Das ZDF in Mainz. Der Fernsehrat überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Sendeauftrags und soll die Berücksichtigung der gesellschaftlichen Vielfalt im Programm sichern. (Bild: ZDF)
Während Kirchen und auch der Bund der Vertriebenen wieder im Fernsehrat vertreten sein sollen, bleiben Schwule und Lesben außen vor – entgegen einem früheren Entwurf des Staatsvertrags.
Der Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) hat sich in einem Brief an die 16 Ministerpräsidenten der Bundesländer darüber beklagt, dass nach dem neuesten Entwurf des ZDF-Staatsvertrags Homo- und Transsexuelle erneut nicht im Fernsehrat des Senders vertreten sein sollen. Das sei eine "eklatante Missachtung und Diskriminierung", so Henny Engels vom LSVD-Bundesvorstand in dem Schreiben an die Regierungsschefs.
Die Neufassung des Staatsvertrags war nötig geworden, nachdem das Bundesverfassungsgericht im letzten Jahr die politiknahe Besetzung der Gremien des Senders bemängelt hatte (zuvor war der Vertrag des damaligen ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender auf Betreiben der CDU nicht verlängert worden). Neben einer größeren Staatsferne verlangte das Gericht auch, dass die Gremien die Vielfalt der Gesellschaft besser spiegeln müssten. Bis zum Juni müssen die Länder eine Neuregelung vorlegen.
Diese machte die Politik erneut unter sich aus. Rund ein Drittel der Fernsehratsmitglieder wird demnächst direkt von den Landesregierungen entsandt; sie sind dafür zuständig, Vertrer von gesellschaftlichen Gruppen in das Gremium zu schicken. Sachsen-Anhalt ist etwa für den Bereich "Heimat und Brauchtum" zuständig, Schleswig-Holstein für "Regional- und Minderheitensprachen". Niedersachsen schickt erstmals einen Vertreter der Muslime in das Gremium, die beiden großen Kirchen und der Zentralrat der Juden dürfen wie bisher selbst Vertreter auswählen.
Ursprünglich Aufnahme von LGBT geplant
Laut LSVD hätten ursprünglich auch Homo- und Transsexuelle im neuen Fernsehrat vertreten sein sollen: "In uns vorliegenden Eckpunkten zum ZDF-Staatsvertrag der 'politischen AG' der Länder vom 07. Oktober 2014 waren LSBTI noch berücksichtigt", so Engels in den Briefen. "Im Arbeitspapier der 'politischen AG' zur Zusammensetzung des Fernsehrat des ZDF vom gleichen Datum ist der Bereich 'LSBTTIQ' noch ausdrücklich unter den '16 Lebensbereichen' aufgeführt, von denen es in der Vorlage hieß: 'Diese sollen im Staatsvertrag verankert und den einzelnen Ländern zugewiesen werden."
Nun sei dieser Bereich verschwunden, ebenso wie der Aspekt "Bürger- und Menschenrechte". "Es ist in keiner Weise ersichtlich, welche Argumente in den dazwischen liegenden vier Monaten dazu hätten führen können, den Bereich LSBTI nicht mehr als relevant zu betrachten. Im Gegenteil: Angesichts der in den letzten Monaten wieder stärker zu vernehmenden homophoben und transphoben Stimmen wäre es erst recht angebracht, sich durch die Berücksichtigung des Bereichs LSBTI dieser menschenverachtenden Haltung entgegen zu stellen", so der LSVD. "Zudem würde so auch deutlich, dass die Politik gewillt ist, die Veränderungen in der Zivilgesellschaft auch in den Rundfunk- und Fernsehräten abzubilden."
Der LSVD vermutet, dass die Verteilung auf die Länder der entscheidende Knackpunkt war: "Kann es etwa sein, dass sich keines der 16 Bundesländer bereitgefunden hat, als Entsender für eine Vertretung aus dem Bereich LSBTI in Erscheinung zu treten? Gibt es etwa im 21. Jahrhundert in allen 16 Landesregierungen noch Befürchtungen, dass jeweilige Land würde in diesem Fall als schwul, lesbisch oder transgender identifiziert werden? Wenn dem so wäre, wäre dies ein Skandal, dem durch eine Änderung des Besetzungsmodus abgeholfen werden müsste."
Bund der Vetriebenen, Kirchen wieder vertreten
In dem Schreiben bittet der LSVD die Ministerpräsidenten, sich dafür einzusetzen, dass LGBT noch eine Vertretung finden. "Als 1961 der erste ZDF-Staatsvertrag unterzeichnet wurde, war männliche Homosexualität in der Bundesrepublik Deutschland noch strafbar. (…) LSBTI wurden insgesamt damals von großen Teilen der Politik und Gesellschaft extrem geächtet. Ihnen wurde ein selbstbestimmtes Leben in freier Selbstentfaltung verweigert, ebenso eine gerechte Teilhabe in der Gesellschaft und ihren Institutionen. Es ist für uns unfassbar, dass der gesellschaftliche Bereich LSBTI auch im Jahr 2015 weiter aus den Gremien des ZDF ausgeschlossen bleiben soll, dessen Sendungen laut § 5 des Staatsvertrages 'auf ein diskriminierungsfreies Miteinander hinwirken' sollen. 54 Jahre nach Unterzeichnung des ersten ZDF-Staatsvertrages wird LSBTI weiterhin Teilhabe verweigert."
Die Neuregelung soll am 1. Januar 2016 in Kraft treten und für zehn Jahre gelten. Tabea Rößner, die medienpolitische Sprecherin der Grünen, die in Karlsruhe geklagt hatte, kritisierte vor wenigen Tagen bereits, dass Gruppen, deren heutige gesellschaftliche Relevanz von Karlsruhe angezweifelt worden sei, erneut im Fernsehrat vertreten seien, darunter der Bund der Vertriebenen (vertreten übrigens durch Erika Steinbach). "Pro Asyl" hingegen nicht. Offenbar befürchteten Politiker, sich mit diesen Gruppen anzulegen. (nb)
Update 21.2., 15.10h: Statement Volker Beck
Der Grünenpolitiker Volker Beck hat die Ministerpräsidenten aufgefordert, die Kriterien für die Auswahl der nichtstaatlichen Vertreter im ZDF-Fernsehrat offenzulegen: "Warum wurde ein Sitz für Lesben, Schwule, Trans- und Intersexuelle oder für Menschen- und Bürgerrechte wieder gestrichen? Warum hat der Bund der Vertriebenen im Jahre 2015, 70 Jahre nach der Vertreibung, erneut einen Sitz, obwohl er nicht mal einen Vertriebenen findet, der den Verband vertreten könnte, und deshalb wohl auf das Besatzerkind Erika Steinbach-Hermann zurückgreift?"
Die Kollegen von "Männer" weisen derweil auf die Ironie hin, dass Erika Steinbachs Nachfolger im Präsidentenamt des Bundes der Vertriebenen schwul ist (queer.de berichtete). Laut ZDF ist Steinbach aber noch die aktuelle Vertreterin in dem Sender-Gremium.
Hintergrund
Die geplanten Fernsehrats-Bereiche der Länder
Baden-Württemberg: Jugend
Bayern: Digitales
Berlin: Internet
Brandenburg: Senioren, Familie und Frauen
Bremen: Wissenschaft und Forschung
Hamburg: Musik
Hessen: Migranten
Mecklenburg-Vorpommern: Bürgerschaftliches Engagement
Niedersachsen: Muslime
NRW: Medienwirtschaft und Film
Rheinland-Pfalz: Menschen mit Behinderungen
Saarland: Kunst und Kultur
Sachsen: Ehrenamtlicher Zivil- und Katastrophenschutz
Sachsen-Anhalt: Heimat und Brauchtum
Schleswig-Holstein: Regional- und Minderheitensprachen
Thüringen: Verbraucherschutz
Weitere Vertreter:
Bund (2)
Landkreistag (1)
Deutscher Städtetag (1)
Evangelische Kirche (2)
Katholische Kirche (2)
Zentralrat der Juden (1)
Deutscher Gewerkschaftsbund (1)
ver.di (1)
Deutscher Beamtenbund (1)
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (1)
Deutscher Industrie- und Handelskammertag (1)
Zentralausschuss der Deutschen Landwirtschaft (1)
Zentralverband des Deutschen Handwerks (1)
Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (1)
Deutscher Journalisten-Verband (1)
Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (1)
Caritasverband (1)
Arbeiterwohlfahrt (1)
Deutscher Olympischer Sportbund (1)
Europaunion Deutschland (1)
Bund für Umwelt und Naturschutz (1)
Naturschutzbund (1)
Bund der Vertriebenen (1)
Vereinigung der Opfer des Stalinismus (1)