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Aufruf zu noch mehr Protesten
AfD und PI: Propaganda-Video gegen Bildungspläne

Der AfD-Landeschef in Niedersachsen, Armin-Paul Hampel, befürchtet "Schäden" bei den Kindern
- 05. März 2015 6 Min.
Mit einem neuen, 45 Minunten langen Youtube-Video kämpft die Partei an der Seite rechter Hetz-Portale gegen Schulaufklärung über sexuelle Vielfalt.
Von Norbert Blech
Im populistischen Kampf gegen Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität hat die "Alternative für Deutschland" einen weiteren Tiefpunkt gesetzt. Die Partei, die die Protestbewegung gegen entsprechende Bildungspläne maßgeblich steuert (queer.de berichtete), ist offenbar auch treibende Kraft hinter einer neuen Anti-Bildungsplan-Dokumentation auf Youtube.
Als Macher des 45-Minuten-Stücks dienen offiziell zwei anonyme Autoren aus dem Netzwerk des rechten Hetzportals "Politically Incorrect", das die Dokumentation auch fleißig bewirbt. In ihr kommen allerdings – neben einem vermeintlichen Wissenschaftler – nur AfD-Politiker zu Wort: Paul Hampel, der Landessprecher der Partei in Niedersachsen, das regionale Vorstandsmitglied Thomas Ehrhorn und Sören Hauptstein, Landeschef des AfD-Jugendverbands "Junge Alternative", der bereits eine populistische Facebook-Seite gegen Schulaufklärung über Homosexualität betreibt.
Bereits zuvor hatte die AfD Niedersachsen gegen die in dem Bundesland geplante Aufklärung mobilisiert, mit einer "Demo für Alle" in Hannover (queer.de berichtete). Die neue Doku hält nun fest, warum sich Menschen gegen die Schulaufklärung "engagieren" sollen: "Es geht um die Zukunft unserer Kinder."
"Frühsexualisierung" beklagt

Prof. Wolfgang Leisenberg warnte schon früher, dass Schulaufklärung Schüler schwul machen könne
In der Dokumentation, in der mit viel Halbwissen und vielen Falschdarstellungen bewusst Ängste geschürt werden, behaupet Ehrhorn, der Regierung gehe es nicht um die Vermittlung von Toleranz, sondern um "Indoktrination".
Natürlich ist auch wieder von "Frühsexualisierung" die Rede, auch von "sexuelle Vorlieben" statt sexueller Orientierung, über die demnächst unterrichtet werde. Dinge, "die für die allermeisten Menschen sehr intim und persönlich sind", würden zu identitätsstiftenden Merkmalen erhoben." Daher wollten "Gender-Ideologen" Kindern möglichst früh die verschiedensten Sexualpraktiken vermitteln, heißt es in der Doku zu entsprechenden plakativen Bildern. "Auf das Schamgefühl der Kinder und den Willen der Eltern nimmt man dabei keine Rücksicht."
Wieder wird die Aufklärüng über sexuelle Vielfalt mit vermeintlicher Sexualkunde vermischt, mit angeblicher Schülerpantomime zum Thema Darkroom etwa. Und wieder wird der Sinn des Hetero-Fragebogens der GEW bewusst nicht verstanden. Aus den Fragen, mit denen sich die Schüler in die Minderheit der Homosexuellen reinversetzen sollen, werden "Fragen, die ganz offenbar darauf abzielen, bei den Kindern Zweifeln an ihrer Heterosexualität zu wecken".
Schamlos gegen SchLAu
Hampel lügt zu dem Bildungsplan: "Ich habe gelernt, dass Sexualpraktiken dort ebenfalls vermittelt werden sollen. Solche sogenannten Streichelkurse für Kinder, wo irgendein Erzieher, den ich überhaupt nicht kenne – kein Lehrer, sondern aus irgendeiner Interessensgruppe -, an die Schulen kommen soll, um meinen Kindern zu zeigen, wie man gefühlte Sexualität empfinden kann."
Was folgt, ist widerlichste Desinformation. Hauptstein behauptet mehrfach, es gäbe "private Lobbygruppen", die in Niedersachsen in die Schulen wollten – er spricht letztlich von SchLAu. Das ehrenamtliche Projekt leistet mit Schülern wichtige Aufklärungsarbeit – und es hat mehrfach betont, dass man Antidiskriminierungsarbeit leiste, keine Sexualkunde.
Und erst recht natürlich keine Streichelkurse. Dennoch spricht Hampel direkt danach vom Aufbrechen der Schamgrenzen der Kinder und "pädagogischen Frontalmethoden".

Eine der Kernaussagen des Films: Die Gender-Ideologie ist verheerend wie der Sozialismus.
Aufklärung führt zu Krüppeln
Weiter geht noch Prof. Wolfgang Leisenberg, ein christlicher Unternehmer und Elektro-Ingenieur, der bereits auf einer "Demo für Alle" sprach und auf einem zusätzlichen Kongress, bei dem er warnte, dass Schüler während ihrer "homoerotischen Phase" (die er auch selbst durchlebt habe) derart beeinflusst werden könnten, dass ihre (heterosexuelle) "Identitätsfindung misslingt" (queer.de berichtete, das dort verlinkte Video ist sehenswert).
Auch in dem AfD/PI-Video warnt Leisenberg vor Schulaufklärung: Durch diese "Sexualisierung" würden Kinder von den Eltern abgeschnitten, das führe später zu Sexabhängigkeit, Angstörungen und Depressionen. Zu den "Folgen der Gender-Erziehung" gehöre ein "seelisch verkrüppelter Mensch, der kein Selbstbewusstsein mehr hat, der bindungsunfähig ist und letztlich unfähig, eine Familie zu gründen." Man könne es nicht akzeptieren, für eine Theorie "Millionen von Menschen kaputt zu machen."
Das ist Panikmache am Rande des Verstandes, aber der Sprecher aus dem Off greift das auf, beklagt eine "Hidden Agenda" der Politik, warnt, die "Gender-Ideologie" habe die "Abschaffung traditioneller Lebensweisen" zum Ziel. Hampel spricht in dem Zusammenhang von der "Entwertung der Familie".
Homophob? Wir doch nicht!
Natürlich sei das nicht schwulenfeindlich, behauptet die Dokumentation. Homophobie? Ein "Kampfbegriff der linksradikalen Szene", mit dem "besorgte Bürger, Lehrer, Eltern und Schüler offenbar stigmatisiert werden sollen". Es folgen lustige Minuten, in denen die AfD-Leute darlegen, aus ihrer Sicht nicht homophob zu sein. Ehrhorn meint, schwule Menschen würden für eine "rot-grüne Ideologie" instrumentalisiert. Hampel betont seine schwulen Freunde, nicht jeder von denen laufe bei einem CSD mit.
Hier zeige sich Toleranz, meint die Stimme aus dem Off, aber das reiche den "Gender-Ideologen" nicht aus. Beklagt wird im Folgenden die Forderung nach Akzeptanz, wo Toleranz quasi schon ein Zeichen des Wohlwollens ist. Danach wird noch ernsthaft behauptet, Bildungspläne verstießen gegen Artikel sechs des Grundgesetzes, der Ehe und Familie unter besonderen Schutz stellt.
Allen Ernstes beklagt Hauptstein, dass aufgrund der Bevölkerungsentwicklung Familien dringend gefördert werden müssten. Stattdessen werde "völlig konträre Politik gemacht". Die Argumentation macht nur Sinn, wenn man auf die falsche Idee käme, durch Bildungspläne könnten Schüler homosexuell werden. Und wenn man ignoriert, dass es auch Regenbogenfamilien gibt.
Die Initiatoren der Gesetze seien sich "gar nicht bewusst, was sie in jungen Menschen an Schäden anrichten", meint Hampel zum Abschluss der Doku. Er fordert eine große Bewegung gegen diesen "Wahnsinn". Quasi wie die "Demo für alle", die ja in Kürze wieder in Stuttgart ansteht (queer.de berichtete).
Das Video endet mit der Aussage, hinter Schulaufklärung über Homo- und Transsexualität verstecke sich "jene menschenverachtende Ideologie des Sozialismus, die im vergangenen Jahrhundert Millionen Menschen das Leben kostete. Das ist eine sozialistische Revolution durchs Klassenzimmer. Von oben angeordnet und überwiegend heimlich durchgesetzt." Letzte Hoffung beruhe nun auf Gerichten – und auf Gegenprotesten.
Grüße von Christa Meves

Zum Geburtstag viel Glück...
"Politically Incorrect" hat das Horror-Video am Montag gepostet ebenso wie die "Junge Alternative Niedersachsen", es passte zeitlich ganz gut zum Auftritt von Birgit Kelle bei "Hart aber fair" und entsprechenden "Gendergaga"-Veröffentlichungen in anderen Medien. Und auch der Landesverband der AfD veröffentlichte den Film auf seiner Homepage und in seinem Facebook-Account.
Mehr Likes bekam dort übrigens ein direkt zuvor geposteter Eintrag, ein Link zur rechten "Jungen Freiheit". Mathias von Gersdorff, früher ein trotz radikaler Sprüche belächelter Einzelaktvist gegen u.a. "Bravo" und Homo-Rechte und inzwischen ein begehrter Sprecher der "Demo für Alle", gratuliert in dem Text einer Dame zum 90. Geburtstag und dankt ihr für den "fast 50-jährigen Einsatz für das Wohl der Kinder und der Familie".
Bei der Jubilarin handelt es sich um Christa Meves, die Mutter aller Homo-Gegner und -"Heiler". "Möge sie uns allen noch lange erhalten bleiben", meinen ihre neuen Söhne und Töchter von der AfD.

Nazis raus!