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- 11. Februar 2015 4 Min.

Mit einer neuen Webseite und Broschüre wollen die Hirschfeld-Stiftung und Thomas Hitzlsperger als ihr Fußball-Botschafter das Klima in Stadien und Vereinen verbessern.
Von Karsten Holzner
Mit seinem Coming-out vor einem Jahr wollte Thomas Hitzlsperger "jungen Spielern und Profisportlern Mut machen". Doch was folgte dem enormen Medienecho, den fast durchweg positiven Reaktionen von Angela Merkel bis DFB-Präsident Wolfgang Niersbach? Statt des erhofften Hitzlsperger-Effekts ist die sexuelle Orientierung im Fußball noch immer ein Tabu – anders als in Kultur, Wirtschaft und Politik.
Grund genug für die Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, noch einmal die Werbetrommel zu rühren für ihr Projekt "Fußball für Vielfalt". Am Mittwochmittag hat sie Journalisten zu einer von ZDF-Sportmoderatorin Katrin Müller-Hohenstein moderierten Podiumsdiskussion u.a. mit Vertretern von Vereinen, DFB und Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie Projektleiter Prof. Martin Schweer von der Uni Vechta eingeladen (queer.de wird später berichten).
Auch Thomas Hitzlsperger ist natürlich als Botschafter des Projekts dabei. Er soll bei dem Termin in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom die neue Broschüre "Fußball für Vielfalt" vorstellen und den offiziellen Startschuss für das Webportal ffv-online.de geben.
Jugendliche und junge Erwachsene im Visier

Das Engagement gegen Homophobie im Fußball machte Jörg Litwinschuh, geschäftsführender Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld, von Beginn an zu einem seiner Schwerpunkte (Bild: Sabine Hauf/BMH)
Im Fokus von Broschüre und Homepage stehen Jugendliche und junge Erwachsene – das Projekt geht also direkt an die Basis. "Fußball für Vielfalt" ist als langfristiges Bildungsprojekt angelegt: "Die bisherigen Angebote richteten sich an die Verantwortlichen in den Präsidien und Geschäftsführungen von Vereinen und Verbänden", erklärt Professor Martin Schweer. "Homosexualität im Fußballsport ist ganz konkret noch wenig sichtbar, vor allem nicht im (männlichen) Profibereich. Daher wollen und werden wir die Aufmerksamkeit weiter auf das Thema lenken müssen."
So arbeite man etwa an Kurzvideos, die ab dem Frühling über Youtube und weitere soziale Netzwerke auf die Angebote aufmerksam machen sollen, ergänzt Jörg Litwinschuh, der geschäftsführende Vorstand der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld. In Schulungen sollen Trainer, Spieler, Schiedsrichter und Funktionäre für das Thema Homosexualität sensibilisiert werden. Es ist der Schritt von den guten Absichten hin zur konkreten Arbeit in den Klubs.
Die Initiative der Stiftung richtet sich übrigens nicht nur an den Männerfußball: Durch die Begleitforschung sollen auch Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball erforscht werden sowie dargestellt, mit welchen Problemen lesbische Sportlerinnen und schwule Sportler zu kämpfen haben.
Trotz des ausgebliebenen Hitzlsperger-Effekts sieht Jörg Litwinschuh durchaus Erfolge im vergangenen Jahr: "Die öffentliche Darstellung unserer Bildungs- und Forschungsinitiative ist eine zentrale Projektaufgabe, mit der es uns gelungen ist, das hochtabuisierte Thema stärker in das Bewusstsein der Verantwortlichen im Sport und in die gesellschaftliche Breite zu tragen. Nur auf diese Weise konnten überhaupt hochrangige Kooperationspartner wie der DFB, die Antidiskriminierungsstelle des Bundes und der Ligaverband gewonnen werden – Partner, die wir zwingend brauchen, um unsere Bildungsmodule in Verbände und Vereine zu tragen, aber auch, um symbolische und finanzielle Unterstützung für unser Projekt zu bekommen." So wurde die 40-seitige Broschüre durch eine Spende von DFB und DIE LIGA – Fußballverband e.V. ermöglicht.
Über 50 Vereine haben "Berliner Erklärung" unterzeichnet

Herzstück der neuen Webseite ist ein Fotoblog mit ermutigenden Statements
Darüber hinaus hätten bereits über 50 Vereine und mit adidas und AbbVie auch zwei Unternehmen die "Berliner Erklärung" gegen Homophobie im Sport unterzeichnet, ergänzt der Chef der Hirschfeld-Stiftung, der 2013 der Impulsgeber der Absichtserklärung war (queer.de berichtete).
Um neue Projekte umsetzen zu können, setzt "Fußball für Vielfalt" erstmals auch auf Crowdfunding. "Wir wollen unseren Partnern in den 50 Vereinen, die die 'Berliner Erklärung gegen Homophobie' unterschrieben haben, danken und ihnen zwei T-Shirts schenken, damit sie in den Mannschaften/Frauenteams für das Projekt werben können", heißt es in der Aktion auf betterplace.org, mit der 1.900 Euro eingesammelt werden sollen.
Die "Berliner Erklärung" steht ebenso wie die neue Broschüre zum Download auf der Webseite zur Verfügung. Dort werden darüber hinaus alle Kooperationspartner vorgestellt und die zentralen Bausteine Bildung, Forschung, Beratung (Prävention und Intervention) im Überblick präsentiert. Der News-Bereich bietet mit Facebook- und Twitter-Updates u.a. einen Blick nach Manchester, wo letzte Woche die Kampagne "Football v Homophobia" startete, interessante Videos und Zeitungsartikel, Veranstaltungs- und TV-Tipps.
Wer die Initiative unterstützen möchte, kann zudem eine Vorreiterrolle einnehmen. Gesucht werden für ein Foto-Blog Teams, Trainer, Fans und Aktive, die ihr Gesicht zeigen und dazu ein Statement abgeben – für Vielfalt und gegen Diskriminierung auf dem Rasen und den Rängen.















Aber ich fürchte, dass sich erst dann etwas ändern wird, wenn sich eine signifikante Anzahl an Spielern geoutet hat.
Wenn in (fast) jedem Verein einer oder mehrere offen schwule Spieler sind, wird kein Fan mehr gegen schwule Spieler anderer Vereine hetzen, weil es ja auch unter den eigenen Idolen Schwule gibt.
Und noch etwas ist wichtig:
Homophobie in den Stadien muss genauso hart und konsequent verfolgt und bestraft werden, wie Rassismus. Beim Rassismus in den Stadien hat man erst dann Fortschritte erzielt, als man wirklich mit harten Strafen angefangen hat.