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Prä-Expositionsprophylaxe
HIV-Organisationen fordern Zulassung der "Pille davor"
- 25. Februar 2015 3 Min.

Derzeit kann Truvada in den USA als Prä-Expositionsprophylaxe verschrieben werden, nicht aber in der EU
Eine neue Studie belegt, dass die tägliche Einnahme von Truvada bei schwulen Männern das Risiko einer HIV-Infektion um 86 Prozent senkt.
Führende europäische HIV- und LGBT-Organisationen haben am Mittwoch gefordert, dass das HIV-Medikament Truvada als präventives Medikament zugelassen und betroffenen Personen zugänglich gemacht wird. Anlass ist eine weitere Studie, die die Wirksamkeit der "Pille davor" belegt.
Die am Dienstag bei einer Aids-Konferenz im amerikanischen Seattle veröffentlichte britische PROUD-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die präventive Einnahme des HIV-Kominationswirkstoffs Truvada auch unter Alltagsbedingungen einen erheblichen Schutz vor einer HIV-Infektion bietet. Demnach reduziert sich das Risiko einer HIV-Infektion bei Einnahme der sogenannten Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) um 86 Prozent.
Deshalb hat jetzt zahlreiche europäische HIV- und LGBT-Organisationen, darunter die Deutsche Aids-Hilfe, in einem Manifest gefordert, dieses Medikament HIV-Negativen in der Europäischen Union so schnell wie möglich zugänglich zu machen. "In dieser Situation wird es eine moralische und politische Pflicht, PrEP denjenigen anzubieten, die sie benötigen, und innerhalb dieser Communitys über PrEP als mögliche HIV-Präventionsmethode aufzuklären", erklärte Brian West von der European Aids Treatment Group.
Zu den Forderungen gehören klare Richtlinien zur Verschreibung und Nutzung des Medikaments sowie zum Personenkreis, der für PrEP in Frage käme. In den USA ist Truvada, das vom kalifornischen Pharmaunternehmen Gilead produziert wird, bereits seit 2012 als Prophylaxe zugelassen. Im vergangenen Jahr hat auch die Weltgesundheitsorganisation den Zugang zum Mittel empfohlen (queer.de berichtete).
Prophylaxe mit Nebenwirkungen
In der PROUD-Studie wurden insgesamt 545 schwule Männer mit erhöhtem HIV-Risiko für den Zeitraum eines Jahres untersucht. Ein Teil der Männer erhielt eine tägliche Ration Truvada, die andere Hälfte nicht. Am Ende infizierten sich in der Truvada-Gruppe drei Männer, in der Vergleichsgruppe aber 19 – die Zahl der Infektionen in der Vergleichsgruppe war sogar deutlich höher, als es die Forscher erwartet hatten. Aus dem Unterschied beider Gruppen wurde eine Risiko-Reduktion um 86 Prozent errechnet.
Zu ähnlichen Ergebnissen war zuvor auch eine vergleichbar angelegte französische Untersuchung gekommen. Laut der Ipergay-Studie muss das Medikament unter Umständen nicht täglich genommen werden, um einen guten Schutz zu erzielen. Andere Studien haben aber gezeigt, dass der Schutz nicht für jeden gilt: So wurde bei der Untersuchung von Frauen keinerlei Schutzeffekt gemessen.
Kritiker der "Pille davor" haben wiederholt gewarnt, dass das Medikament unter Umständen dazu führen könnte, dass Männer keinen Safer Sex mehr praktizierten, da sie sich sicher fühlten. Allerdings heißt in der PROUD-Studie, dass sich das Risikoverhalten nicht in einem relevanten Umfang geändert habe. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass Truvada ein starker Medikamentencocktail ist, der auch Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen oder Magenprobleme mit sich bringen kann.
Hohe Kosten
Der größte Knackpunkt der PrEP sind aber die Kosten der Prophylaxe: Eine Monatsdosis käme derzeit in Deutschland auf über 800 Euro. Das wäre für viele Selbstzahler unerschwinglich und würde bei einer Kostenübernahme durch die Krankenkassen eine große Belastung für die Beitragszahler bedeuten. "Wir fordern die Regierungen europäischer Länder auf, Wege zu finden, wie PrEP erstattungsfähig gemacht werden kann für diejenigen, die PrEP benötigen", heißt es dazu in dem Manifest der HIV-Organisationen.
Trotz der neuen Studie wird es in Europa noch mindestens ein Jahr dauern, bis das Medikament für Negative zugelassen wird. Derzeit werden in England zwei Studien zum Kosten-Nutzen-Verhältnis einer dauerhaften HIV-PrEP erstellt. Der staatliche britische Gesundheitsdienst wird dann die Ergebnisse überprüfen, so dass mit einer britischen Zulassung für bestimmte Personengruppen im Frühjahr 2016 gerechnet werden kann. (dk)
Links zum Thema:
» Die DAH zur neuen Studie und den Folgerungen daraus














