Wunibald Müller, Jahrgang 1950, leitet das Recollectio-Haus der Abtei Münsterschwarzach - und ist damit in besonderer Weise auch Seelsorger für Seelsorger (Bild: BR)
Ein gutes wie günstiges Geschenk für homophobe Christen: Wunibald Müllers Schrift "Größer als alles ist die Liebe" gibt es jetzt als Taschenbuch.
Von Andreas Zinßer
In seinem schmalen Büchlein "Größer als alles ist die Liebe" fasst Wunibald Müller – Autor, katholischer Theologe, Psychologe und Leiter des Recollectio-Hauses der Abtei Münsterschwarzach – das Thema Homosexualität aus Sicht der Psychologie und der Sozialwissenschaften, aber vor allem aus jener der Bibel und der kirchlichen Lehren prägnant zusammen.
Zunächst erklärt der 64-Jährige mit einfachen Worten die veränderten Annahmen zu "Ursprung" und Definition der Homosexualität. Er bemängelt schon zu Beginn, dass von Liebe in diesem Zusammenhang sehr lange nicht die Rede war. Nicht in der Psychologie, nicht in der Psychiatrie, nicht in den Sozialwissenschaften und schon gar nicht in theologischen Zusammenhängen.
Vielmehr hat sich sämtliche Forschung und Interpretation der Wirklichkeit allein auf den genitalen Aspekt bezogen. Von diesem her gedacht, versuchte man die "Krankheit" Homosexualität mittels Therapien zu behandeln, etwa indem man schwulen Männern Frauen zuführte, um sie zu heterosexuellem Verhalten zu animieren.
Heterosexuelle und homosexuelle Liebe sind gleichwertig
"Größer als alles ist die Liebe" erschien erstmals 2009 als Hardcover-Ausgabe. Jetzt wurde der seit langem vergriffene Band als Taschenbuch neu aufgelegt
Eine solche "Umerziehung" von "Kern-Homosexuellen" funktioniert natürlich nicht, kritisiert Wunibald Müller in seinem Band. Überhaupt ist für den Autor die Sexualität von Lesben und Schwulen gleichwertig mit der von Heterosexuellen. Schnell kommt er zum (für uns natürlich selbstverständlichen) Schluss, dass somit auch die Liebe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern möglich sein muss.
Müller verwendet in seiner Herleitung eine viel weiter gefasste Definition von Sexualität als sie der Leser von einem Theologen gewöhnt sein dürfte. Sexualität ist für den Autor eine der mächtigsten Kräfte im Menschen, die geprägt sei von der Körpererfahrung und -definition, von der eigenen Identität und unserem Umgang mit ihr. Sexualität diene nicht nur der Fortpflanzung, sondern habe auch Entspannungs- und Lustfunktion, sei kommunikativ und spiegele die Urbedürfnisse des Menschseins wider – Geborgenheit, Annahme, Nähe und Intimität.
Wunibald Müller plädiert für eine Annahme der eigenen Sexualität in ihrer gesamten Buntheit, da wir uns behinderten, wenn wir diese nicht zuließen. Ein Schmunzeln lockt seine Erkenntnis hervor, auch die sexuelle Begegnung könne zu einer intimen werden. Man müsse dafür neben dem Leib auch die Seele und die Psyche teilhaben lassen. Und nur, wer eine solche Intimität erlebe, wer seine Sexualität annehme und lebe, könne wahrhaft kreativ sein und sich schöpferisch an seinem Leben hervortun.
Die Bibel bietet keine Grundlage für Homophobie
Mit Menschen, die ihre Ablehnung von Homosexualität, mit der Bibel begründen, geht der Theologe hart ins Gericht. Nach kurzer Vorstellung bekannter Bibelstellen stellt Müller fest: "Eine theologische Erörterung über Homosexualität gibt es in der Bibel nicht." Vielmehr sei der Bibel eine irreversible homosexuelle Veranlagung, wie Psychologie und Sozialwissenschaften sie heute verstehen, gänzlich unbekannt. Folglich eigne sie sich auch nicht zur Grundlage für Homophobie oder Ablehnung homosexueller Liebe. Auf der anderen Seite zitiert Müller mit Samuel 1,26 und Rut 1,17 einige biblische Beispiele, die man homosexuell deuten kann.
Seine eigene Kirche, die römisch-katholische, kommt in dem Buch übrigens ebenso schlecht weg wie die protestantisch-evangelikale. Müller wirft beiden eine Fixierung auf den genitalen Teil der Sexualität vor und plädiert umfassend für einen offenen, toleranten und akzeptierenden Umgang mit Lesben und Schwulen, ihren Gefühlen und Wünschen. Große Abschnitte lassen sich als theologisches Plädoyer für kirchliche Trauungen vom homosexuellen Paaren interpretieren.
Der Autor fordert schließlich die Konsequenzen seiner Folgerungen ein – gerade das macht das Büchlein so authentisch. Das Kapitel über die seelsorgerisch-spirituellen Perspektiven ist das Spannendste. "Größer als alles ist die Liebe" ist damit ein hervorragendes Geschenk für Christen, für die Liebe noch immer nicht Liebe ist.
Infos zum Buch
Wunibald Müller: Größer als alles aber ist die Liebe. Für einen ganzheitlichen Blick auf Homosexualität. Topos Taschenbuch 896. 107 Seiten. Kartoniert. Topos plus Verlagsgemeinschaft / Matthias-Grünewald-Verlag. Ostfildern 2014. 8,95 €. ISBN 978-3-8367-0896-8
Was heißt hier "möglich sein muß", die muß nicht sein, das ist so und basta.
Warum muß der Mensch immer was in Schubladen stecken?
Kann man nicht der Dingen ihren Lauf lassen?
Die Welt währe doch so schön, ohne diese "Dingenichtversteher", "Dingefalschversteher" die ich in eine hetzerschublade stecke.