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Anhörung im Rechtsausschuss
Niedersachsen will Homosexuelle in Landesverfassung schützen

Im Niedersächsischen Landtag wird darüber diskutiert, ob das Merkmal "sexuelle Identität" so schutzwürdig ist wie "Rasse" oder die "religiöse Ausrichtung" (Bild: Michael Radtke / flickr / by-nd 2.0)
- 04. März 2015 2 Min.
Die neue rot-grüne Regierung in Hannover will das vor drei Jahren von Schwarz-Gelb abgelehnte Gleichbehandlungsgebot für sexuelle Minderheiten in der Verfassung verankern.
In Niedersachsen wollen die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen sowie die oppositionelle FDP das Merkmal "sexuelle Identität" in den Katalog der Diskriminierungsverbote nach Art. 3 Abs. 3 der Landesverfassung aufnehmen. Dazu werden am Mittwoch im Rechtsausschuss Anhörungen durchgeführt.
Derzeit heißt es im Grundrechte-Artikel der Niedersächsischen Verfassung, dass niemand "wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" dürfe.
Bereits 2012 beantragten die damaligen Oppositionsparteien SPD und Grüne die Aufnahme des Merkmals "sexuelle Identität" in die Landesverfassung. Zu diesem Zeitpunkt lehnte die schwarz-gelbe Koalition unter dem damaligen Ministerpräsidenten David McAllister (CDU) den Antrag ab (queer.de berichtete). Politiker von CDU und FDP hatten erklärt, dass eine Nennung des Merkmals "sexuelle Identität" nicht notwendig sei, da Schwule und Lesben bereits jetzt gleichberechtigt seien, auch ohne in der Verfassung erwähnt zu werden (queer.de berichtete).
Für die Verfassungsänderung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Damit wären beim neuen Anlauf mindestens neun Stimmen von CDU-Abgeordneten im Landtag notwendig. Zuletzt haben die Christdemokraten 2011 im Saarland eine Verfassungsänderung zum Schutz von sexuellen Minderheiten zugestimmt (queer.de berichtete).
LSVD warnt vor Rollback
Der Lesben- und Schwulenverband begrüßte die Initiative der Regierung von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). "Mit der Ergänzung des Artikels würde dokumentiert werden, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle genauso schutzwürdig sind wie die anderen in Art. 3 Abs. 3 aufgeführten Minderheiten und dass ihre Respektierung für das Zusammenleben in Niedersachsen unverzichtbar ist", erklärte Benjamin Rottmann, der Sprecher des LSVD Niedersachsen/Bremen. Die Ergänzung sei besonders wichtig, da "die jüngsten Aktivitäten eines Bündnisses aus christlich-fundamentalistischen, evangelikalen und rechtspopulistischen Gruppen" die Uhren bei LGBT-Rechten zurückdrehen wollten.
In Niedersachsen war es zuletzt zu Protesten gekommen, weil mit Zustimmung von SPD, Grünen und FDP in Schulen künftig über die "Vielfalt sexueller und geschlechtlicher Identitäten" aufgeklärt werden soll (queer.de berichtete). So kam es im November zu einer homophoben Demonstration der "Initiative Familienschutz" (queer.de berichtete). Auch CDU-Politiker nutzten den Gesetzentwurf, um mit Homosexuellenfeindlichkeit Stimmung zu machen: Die christdemokratische Schulexpertin Karin Bertholdes-Sandrock behauptete etwa, dass Homosexuelle an Schulen generell eine Gefahr darstellten (queer.de berichtete).
Seit Jahren werben LGBT-Aktivisten auch dafür, dass der Antidiskriminierungs-Artikel 3 des Grundgesetzes um das Merkmal "sexuelle Identität" erweitert wird. Das war allerdings bis 2013 von der schwarz-gelben Regierungskoalition im Bund abgelehnt worden und ist derzeit auch nicht Bestandteil des Koalitionsvertrages von Union und SPD. (dk)

Links zum Thema:
» Statement zur Ergänzung der Verfassung von LSVD-Rechsexperte Manfred Bruns
Kaum sind die Grünen mit dabei, kann auch die SPD was für uns tun.
Da sieht man wieder mal, wer wirklich treibende Kraft ist und wer sich nur dranhängt, wenn es sich gerade ergibt.