Journalistischer Rettungsversuch: "Luckes Aussage ist: Man muss nicht mit einem Coming-out in die Öffentlichkeit gehen. Das würdest Du sicher anders sehen?" Hitzlsperger: "Ja, das tue ich. Nachdem ich das getan hab, haben mir viele Leute geschrieben. Sie fanden es sehr gut, was ich gemacht habe. Ich konnte ihnen Mut machen, dass sie sich in ihrer Familie, in ihrem Sportverein, in der Schule outen konnten."
Da ist er wieder im vertrauten Terrain angelangt, spricht generell über sein Coming-out. "Wenn manche es nicht gut finden, und es gibt auch Leute, die das geschrieben haben, dachte ich mir: Das halte ich schon aus. Damit kann ich ganz gut leben, weil ich eher die Menschen sehe, für die ich die Situation verbessern konnte. Mit der Kritik beschäftige ich mich nicht."
Ein wenig erinnert das an Pressekonferenzen von Conchita Wurst, die Fragen über negative Reakionen auch immer gnadenlos zu positiven Aussagen umbügelt. Das hat bei ihr durchaus Charme, macht es schwieriger, sie zum Feindbild aufzubauen. Bei Hitzlsperger denkt man sich: Ein wenig Poltern gegen homophobe Personen oder Strukturen könnte er sich durchaus leisten, etwas mehr Leidenschaft und Kampfeswillen.
Zur Schulzeit noch kein Interesse am Thema
Versuch einer weiteren Steilvorlage: Schulaufklärung über Homosexalität, eingeleitet mit der Erinnerung an die eigene Schulzeit in Krefeld. Homosexualität kam nicht im Unterricht vor, höchstens indirekt durch Thomas Manns Bücher, eher eine Belastung als Hilfe. Wie war seine Schulzeit? "Es kann sein, dass Homosexualität mal thematisiert wurde. Aber nicht tiefgehend, so dass ich das noch wüsste. Ich habe mich auch nicht dafür interessiert, ich wollte Fußballprofi werden." Es wäre vielleicht anders gewesen, hätte er damals schon bemerkt, dass ihn das Thema betreffen könnte.
Wieder nachgefragt: Sollte das heute mehr Thema in Schulen, Teil von Bildungsplänen sein? "Das wird ja auch kontrovers diskutiert – Eltern sagen, ich will nicht, dass mein 14-, 15-jähriges Kind über die sexuelle Vielfalt informiert wird. Ich weiß schon, dass das ein heißes Eisen ist. Da komme ich jetzt auch ins Spiel und gehe in Schulklassen, wenn die Kinder das auch wünschen. Wenn ich merke, dass Interesse da ist, dann mache ich das gerne."
Er habe mitbekommen, was in Baden-Württemberg passiert ist, den "Riesen-Widerstand", all die Unterschriften. "Ich kann nur sagen: Was kann ich jetzt tun? Ich kann hierher kommen und mit den Kindern, aber auch den Erwachsenen sprechen. Das ist mein Bereich. Was in der Schule passiert, ist sehr komplex. Ich wünschte mir, dass die Kinder, die das wollen, dass sie aufgeklärt werden."
Er sagt also Nichts, er sagt nicht: Die Proteste haben ihn besorgt, die Proteste waren falsch. Er sagt nicht, hetero- wie homosexuelle Schüler müssten natürlich aufgeklärt werden. Er sagt stattdessen noch, dass homosexuelle Schüler heute gottseidank das Internet oder Zentren wie dieses hätten. Ja, das hätte man sich damals auch gewünscht. Aber ist das der Punkt?

Vorbild ja, Aktivist nein
Vielleicht müsste man sich mal seine Berater zur Brust nehmen. Hitzlsperger hatte zuletzt mehrfach berichtet, dass er bereits zu seiner aktiven Zeit beim VfL Wolfsburg ein Coming-out überlegt habe. Er bereut es nicht, das nach etlichen Gesprächen verschoben zu haben. Das ist nachvollziehbar: Ein vorschnelles, schlecht geplantes Coming-out hätte nicht nur für ihn nach hinten losgehen können.
Es ist auch nachvollziehbar, dass Hitzlsperger nicht zum umfassenden LGBT-Aktivisten werden möchte, eine Rolle, in die man nicht von einen Tag auf den nächsten reinwächst. Aber ein Vorbild mit dieser Reichweite hat auch Verantwortung, muss teilweise auch Aktivist sein. Manche Zögerlichkeit scheint doch unangebracht, berechnend, mutlos.
Oder ärgerlich. Was denkt er über Bayern Münchens Ausflug nach Saudi-Arabien, über die zukünftige WM in Russland und Katar? Diese letzte Frage möchte er nicht mehr beantworten, nicht mehr ins Detail gehen; er sei nach Krefeld gekommen, um vor allem die Jugendlichen zu unterstützen. Schiebt noch, als er den frustrierten Journalistenblick sieht, hinterher: "Gottseidank gibt es da einen großen Widerstand. Es ist klar, dass ich da dagegen bin. (…) Wenn in Saudi-Arabien jemand ausgepeitscht wird, weil er sich kritisch äußert, dann ist das das letzte, was ich befürworten kann."
So bleiben Zitate, die einerseits eine Meinung erkennen lassen, andererseits zu kurz und unkonkret sind, um daraus eine Meldung machen zu können. Man hatte anderes gehofft, hatte Hitzlsperger doch eine Kritik des schwulen Fußballers Robbie Rogers an der WM-Vergabe auf Twitter weiterverbreitet und begrüßt. Hatte er doch in Interviews manche politische Andeutung gemacht, zu der es leider keine Nachfrage gab.
Andere Fragen, die man sich so vorbereitet hatte, konnten gar nicht gestellt werden. Zu seinen Auftritten als Experte im ZDF oder bei der BBC. Würde man ihn dieses Jahr erneut auf einem CSD sehen? Man hätte ihm vielleicht noch geraten, sich den Kölner CSD vorzunehmen, der die fröhliche und selbstbewusste Vielfalt der Szene aufzeigt. Bei dem es einen Wagen von queeren Fußballfans der Republik gibt. Und der sich in diesem Jahr ein Motto zum Thema Aufklärung geben will.
Gezielte Zeichen setzen
Eigentlich ist das Thema Aufklärung die konsequente Fortführung seines Wunsches: Den Jungen Mut geben. Er engagiert sich inzwischen ja durchaus. So arbeitet er etwa mit der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld zusammen, für die er Botschafter ist – sie leiste gute Arbeit und sei ein guter Partner, um das Thema Homophobie im Sport voranzubringen, sagte er in Krefeld.
Im Sommer besucht er die schwul-lesbische Fußball-Europameisterschaft in Hamburg, ist Botschafter der EuroGames in Stockholm. Es werde weiter Projekte "auswählen", um gemeinsam Zeichen setzen zu können oder Leute zu unterstützen. Im kleinen Rahmen könne man "oftmals mehr bewegen als mit einem Zeitungsinterview, das vielleicht 5.000 Menschen lesen".
Ein lokaler Print-Kollege fragt ihn trotzdem, was er jungen Schwulen und Lesben im Coming-out mit auf den Weg geben würde. "Dass ich auch Zweifel und Sorgen hatte und dass ich sie gut verstehen kann. Wenn ich irgendwo aufwachse, wo ich mich nicht wohl fühle, weil ich feststelle, dass ich anders bin. Dass es trotzdem einen Weg gibt, da durch zu kommen. Man muss sich umgeben mit Leuten, denen man vertrauen kann, Möglichkeiten zum Austausch suchen wie einen Jugendtreff. Als Fußballspieler habe ich mit der Öffentlichkeit noch eine größere Hürde für ein Coming-out gehabt, aber es hat trotzdem geklappt. Ich will ihnen Mut machen."
So ist er also auch ins "Together" gekommen. Krefeld ist nur der Stammsitz der Organisation; von hier aus organisiert sie regelmäßige Treffpunkte für LGBT-Jugendliche in kleineren Städten des Niederrheins. Ungewöhnlich für diese Jugendarbeit ist die Finanzierung direkt durch das Land, gerade wurde sie um zwei Jahre verlängert. Die Betreiber hoffen, mehr Aufmerksamkeit für die Notwendigkeit des Zentrums zu schaffen. Dass Hitzlsperger auf eine Besuchsanfrage direkt reagierte, erfreut sie.
Ganz ohne Presse sprach er an diesem Nachmittag noch mit den Jugendlichen, kochte mit ihnen. Und man ist ihm tatsächlich dankbar dafür. Es berührt einen, dass sich auch hier Leute bemühen, dass es besser wird. Stellvertretend für all die anderen Krefelds dieses Landes.
Fotos: Dietrich Dettmann, Fresh















Das ganze drumherum, hab ich den Eindruck, ist alles inszeniert, oder noch besser vorgeplant seit Monaten.
Entweder sind seine Berater Memmen, oder er hat/kriegt riesigen Druck von den Sportlobbisten.
Er muß mehr kämpferisch sein und nicht halbherzig diskutieren.