2008 wurde ein Medizinstudent in einem Park in Sofia ermordet, weil er für schwul gehalten wurde
Die Menschenrechtsorganisation warnt, dass im ärmsten EU-Land Hassverbrechen gegen Homosexuelle, Ausländer und andere Minderheiten nicht ausreichend verfolgt werden.
In einem am Montag veröffentlichten Bericht dokumentiert Amnesty International die Auswirkungen von Hassverbrechen in Bulgarien (PDF, Englisch). "Hunderte von Menschen, die einer Minderheit angehören, sind bereits Opfer von Hassverbrechen geworden und viele vertrauen den Behörden nicht", erklärte Marco Perolini, der für Amnesty Diskriminierung in Europa untersucht. Dem Bericht zufolge sind Asylbewerber, Migranten, Muslime sowie LGBT von hassbedingten Angriffen besonders betroffen und erhalten kaum Unterstützung von den Behörden.
Zwar gibt es ein Gesetz gegen Hassverbrechen in Bulgarien, das eine Strafverschärfung mit sich bringt. Es werde aber nur selten angewendet, da es für die Staatsanwaltschaften leichter sei, einen Schläger wegen "Rowdytums" anzuklagen. Zudem greift dieses Gesetz nicht bei homo- oder transphober Gewalt. Zwar hatte die Regierung Anfang 2014 versucht, auch Hass aufgrund sexueller Orientierung ins Strafgesetzbuch aufzunehmen, das Gesetz wurde allerdings nie fertiggestellt. Die im Oktober 2014 gewählte neue Regierung hat sich zu dem Thema noch nicht geäußert.
Gewalt wird "unter den Teppich gekehrt"
"Homo- oder transphobe Gewalt wird in Bulgarien unter den Teppich gekehrt", so Perolini. Die Regierung müsse daher die Gesetze ändern, damit Schwule, Lesben, Bi-, Trans- und Intersexuelle "ohne Angst leben können".
Als Beispiel nennt das Papier den Mord an dem Medizinstudenten Michail Stojanow. Der 25-Jährige wurde 2008 in einem Park in Sofia getötet, weil er für schwul gehalten wurde. Als der Prozess gegen die beiden mutmaßlichen Täter Mitte 2013 begann, wurde in der Anklageschrift nicht einmal erwähnt, dass der Mord aus Hass auf die angenommene sexuelle Orientierung des Opfers begangen wurde. Dabei hatten die Täter im Verhör erklärt, dass sie den Park von Schwulen "reinigen" wollten. Das Verfahren dauert immer noch an.
Der Bericht beklagt auch, dass die meisten Opfer homo- oder transphober Gewalt nicht anzeigten. Dabei wird eine EU-Umfrage zitiert, nach der in Bulgarien 86 Prozent von LGBT, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität bedroht oder tätlich angegriffen wurden, den Vorfall der Polizei nicht gemeldet hätten.
Amnesty fordert daher die bulgarische Regierung auf, Hassvebrechen als solche zu verfolgen und diese Verbrechen zu verhindern, in dem gegen die "tief in der Gesellschaft verwurzelten Vorurteile" vorgegangen werde. (dk)