Das Parlament in Straßburg
Mit der Verabschiedung des Menschenrechtsberichts 2013 nahmen die Parlamentarier auch deutlich zu Homo-Fragen Stellung.
Das europäische Parlament hat am Donnerstag betont, wie wichtig der Kampf für die Menschenrechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern ist. Der mit 390 zu 151 Stimmen bei 97 Enthaltungen angenommene Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie weltweit, der von dem italienischen Abgeordneten Pier Antonio Panzeri erstellt wurde, enthält zahlreiche Anmerkungen zu LGBT-Rechten.
So wird in dem Bericht die "Legalisierung von gleichgeschlechtlichen Ehen oder gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften in einer wachsenden Zahl von Ländern" begrüßt. Dann heißt es: Das Parlament "ermutigt EU-Institutionen und Mitgliederstaaten, weiter zu der Debatte beizutragen über die Anerkennung von gleichgeschlechtlicher Ehe oder gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften als politische, soziale und Menschen- und Bürgerrechtsfrage."
Die italienische Nachrichtenagentur Ansa deutete den Satz so, dass das Europäische Parlament die Homo-Ehe in ihren unterschiedlichen Formen damit zum Menschenrecht gemacht habe. Das könnte eine Überinterpretation des vorsichtig formulierten Textes sein; auch angesichts der Tatsache, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, der ein entsprechendes Recht auf Ehe-Öffnung oder Lebenspartnerschaft bislang – von einigen Ausnahmefällen abgesehen – verneint hatte.
Ohne Zweifel stellt sich das Parlament damit aber hinter die progressiven Kräfte in Europa – und verärgert die erzkonservativen Lager.
AfD-Abgeordnete gegen Homo-Ehe und "Propaganda"
Das zeigte sich bereits am Donnerstag, da über den Abschnitt zur Homo-Ehe separat abgestimmt worden war: 472 Abgeordnete stimmten für den Antrag, 115 dagegen, 46 enthielten sich. Aus Deutschland waren einige AfD-Abgeordnete, darunter Bernd Lucke und Beatrix von Storch, gegen diese Formulierung. In einem von Hunderten Änderungsanträgen hatte Hans-Olaf Henkel gar gefordert, den Passus ganz zu streichen – bei der Abstimmung enthielt er sich dann. Auch einen Abschnitt mit Kritik an Gesetzen gegen Homo-"Propaganda" wollte er gestrichen sehen.
Gegen die Aussage zur Homo-Ehe stimmte auch der CSU-Abgeordnete Markus Ferber. Mehr Unions-Abgeordnete stimmten später gegen eine Formulierung über die sexuelle und reproduktive Gesundheit Transsexueller und gegen den gesamten Bericht.
Homo-Verfolgung bedauert
Der Bericht enthält ansonsten ein ganzes Paket zu LGBT-Fragen: So wird bedauert, dass Homosexualität in 78 Ländern kriminalisiert wird und 20 Länder "Transgender-Identitäten diskriminieren". Beklagt wird zudem eine "kürzliche Zunahme von diskriminierenden Gesetzen"; das Parlament verlangt, die Situation in Nigeria, Uganda, Malawi, Indien und Russland genau zu beachten.
Im Menschenrechtsdialog mit Drittstaaten seien LGBTI-Rechte einzubeziehen, der Europäische Auswärtige Dienst solle vorrangig auf die Anwendung der Todesstrafe und von Gewalt gegen LGBT eingehen. Die Europäische Initiative für Demokratie und Menschenrechte solle Gruppen, die homophobe und transphobe Gesetze oder Diskriminierungen bekämpfen, unterstützen. Mit dem Bericht begrüßt das Parlament die Abschaffung von einem Homo-"Propaganda"-Gesetz in Moldawien und "ruft andere Länder in der Region dazu auf, dem moldawischen Beispiel zu folgen".
Die WHO wird aufgefordert, Transsexualität nicht mehr als Krankheit einzustufen. Die EU müsse gegen die Pathologisierung von Transpersonen vorgehen und ihnen eine schnelle Anerkennung des Geschlechts ermöglichen. Eine Sterilisation dürfe dafür nicht erzwungen werden, sondern sei anzusehen und zu verfolgen als Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit wie vom Recht auf sexuelle Gesundheit und Fortpflanzung ("sexual and reproductive health and rights", die Formulierung, die der Union Bauchschmerzen bereitete).
Der Bericht über weltweite Menschenrechte und Demokratie des EU-Parlaments erscheint jährlich. Im Vorjahr war er kaum auf LGBT-Themen eingegangen. Am Mittwoch hatte das EU-Parlament bereits einen Bericht des Abgeordneten Marc Tarabella zur Gleichstellung von Frauen angenommen. Trotz Gegenwehr konservativer Gruppen, darunter der "Initiative Familienschutz" aus Deutschland, enthält er klare Aussagen zu Fragen von sexueller und reproduktiver Gesundheit und fordert etwa Zugang zu Verhütungsmitteln, legaler Abtreibung und Sexualerziehung.